Flüchtlinge:Keine Helfer, keine Zeugen

Italiens Innenminister steht für das Versagen Europas.

Von Oliver Meiler

Matteo Salvinis Zynismus im Umgang mit Flüchtlingen ist zunehmend unerträglich. Am Tag nach dem jüngsten Unglück mit wahrscheinlich 117 Opfern vor Libyens Küste griff Italiens rechtspopulistischer Innenminister erneut die Hilfsorganisationen an. Als wären allein sie das Problem, als wirke ihre Präsenz wie ein "Pull-Faktor", wie ein Magnet für Schlepper. Mindestens so stark ist in Wirklichkeit der "Push-Faktor", der die Migranten auf die gefährliche Route über das zentrale Mittelmeer drängt: Libyens Auffanglager. Sie sind die Hölle.

Salvinis These ist voller Hohn. Mittlerweile kreuzt vor Libyen nur noch ein einziges Rettungsschiff einer Nichtregierungsorganisation, die Sea-Watch 3. Und die war zum Zeitpunkt des jüngsten Dramas mehrere Fahrstunden entfernt von den Ertrinkenden. Noch eine These, die Salvini gerne für seine Propaganda gebraucht, ist eine Täuschung. Er behauptet: Gehen die Überfahrten zurück, sinkt auch die Zahl der Todesopfer. Prozentual, wenn man das so sagen darf, ist das Gegenteil wahr. Nie in den vergangenen Jahren war die Wahrscheinlichkeit größer, im Mittelmeer zu sterben, als heute.

Das rührt daher, dass niemand mehr da ist, der rettet und wacht - keine Helfer, keine Zeugen. Salvini ist nur ein Gesicht des europäischen Versagens. Es versagt Europa als Ganzes.

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