Prozess:Querschnittsgelähmter Münchner klagt gegen Hüttenwirt

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Die Tutzinger Hütte ist eine DAV-Hütte am Fuß der Nordwand der Benediktenwand. Das Bild stammt aus dem Jahr 2011. (Foto: Manfred Neubauer)
  • Ein Münchner Steuerberater klagt gegen die Sektion Tutzing des DAV sowie den einstigen Wirt der Tutzinger Hütte.
  • Im Oktober 2016 stürzte der betrunkene Mann von einer Plattform aus dem ersten Stock und ist seither querschnittsgelähmt.

Von Andreas Salch, München

Es ist eine malerische Gegend, in der die Tutzinger Hütte liegt. Auf rund 1330 Metern Höhe unterhalb der Benediktenwand im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Wanderer, die auf dem Traumpfad München-Venedig unterwegs sind, kehren hier gerne ein. Ebenso Kletterer und Mountainbiker. Für einen Steuerberater aus München endete ein Ausflug zu der Hütte, die von der Sektion Tutzing des Deutschen Alpenvereins (DAV) betrieben wird, in einer Tragödie.

Er stürzte im Oktober 2016 nachts von einer Plattform aus dem ersten Stock. Seitdem ist der 46-Jährige, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, querschnittsgelähmt. Seinen Beruf kann er nicht mehr ausüben. Länger als sechs bis acht Stunden könne er nicht ununterbrochen sitzen, sagte der Mann am Dienstag vor dem Landgericht München II.

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Die Frau hatte am Samstagabend selbst einen Notruf abgesetzt, konnte aber nicht genau sagen, wo sie losgegangen war, wo sie hinwollte und wo sich befand.

Über seine Vertreterin, Rechtsanwältin Silke Ackermann, hat er gegen die Sektion Tutzing des DAV sowie den damaligen Wirt der Hütte eine sogenannte Feststellungsklage erhoben. Für den Vorsitzenden der 9. Kammer am Landgericht München II, Richter Johannes Brose, gilt es nun, zu prüfen, ob dem Steuerberater Ansprüche etwa auf Schmerzensgeld zustehen.

Als "unterste Marge" für einen etwaigen Vergleich, sagte Richter Brose zu Beginn der Verhandlung, stelle er sich einen Betrag von 500 000 Euro vor. Dafür sähen sie keine Grundlage, erwiderten die Vertreter des DAV und des Wirts, Rechtsanwalt Alexander Wiehofsky und dessen Kollegin Nicole Tassarek-Schröder. Die strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Körperverletzung sind noch nicht abgeschlossen.

Bei dem Sturz aus rund drei Metern Höhe hatte sich der Steuerberater unter anderem den fünften und sechsten Brustwirbel gebrochen. Eine Frau, die ebenfalls in der Nacht zum 29. Oktober 2016 zu Gast auf der Tutzinger Hütte war, hatte gegen Mitternacht draußen ein Wimmern gehört, als sie zur Toilette ging. Es war der Steuerberater. Er lag auf einer Wiese vor dem Anwesen.

Der Wirt alarmierte sofort die Bergwacht im Tal. Dem Steuerberater habe er Decken gebracht, "in die Wadln gezwickt und auf eine Reaktion gehofft", sagte er bei seiner Vernehmung. Der 46-Jährige sei zwar ansprechbar gewesen, habe aber keine Reaktion mehr in den Beinen gezeigt. Auch die Ärzte im Unfallkrankenhaus Murnau, wohin der Steuerberater noch in der Nacht mit einem Helikopter verlegt worden war, konnten nichts mehr tun.

Wie es zu dem Unglück kam, daran kann sich der 46-Jährige nicht mehr erinnern. Er sei aufgewacht und auf die Toilette im Flur gegangen. Mit halbgeschlossenen Augen. Das mache er immer so, um dann wieder "besser einschlafen zu können". Statt seiner Zimmertüre öffnete der Mann auf dem Weg von der Toilette aber eine Fluchttüre im ersten Stock. Unter der Türe befindet sich zwar eine Plattform. Diese hatte aber kein Geländer. Das hat sich erst nach dem tragischen Unfall geändert.

Er könne sich nur noch erinnern, dass er an der Türe, die er für seine Zimmertüre hielt, "rumgemacht" habe, um sie zu öffnen, so der 46-Jährige. Er sei verschlafen gewesen. Doch nicht nur das. Der Steuerberater war auch stark alkoholisiert. Laut einem ärztlichen Bericht hatte er eine Blutalkoholkonzentration zwischen 1,8 und 1,9 Promille. Inzwischen räumt der Mann dies freimütig ein. Auf die Frage von Richter Brose, ob er beim Öffnen der Fluchttüre einen Luftzug wahrgenommen habe, antwortete der Steuerberater, er könne sich nicht mal erinnern, dass er einen Schritt nach draußen gemacht habe. "Ich bin einfach gegangen, wie ich immer gegangen bin."

Ein schnelles Ende wird es in dem Verfahren nach Einschätzung von Rechtsanwältin Tassarek-Schröder nicht geben. Dafür blieben zu viele Details streitig; etwa, wie die Beleuchtung im Flur im ersten Stock der Hütte war. War es hell oder "duster", wie der Steuerberater glaubt. Unterschiedliche Angaben gibt es auch dazu, wie viel Alkohol er und sein Bekannter an jenem Abend in der Hütte getrunken hatten. Innerhalb von etwa sechs Stunden sollen es nach Angaben des Wirts zehn Bier, zwei Flaschen Rotwein und acht Schnäpse gewesen sein.

© SZ vom 18.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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