Landwirtschaft:Zu wenig Hilfe für kleine Höfe

Mehrere Zehntausend Menschen fordern in Berlin eine Wende in der Agrarpolitik. Hilfszahlungen für landwirtschaftliche Betriebe sollen an mehr Leistungen für Klima- und Naturschutz geknüpft werden.

Angeführt von Traktoren haben am Samstag in Berlin mehrere zehntausend Menschen für mehr Umwelt- und Tierschutz in der Landwirtschaft demonstriert. Die Teilnehmer überreichten eine Protestnote an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und 74 Agrarminister aus aller Welt, die sich an diesem Tag in Berlin trafen. Darin forderten sie eine zukunftsfähige EU-Agrarreform, eine Abkehr von pauschalen Flächensubventionen sowie Unterstützung für eine umweltfreundliche bäuerliche Landwirtschaft. Zur "Wir haben es satt"-Demo hatten mehr als 100 Organisationen aufgerufen.

Die Veranstalter kritisieren unter anderem das derzeitige Subventionssystem der EU. 60 Milliarden Euro an Agrargeldern schüttet die EU jedes Jahr aus, 6,3 Milliarden Euro gehen davon nach Deutschland. Drei Viertel der Fördersumme fließen in pauschale Subventionen je Hektar Fläche und sind nicht an besondere Leistungen geknüpft. Die 3300 Betriebe mit der größten Flächen erhielten so einen großen Teil der Förderung, während für die vielen kleineren Betriebe weniger bleibe, sagte eine Bündnissprecherin. Klöckner müsse endlich die Interessenvertretung der Industrie beenden und eine Politik für Bauern, Bienen und lebensfähige Dörfer machen.

Landwirtschaftsministerin Klöckner warnt vor Polarisierung

Derzeit laufen in der EU die Verhandlungen für die nächste Agrarreform. Das Bündnis fordert, dass künftige Hilfszahlungen für landwirtschaftliche Betriebe an mehr Leistungen für Klima- und Naturschutz geknüpft werden. Mehr Unterstützung soll es außerdem für kleinere Höfe und artgerechte Tierhaltung geben. Kritik an der aktuellen Agrarpolitik kam auch aus den Reihen der Bauern. Eine Landwirtin aus dem niedersächsischen Wendland sagte: "Die Agrarindustrie lässt uns kleine Bauern wegsterben." Grünen-Chef Robert Habeck rief dazu auf, bewusst einzukaufen: "Wir müssen wegkommen im Alltag von diesem 'Wir stopfen uns noch schnell Kalorien rein, und es ist egal, wie sie entstanden sind'".

Agrarministerin Klöckner warnte vor Polarisierungen. Es sei eine Herausforderung, die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren: "Wir werden sie nicht satt machen mit einem Teilausstieg aus der landwirtschaftlichen Produktion." Es komme auf eine nachhaltigere, effizientere und umweltgerechtere Produktion an. "Aber wir brauchen den Landwirt." Es gehe nicht mit einem Gegeneinander und Pauschalisierungen.

Die Agrarminister einigten sich bei ihren Treffen darauf, die Digitalisierung in der Landwirtschaft stärker voran zu treiben. Digitale Technologien könnten dabei helfen, ländliche Räume zu stärken und Fluchtursachen zu bekämpfen, hieß es. Daher sollten gemeinsame Lösungen gesucht werden, um den Zugang zu Technologien auch für Kleinbauern auf der ganzen Welt zu verbessern. Die Welternährungsorganisation FAO soll nun laut Klöckner ein Konzept für einen Digitalrat ausarbeiten. Dieser soll dabei helfen, die genannten Ziele umzusetzen.

EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis zeigte sich offen für das von der Bundesregierung geplante staatliche Tierwohl-Label für Fleisch aus besserer Haltung. Das von Klöckner geplante Tierwohl-Kennzeichen könnte 2020 starten. Bauern sollen es freiwillig nutzen können.

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