Prozess:Rezeptionistin soll 425 Mal bei Flugbuchungen betrogen haben

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  • Der Firma der Beschuldigten soll so innerhalb von drei Jahren ein Schaden von 240 000 Euro entstanden sein.
  • Die Rezeptionistin sieht sich als Opfer eines Komplotts.

Von Susi Wimmer

Kirsten W. sieht sich am Tiefpunkt ihres Lebens angelangt. Da habe "jemand was gedreht, und ich bin das Bauernopfer", sagt sie. Ihr Ehemann, Peter W., ist erst gar nicht zur Verhandlung am Amtsgericht erschienen. Laut Attest wird er in einer psychiatrischen Klinik behandelt. Kirsten W. erzählt sehr aus- und abschweifend, wie ein Komplott gegen sie entstanden sein könnte. Staatsanwältin Johanna Heidrich findet für das, was in Sitzungssaal A 20 verhandelt wird, klare Worte: Als Rezeptionistin bei einem Unternehmen soll die Angeklagte Flüge für die international agierenden Mitarbeiter gebucht haben. Und zwar bei ihrem Ehemann, der in einem Reisebüro als Hauptgeschäftsführer tätig war. Allerdings wurden die Flüge nie angetreten. Das Reisebüro schrieb eine Rechnung, Kirsten W. soll diese mit dem Stempel "geprüft und bestätigt" an die Buchhaltung weitergegeben haben. Der Firma soll so binnen drei Jahren ein Schaden von 240 000 Euro entstanden sein.

Auf der Anklagebank hat nicht nur Kirstin W. Platz genommen, sondern auch die Brüder Helmut und Stefan B. Man kennt sich aus einer Zeit, als man gemeinsam in einem großen Reisebüro gearbeitet hatte. Als dieses Konkurs ging, gründeten die Brüder und Peter W. eine eigene Firma. "Wir haben 20 Jahre lang für die Grenzpolizei Abschiebeflüge gebucht", rühmt sich Helmut B. "Wir buchen auch für das amerikanische Generalkonsulat", sagt sein Bruder. Während sie sich noch den Privatkunden widmeten, soll sich Peter W. um die Reisewünsche in der Telekommunikations-Firma gekümmert haben, in der seine Frau tätig war. Das sei viel Arbeit gewesen, berichtet Stefan B. "Die Firma rief zehn bis 15 Mal am Tag an."

Dem Ehe- sowie dem Brüderpaar wirft Staatsanwältin Heidrich 425-fachen Betrug vor. So viele Flugbuchungen liefen zwischen Juni 2011 und August 2014 in dem Reisebüro auf, die von Mitarbeitern gar nicht angetreten wurden, über die jedoch eine Rechnung geschrieben wurde. "Wir haben noch nie jemanden betrogen", versichert Helmut B. Sein Name sei auf den Rechnungen aufgetaucht, weil man den Eindruck einer Vetternwirtschaft vermeiden wollte, wenn Ehemann Peter W. die Rechnungen unterschrieben hätte. Erst als die Telekommunikations-Firma mit einem Rechtsanwalt bei ihnen aufschlug, habe man davon erfahren. "Die wollten über 200 000 Euro, da hab ich blöd aus der Wäsche geschaut." "Warum haben Sie bei der polizeilichen Vernehmung geschwiegen und sagen erst heute, dass Sie nichts davon wussten?", will die Staatsanwältin wissen. "Das hat mir mein Anwalt geraten."

"Ich hielt das Ganze für einen Irrtum", versichert Kirsten W. In der Firma sei alles kontrolliert worden, "die Teebeutel abgezählt", sie habe Tür an Tür mit dem Controlling-Chef gesessen, "als freie Mitarbeiterin ohne Prokura" sei so eine Aktion ja gar nicht möglich gewesen. Dann kommen Geschichten von Firmenoberen, die "Geld mit bulgarischen Nutten" durchgebracht haben sollen und die Theorie, dass Mitarbeiter die Flüge zur Buchung gaben, um beispielsweise ausgeführte Wartungsarbeiten bei Firmen vorzutäuschen.

Die Staatsanwaltschaft wirft Kirsten W. außerdem vor, die Chefin eines Kosmetikstudios betrogen und bestohlen zu haben, für die W. ebenfalls gearbeitet hatte. Auch hier versichert W. ihre Unschuld, erzählt von Geisteraustreibungen im Kosmetikstudio und einem "Dämonenspray", das die Chefin benutzt habe. Der Prozess wird im Februar fortgesetzt.

© SZ vom 22.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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