IHK:Verdächtiges Schweigen

Was verdient der Chef einer Industrie- und Handelskammer? Viele Organisationen halten sich bedeckt. Kritiker wollen nun Schluss machen mit der Geheimniskrämerei und fordern die Offenlegung der Vergütung.

Von Thomas Öchsner

Wer es an die Spitze einer Industrie- und Handelskammer (IHK) geschafft hat, kann gut Geld verdienen. Der frühere Hauptgeschäftsführer der Hamburger IHK, Hans-Jörg Schmidt-Trenz, kam zum Beispiel auf eine Vergütung von gut 600 000 Euro, inklusive Prämien und Altersvorsorge. Andere IHK-Top-Manager sind weit genügsamer. In Augsburg belief sich 2017 das Gehalt des Chefs auf 211 000 Euro, in Berlin auf 225 000 Euro.

Doch wie angemessen sind solche Vergütungen in öffentlich-rechtlichen Körperschaften? Und was erfährt die Öffentlichkeit darüber? Der Bundesverband für freie Kammern (BffK), der seit Jahren gegen "Intransparenz im deutschen Kammerwesen" kämpft, hat die Bilanzen und Berichte der Kammern durchforstet. Das Ergebnis: Nur zehn der 79 Kammern haben individualisierte Details über die Saläre ihrer Chefs veröffentlicht. Alle anderen schweigen, während zum Beispiel die Krankenkassen und die Landesrundfunkanstalten in der ARD die Gehälter ihrer Vorstandschefs oder Intendanten veröffentlichen. Außerdem seien die Gehälter der Kammerchefs verglichen mit denen der Krankenkassenchefs "oft deutlich überzogen", sagt BffK-Geschäftsführer Kai Boeddinghaus.

Die Kammerkritiker sprechen von "heimlicher Selbstbedienung"

Er argumentiert: Bei den Kammern, die von den Pflichtbeiträgen der Unternehmen leben, handelt es sich um öffentlich-rechtliche Einrichtungen, und diese müssten stets ihren Haushalt sparsam führen. Dies sei aber häufig nicht der Fall. So hält es der BffK-Geschäftsführer zum Beispiel für nicht nachvollziehbar, wenn die Chefin der IHK Kassel-Marburg bei etwa 100 Mitarbeitern ohne Verantwortung, wie sie Unternehmer haben, "inklusive aller Nebenleistungen knapp 250 000 Euro verdient" - etwa genauso viel wie der Vorstandschef der IKK classic, einer Krankenkasse mit etwa 7000 Mitarbeitern und 3,3 Millionen Mitgliedern.

Für Boeddinghaus ist es auch kein Zufall, dass die große Mehrheit der Kammern in ihren Jahresbilanzen die Gehälter des Top-Managements nur als Summe für alle Mitglieder der Geschäftsführung veröffentlicht. So verfahren auch die wenigen Handwerkskammern, die überhaupt solche Angaben machen. "Es gibt jetzt ein paar positive Beispiele wie die IHK in Augsburg, Berlin, Essen, Köln oder Stuttgart", sagt er. "Doch die meisten Kammern entziehen sich leider immer noch mit ihrer Geheimniskrämerei der Debatte um eine angemessene Vergütung." Das diene der Verschleierung. "Das System der heimlichen Selbstbedienung soll unter der Decke bleiben", sagt der Kammerkritiker aus Kassel.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Ende 2015 hatte der DIHK noch mit dem Datenschutz argumentiert, der gegen eine individualisierte Angabe der Top-Gehälter spreche. Intern wird in den Reihen der Kammern aber durchaus diskutiert, wie viel Transparenz geboten ist. Außerdem wird darauf verwiesen, dass es sich beim Posten eines Hauptgeschäftsführers um eine extrem zeitaufwendige Aufgabe mit vielen Abend- und Wochenendterminen handele. Dafür brauche man Top-Leute mit sehr guten politischen Kontakten und einem breiten Netzwerk.

In Hamburg brauchte man nach dem Rücktritt des wegen seines Gehalts umstrittenen IHK-Chefs Schmidt-Trenz nicht allzu lange, die neue Spitze zu besetzen - obwohl das Jahresgehalt für die Nachfolgerin jetzt nur noch knapp 200 000 Euro beträgt. Schmidt-Trenz aber ließ sich seinen Abschied vergolden. Das Abfindungspaket soll die Kammer mehr als eine Million Euro gekostet haben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: