Handball in München:"Eine Chance, die nicht wiederkommt"

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München kämpft um den Anschluss an den Spitzenhandball. Die Aufbruchstimmung durch die Weltmeisterschaft könnte da helfen.

Von Thomas Gröbner

Das ganze Problem des Münchner Handballs lässt sich auf einem kleinen Bildschirm hoch über dem Spielfeld in der Olympiahalle ablesen. Praktische Sache, dieses Internet. Schnell den Wohnort eintippen - und schon präsentiert sich der nächstgelegene Handballverein. Bloß: Um Spitzenhandball zu spielen, führt der Weg weit weg aus der Landeshauptstadt, Richtung Norden, über die A9, 187 Kilometer weit. Ziel: Erlangen, Bundesligist. Seit 25 Jahren gibt es in München und Umgebung keinen Profiverein mehr. Kein Spieler der WM kommt aus München, und wenn die Vorrunde vorbei ist, dann ist es auch wieder vorbei mit Spitzenhandball in München. Diese Weltmeisterschaft könnte eine der letzten Gelegenheiten für einen Anlauf sein, den Handball in der Region wiederzubeleben.

Der Mann, der dafür sorgen will, schwebt dieser Tage durch die Gänge der Münchner Olympiahalle. Georg Clarke lächelt, auch wenn er traurige Wahrheiten ausspricht. Der Präsident des Landesverbandes BHV freut sich, wie gut dieses Turnier in München läuft. Aber er sorgt sich, dass nach der WM alles so bleibt, wie es ist. "Wir sind eine Randsportart", sagt Clarke. Der Fußball saugt alle Aufmerksamkeit auf. Für den Handball ist das ein doppeltes Problem. Sie müssen erst um den Nachwuchs kämpfen - und können ihn dann nicht in der Stadt halten. Denn wer wirklich gut ist, der muss weg aus München. Nach Berlin, nach Mannheim oder Magdeburg. "Wir verlieren den Nachwuchs", warnt Clarke. Drei Dinge fehlen in München, zählt der 54-Jährige auf: ein Verein, der mindestens in der dritten Liga spielt, um für die Spieler der Region eine Perspektive zu bieten; eine Halle, in der 2000 bis 4000 Zuschauer Platz finden, denn die Olympiahalle ist zu groß und zu teuer; und ein Internat, wie es im Leistungssport üblich ist, in der Schule und Sport sich vereinbaren lassen. An der Eliteschule des Sports in München steht Handball nicht auf dem Plan, weil es keine Drittliga-Mannschaft gibt. Und wer baut eine Halle ohne Verein? Und so drehen sich die Argumente im Kreis. Manch einer träumt deshalb davon, dass der FC Bayern den Handballsport wie im Basketball belebt.

"Vor ein paar Jahren hättest du mit der Stadt über Handball gar nicht sprechen können": Georg Clarke. (Foto: Roland Krivec/imago/DeFodi)

"Wir können nicht immer nur nach dem Herrn Hoeneß schreien", sagt Martin Haider im Bayerischen Rundfunk. Er ist der WM-Projektleiter des Bayerischen Handball-Verbands. "Es wäre schön, wenn der FC Bayern sagt, wir spielen auch Handball. Aber wir müssen selbst was auf die Beine stellen." Dabei spielt der FC Bayern Handball, in der Bezirksliga. "International wirtschaftlich nichts wert" sei der Handball-Sport, hatte Hoeneß 2017 in einem SZ-Interview erklärt. Auch wenn er sich danach für seine Aussage entschuldigte, gibt es keine Anzeichen, dass sich der FC Bayern in naher Zukunft in ähnlicher Weise wie im Basketball engagiert. Die Münchner Handball-Revolution muss wohl ohne die Unterstützung von Uli Hoeneß beginnen. Jetzt, mit der WM im Rücken, fühlt sich Clarke bereit. "Ich spüre Aufbruchstimmung." Er hat das Gefühl, dass sich die Stimmung dreht. "Vor ein paar Jahren hättest du mit der Stadt über Handball gar nicht sprechen können", sagt Clarke.

Wer Bilder aus besseren Zeiten im Münchner Handball finden will, der muss sich durch Chroniken wühlen. 1986 wurde der MTSV Schwabing Zweiter der Meisterschaft und Pokalsieger, 1991 gewann Milbertshofen sogar den Europapokal der Pokalsieger. Doch dann begann der Absturz: Erst schlitterte Schwabing 1989 in den Konkurs. 1993 ging dann der TSV Milbertshofen pleite. Heute spielt Milbertshofen in der Bezirksoberliga, Schwabing gar in der Bezirksliga. "Viel kaputtgegangen" sei damals, sagt Clarke. Nicht nur die Strukturen, sondern auch die Glaubwürdigkeit. Der Handball in der Stadt hat sich davon nicht mehr erholt.

Endlich mal wieder Spitzenhandball: Hier duellieren sich in der Münchner Olympiahalle Kroatien mit Luka Stepancic (li.) und Island mit Bjarki Mar Elisson. (Foto: Sven Simon/imago)

Doch es bewegt sich wieder etwas. Am Stand der Handballakademie Bayern sitzt Andreas Walter. Er hat das breite Kreuz eines ehemaligen Handballers, er spielte früher beim TSV Milbertshofen. Die Akademie ist eine Initiative ehemaliger Handballer aus der Region. Sie wollen die "Bruchstelle" in der Förderung des Handballnachwuchses abdichten. Reihenweise verließen die Talente mit 16 Jahren die Stadt, weil hochklassige Vereine fehlen, sagt Walter. Die Akademie hält mit einem eigenen Team dagegen: Ihre A-Junioren spielen Bundesliga, die Vereine der Region schicken ihre besten Talente hierher, damit sie intensiver trainieren können. "Sie können dabei bei ihrer Familie bleiben", sagt Walter, sie müssen nicht wegziehen. "Aus Berlin kommt keiner mehr zurück", weiß Walter. "Da ist die Schule zu leicht."

"Wir haben die gleichen Ansätze", sagt Clarke über die Akademie, hin und wieder arbeiten sie zusammen. Was Clarke vorschwebt: einen Verein nach oben zu bringen, wie damals, vor 25 Jahren. Doch dafür müssten die Klubs ihren Stolz beiseite schieben. Und einem Verein zuarbeiten, ihre besten Spieler also zum besten Klub der Stadt schicken. "Das ist schwer vermittelbar", weiß Clarke. Und er weiß auch, dass all seine Bemühungen andernorts argwöhnisch beobachtet werden. Nämlich dort, wo sie die Bevorzugung der Landeshauptstadt wittern, die ihnen als Standort eine Gefahr ist. "Einen Spagat" müsse er hinbekommen, sagt Clarke. Weil Bayern eben nicht nur München ist.

© SZ vom 17.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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