Obergiesing:Traum vom Schaum

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Der Gastronom Dietrich Sailer will auf dem Areal der früheren Tankstelle der McGraw-Kaserne das "Münchner Kindl Bräu" in einem Industrie-Retrobau neu beleben - mit Holzfass-Abfüllung, Rössern und Bienenvölkern

Von Julian Raff, Obergiesing

Die frühere Tankstelle der McGraw-Kaserne im Niemandsland zwischen Giesing und Unterhaching könnte sich schon bald vom Lkw-Abstellplatz in einen Hort hiesiger Bierkultur verwandeln, den zweiten neben dem "Giesingerbräu". Auf dem 4107 Quadratmeter großen Gelände knapp nördlich der Stadtgrenze, östlich der Tegernseer Landstraße plant der Traunsteiner Brauer und Gastronom Dietrich Sailer eine Wiederbelebung des "Münchner Kindl Bräu".

Die 1880 in Haidhausen gegründete Brauerei ging 1905 im Unionsbräu auf und mit diesem schließlich 1921 in Löwenbräu. Bekannt war der Bräu einst für sein von Sailer mit erworbenes "Schützenliesl"-Logo, sowie für seinen Saal am Rosenheimer Berg beim heutigen Motorama, einst Münchens größter Bierpalast.

Wie Sailer bei der Präsentation des Projekts im Bezirksausschuss Untergiesing-Harlaching (BA 18) auch an die Adresse der eigentlich zuständigen Obergiesinger Nachbarn im BA17 versicherte, strebt er nicht nach alter Größe. Vielmehr habe er sich Markenrecht und Grundstück für eine kleine, feine Produktion gesichert. Die geplante Jahresproduktion von 10 000 Hektolitern entspreche gerade mal dem Augustiner-Tagesausstoß. Schon deshalb hätten die Münchner Brau-Riesen gelassen auf sein Vorhaben reagiert.

Neues Bier im Retro-Bau. (Foto: Christian Endt)

In der Branche hat Sailer natürlich vorgefühlt, als Brauprofi: Der 61-jährige gebürtige Münchner stammt aus der Eigentümerfamilie des Traunsteiner Hofbräuhauses, dessen Geschäftsleitung er kürzlich zugunsten seines Münchner Projekts aufgab. In der Münchner Gastroszene machte er sich vor 30 Jahren einen Namen mit dem "Isarbräu" in Großhesselohe (Pullach, Landkreis München). Dem dortigen früheren Isartalbahnhof im Material nicht unähnlich, plant Sailer in Giesing nun einen Backsteinbau im Industrie-Retrolook des 19. Jahrhunderts. Das Architekturbüro des früheren Stadtheimatpflegers Gert Goergens konzipiert die 30 mal 48 Meter große Halle in der Form einer römischen Basilika oder, profaner, einer Stufenhalle. Darin entstehen soll untergäriges Münchner Helles, Dunkles und Bockbier, aber kein Weißbier und schon gar kein trendiges Craft-Beer, bekennt sich Sailer zur Rückbesinnung aufs Bewährte. Eine angeschlossene Wirtschaft mit maximal 200 Plätzen und Brauereiführungen sollen erlebnisgastronomische Einblicke bieten.

Künstlich auf alt getrimmt werde aber nichts: Sailer will ins Holzfass abfüllen, gekühlt durch Stangeneis aus einer 111 Jahre alten, restaurierten Originalmaschine, die er in Mittelhessen aufgetrieben hat. Fast noch ursprünglicher geht es bei der Auslieferung zu: Der Plan sieht Ställe für mindestens zwei Brauereirösser vor. Sie wären damit wohl stadtweit die einzigen außerhalb des Wiesneinzugs. Ergänzen will Sailer das Nebeneinander von Bier und Tier mit der Ansiedlung von Bienenvölkern.

Überhaupt empfiehlt er sich als ökobewusster Bauherr - immerhin werde die Ex-Tankstelle entsiegelt, von wahrscheinlichen Altlasten befreit und teils ökologisch aufgewertet. Sein Vorhaben entwickle das Areal genau in die Richtung, die der Flächennutzungsplan mit der Widmung als ökologische Vorrangfläche vorsieht. Entsprechend optimistisch sieht Sailer den Beratungen in Stadtrat und Bauausschuss entgegen. Dennoch braucht ein Planänderungsverfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit Zeit. Statt einen Eröffnungstermin zu nennen, gibt Sailer den Rahmen lieber mit 14 Monaten ab Baugenehmigung an.

Im BA 18 stieß der Unternehmer jedenfalls schon einmal auf äußerst wohlwollend gestimmte Stadtpolitiker. Kritische Nachfragen beschränkten sich auf ein ungeduldiges "Ja, wann?" (Brar Braren, Grüne). Die Antwort hängt nun natürlich auch von den Kollegen im BA 17 ab, die das Vorhaben am kommenden Dienstag, 22. Januar, eventuell doch noch auf ökologische Folgen und den Verkehr hin kritisch abklopfen werden.

Natürlich möchte Sailer bei seinem Herzensprojekt keine Zeit verlieren. Kommerziellen Druck verspürt er als langjähriger Gesellschafter des Traunsteiner Hofbräu aber nicht. Auch die langfristige Weiterführung als Familienbetrieb kann als gesichert gelten: Sailers Söhne Leo und Luis dürften die Brau-Dynastie fortführen, immerhin wurde letzterer vor drei Jahren mit 16 in Fachkreisen als jüngster Biersommelier der Welt bekannt.

© SZ vom 17.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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