Klavierzyklus des Kulturvereins:Wohlklingende Verehrung

Klavierzyklus Aurelia Shimkus.

Pianistische Präsenz zeigt Aurelia Shimkus beim Klavierzyklus im Alten Kino Ebersberg.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die junge Pianistin Aurelia Shimkus widmet sich in Ebersberg Bach und Skrjabin

Von Claus Regnault, Ebersberg

Aus dem Programmheft zum Klavierzyklus des Kulturvereins Zorneding-Baldham lächelt dem geneigten Klassikfreund eine brünette junge Frau entgegen, am Konzertabend erscheint sie à la mode erblondet: die Baltin Aurelia Shimkus, geboren 1997 in Riga. Die Pianistin hat sich im ersten Konzertteil Bach vorgenommen, zu dem sie hörbar eine mädchenhaft verehrungsvolle Haltung einnimmt, ablesbar schon am Titel ihrer CD: "Bach. Ich ruf' zu Dir". Was da unter Shimkus' Händen entsteht, ist lyrischer Bach. So wird aus dem Einleitungswerk zu seinem "Wohltemperierten Klavier", das berühmte Präludium und Fuge C-Dur BWV 846, ein anderes, milderes, fast zärtliches Stück, eine fast schüchterne Annäherung an den verehrten Meister.

Dabei unterstützt Shimkus der "wienerische" Klang des Bösendorfer, ganz anders als der eher harte, wie aus Stein gemeißelte Steinway-Sound, den der Klassikhörer von Glenn Gould maßstabsetzend im Ohr hat. Natürlich zwingt auch die strenge Fuge die junge Pianistin zu deutlicherer Artikulation. Aber letztlich bleibt ihr Bachspiel doch in der Nähe spätromantischer Milde, wie sich wenig später bei ihrer fulminanten Interpretation von Ferrucio Busonis Transkription von Bachs für die Violine komponierte "Chaconne" aus der Partita BWV 1004 erweist. Denn hier erfindet Busoni eine Vervielfältigung barocker Polyfonie in die Klangwelt des romantischen Flügels. Aber Aurelia Shimkus belässt es bei ihrer Bach-Interpretation nicht nur bei der Wiedergabe, sie komponiert in einer deutlich moderneren Verehrungshaltung auch eine eigene "Präludium und Fuge f-Moll" in Anlehnung an Bachs Präludium und Fuge f-Moll BWV 881, die sie im Anschluss an ihr eigenes Werk interpretiert.

Dann: Welch ein Kontrast nach der Pause! Denn hier demonstriert Shimkus an einer Werkauswahl des russischen Spätromantikers Alexander Skrjabin die esoterische Gegenwelt dieses Komponisten. Skrjabin, selbst berühmter Pianist, hat einen musikalischen Weg eingeschlagen, der von der virtuosen Romantik Chopins und Liszts in eine Musiksprache mündet, die ins Übersinnliche zielt. Merkwürdigerweise hat Shimkus' Programmwahl den umgekehrten Weg eingeschlagen, beginnend mit den späten vier Stücken op.51 und der unheimlichen Sonate Nr. 9 op. 68 ("Schwarze Messe"), letztere von ihr interpretatorisch meisterhaft realisiert, zurück in sein Frühwerk, vor allem die "Etüden op. 8" führt. Letztere sind, eindeutig aus der Welt romantischer Virtuosität konzipiert, nicht umsonst die eigentlichen Erfolgsstücke Skrjabins.

Damals (1901) findet er in der Etüde op. 10 Nr. 12 Des-Dur, auch "Sturmvogel-Etüde" genannt, noch zu diesseitiger Zeitgenossenschaft, einem musikalischen Protest gegen die brutal niedergeschlagenen Studentenunruhen. Hier kann Shimkus ihre erstaunliche Virtuosität, unter anderem ausgezeichnet mit dem Echo-Klassik als Nachwuchskünstlerin des Jahres 2016, voll entfalten. Das trotz schlechten Wetters erstaunlich zahlreich erschienene Publikum dankte ihrer zunehmenden pianistischen Präsenz mit entsprechend wachsendem Beifall.

Aurelia Shimkus ist eine jener zahlreichen Musikerpersönlichkeiten aus dem Baltikum, die unter der immer noch bedrohlichen Nachbarschaft Russlands nach Zentraleuropa drängen, unser Musikleben bereichernd. Wir wollen sie alsbald wieder hören!

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