Geschichte:Dieser Astronom baute einst den schnellsten Schlitten der Welt

Valier im Raketenschlitten, 1929

Seinen Raketenschlitten RAK BOB 1 hat Max Valier (links stehend) vor der Rekordfahrt in Starnberg erst einmal auf dem Eibsee getestet.

(Foto: Scherl/SZ Photo)

Max Valier schuf einen Schlitten, der vor 90 Jahren das Rekordtempo von 400 Kilometern pro Stunde erreichte. Die Begeisterung für Raketen wurde ihm später zum Verhängnis.

Von Hans Kratzer

Bei allem Jammern über die aktuellen Wetterkapriolen: Der Winter vor 90 Jahren war auch sehr hart, wie den alten Aufzeichnungen zu entnehmen ist. Viele Seen waren derartig zugefroren, dass man sich sogar mit Fahrzeugen auf ihnen bewegen konnte. Am Nachmittag des 9. Februar 1929 raste entsprechend ein kurioses Gefährt über den zugefrorenen Starnberger See, damals noch Würmsee, wobei es eine lange Rauchfahne hinter sich herzog. Diese Fahrt ist sogar auf einer unscharfen Fotografie dokumentiert. In der Chronik des Vereins "Bayerische Flugzeug Historiker" sind die Hintergründe nachzulesen. Demnach startete gegen 16 Uhr vor 3000 begeisterten Zuschauern ein unbemannter Schlitten. Er war mit 18 Raketen bestückt, die ihn auf eine Geschwindigkeit von knapp 400 km/h beschleunigten. Das war damals ein einsamer Geschwindigkeitsweltrekord. Im Auslauf rammte der Schlitten allerdings einen Bootssteg am Ufer, wobei der Bug schwer beschädigt wurde.

Der Mann, der für diese Glanztat verantwortlich war, heißt Max Valier. Er gilt als ein Pionier der Raumfahrt und war auch eines ihrer ersten Opfer. Der gebürtige Bozener studierte in Innsbruck Astronomie, Mathematik, Physik und legte in München die Staatsprüfung in Astronomie ab. Früh begann er mit Raketenantrieben an verschiedenen Fahrzeugtypen zu experimentieren, auch mit raketengetriebenen Schlitten.

Am 22. Januar 1929 gelangen Valier auf dem schneebedeckten Flugplatz Schleißheim die weltweit ersten Versuchsfahrten mit einem Raketenschlitten. Die erste Fahrt erfolgte unbemannt, das von acht Pulverraketen angetriebene Gefährt erreichte eine Geschwindigkeit von 110 km/h und legte eine Strecke von 130 Meter zurück. Valier hatte den sechs Meter langen Schlitten selbst entworfen, die Münchner Karosseriefabrik Kogel baute ihn aus Eschenholz und Blech zusammen.

Der erste öffentliche Auftritt des Schlittens erfolgte am 3. Februar 1929 auf dem Eibsee. Um für seine Raketen zu werben, präsentierte Valier den Schlitten als Hauptattraktion auf dem Wintersportfest des Bayerischen Automobil-Clubs. Schon die erste Fahrt vor mehreren Tausend Zuschauern geriet zu einer Sensation. Valiers Ehefrau Hedwig saß im Cockpit, was die Sicherheit des Raketenantriebs untermauern sollte. Von sechs Raketen auf 45 km/h beschleunigt, legte der Schlitten eine Strecke von hundert Meter zurück. Bei der zweiten Fahrt platzte jedoch eine Rakete. Valier stieg unverletzt aus dem Fahrzeug, die geplante dritte Fahrt konnte dann aber erst am 9. Februar 1929 auf dem zugefrorenen Starnberger See gestartet werden.

Danach ging Valier das Geld aus, er musste seine Pläne für den Bau eines noch schnelleren Schlittens aufgeben. Sein Rekordschlitten landete in der Raumfahrtabteilung des Deutschen Museums. Valier betrachtete seine Schlitten lediglich als Zwischenstufen auf dem Weg zur Weltraumrakete. Überdies experimentierte er zusammen mit Fritz von Opel auch mit raketengetriebenen Straßenfahrzeugen. Er dachte auch schon über die Konstruktion von mit Raketen angetriebenen Flugzeugen und über Raketenweltraumschiffe nach. Bei einer Testfahrt mit neuartigen Brennstoffen verunglückte Max Valier am 17. Mai 1930 in Berlin im Alter von 35 Jahren tödlich. Ein Splitter der geborstenen Brennkammer traf seine Lungenschlagader. Er wurde auf dem Westfriedhof in München in einem Ehrengrab beerdigt. In München-Schwabing ist eine Straße nach ihm benannt. Max Valier gilt als erstes Todesopfer der Raumfahrt.

Der Verein "Amateurastronomen Max Valier" zitiert auf seiner Homepage den Zeitzeugen Walter Boeltz, der Valiers Lebenswerk angemessen einordnete: "Max Valier unterscheidet sich grundlegend von anderen Männern der Rakete: Er war Astronom - nie hat er im Sold eines Kriegsministeriums und nie für kriegerische Zwecke an der Rakete gearbeitet; er glaubte, dem Frieden auf Erden zu dienen, indem er den Blick der Menschen in die Weiten des Weltalls lenkt; dadurch, so hoffte er, werden sie Zank und Krieg vergessen."

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