Straßenmaut:Selbst kassieren

Winter in Bayern

Lkw im Schnee bei Wolfratshausen in Bayern: Nicht nur für deutsche Autobahnen, auch für die Nutzung von Bundesstraßen ist mittlerweile Maut fällig.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Verkehrsminister Andreas Scheuer bläst die neuerliche Privatisierung des umstrittenen Lkw-Maut-Betreibers Toll Collect überraschend ab. Nun soll der Konzern den Start der Pkw-Maut retten.

Von Markus Balser, Berlin

Wirklich gut konnten beide Seiten eigentlich nie miteinander. Die Bundesregierung und das Maut-Konsortium Toll Collect stritten schon seit 2004 vor einem Schiedsgericht um enorme Milliardensummen. Der Grund: Der verpatzte Start der Lkw-Maut vor mehr als einer Dekade. Erst im vergangenen Jahr einigten sich Bund und Toll-Collect-Eigentümer um den Daimler-Konzern auf einen Vergleich. Der Bund bekam gut drei Milliarden Euro.

Doch die Pannen gingen weiter. Als der Betreibervertrag mit dem privaten Konsortium am 31. August auslief, musste die Bundesregierung die Firma notgedrungen verstaatlichen. Das Gemeinschaftsunternehmen von Daimler, Telekom und des französischen Autobahnbetreibers Cofiroute ist nun seit 1. September in Bundesbesitz. Das Verkehrsministerium hatte es versäumt, den neuen Vergabeprozess rechtzeitig einzuleiten. Seither war eine neue Privatisierung geplant. Schon zum 1. März sollte ein neuer Betreiber die Firma übernehmen - und zwar ein Privater. Doch der zuständige Minister zog am Dienstag die Notbremse. Aus der Zweckgemeinschaft soll mit sofortiger Wirkung eine viel intensivere Dauerbeziehung werden. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kündigte an, der Lkw-Mautbetrieb werde künftig dauerhaft vom Bund übernommen. Die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass der Bund einen sicheren Mautbetrieb in Eigenregie gewährleisten könne - und sogar von einer dauerhaften Übernahme profitiere. Zu diesem Ergebnis kam auch eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung. Der Betrieb des Mautsystems durch den Bund sei demnach unter den aktuellen Rahmenbedingungen wirtschaftlicher als die Vergabe an einen privaten Betreiber. Insgesamt ließen sich mehr als 350 Millionen Euro sparen, rechneten die Experten vor.

Toll Collect treibt derzeit für den Bund fünf Milliarden Euro ein - und es soll mehr werden

Tatsächlich ist die Lkw-Maut für den Bund ein einträgliches Geschäft. Das Konsortium Toll Collect treibt mit seinen insgesamt 600 Mitarbeitern von Berlin aus mit Abrechnung per Funk und Satellit die Abgabe für den Bund ein. Das bringt jährlich fünf Milliarden Euro in die Kasse des Staates. Nach der jüngsten Ausweitung der Lkw-Maut auf Bundesstraßen sollen künftig jährlich sogar etwa 7,2 Milliarden Euro in die staatlichen Kassen fließen. Seit 2005 galt die Lkw-Maut zunächst auf den knapp 13 000 Kilometer Autobahnen und für Lastwagen ab zwölf Tonnen. Sie wurde dann auf 2300 Kilometer größere Bundesstraßen und auf kleinere Lkw ab 7,5 Tonnen ausgedehnt. Mit den übrigen Bundesstraßen kamen zum 1. Juli vergangenen Jahres noch einmal 37 000 Straßenkilometer hinzu. Der Meinungsumschwung hat aber wohl auch einiges mit einem weiteren Großprojekt des Ministers zu tun: Der geplanten Einführung der Pkw-Maut. Damit das etwas stockende Prestige-Projekt der CSU wirklich noch in dieser Legislaturperiode starten kann, soll Toll Collect künftig die für die Lkw-Maut bereits vorhandene Infrastruktur teilen. Dazu zählen etwa die Autobahnbrücken, die mit zusätzlichen Kameras ausgestattet werden können, oder auch Standorte von Automaten, die von beiden Systemen genutzt werden können. "Ich will, dass die Pkw-Maut kommt", sagte Scheuer am Dienstag.

Nach bisherigen Planungen soll ein Konsortium um den Ticketvermarkter Eventim und seinen österreichischen Partner Kapsch Traffic-Com im Auftrag des Bundes die Erhebung der Pkw-Maut kontrollieren. Offen ist, wie groß die Überschneidungen der Systeme sind. Denn während die Lkw-Maut nach Kilometern abgerechnet wird, geht es bei der Pkw-Maut um eine Abrechnung nach Zeit. So sollen vor allem ausländische Nutzer etwa für Urlaubsreisen Tages- oder Wochen-Tickets kaufen können. Für deutsche Nutzer wird die Abgabe automatisch erhoben, aber mit der Kfz-Steuer verrechnet. Immerhin wird der Aufbau eines zweiten Systems erleichtert.

Der Aufbau der Technik ist jedoch nicht das einzige Problem bei der Einführung der "Infrastrukturabgabe" genannten Pkw-Maut. Die Nachbarn Österreich und Niederlande haben vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen das Vorhaben geklagt. Beide Länder sehen mit dem deutschen Vorhaben EU-Recht verletzt, weil die Maut letztlich nur für Ausländer Zusatzkosten bedeute und sie diskriminiere. Eine Entscheidung soll in den nächsten Monaten fallen. Der Koalitionspartner SPD lobte das Privatisierungs-Aus. "Die Lkw-Maut ist die wichtigste Einnahmequelle, um unsere Straßen zu erhalten und auszubauen", sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. Es sei nicht sinnvoll, dass daran Privatkonzerne mitverdienten. Der Linken-Haushaltspolitiker Victor Perli erklärte, es sei "richtig, das skandalträchtige Privatisierungsabenteuer bei der Lkw-Maut zu beenden". Das Geld solle in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Schiene fließen.

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