KZ-Überlebende Ruth Melcer:Zeugin einer dunklen Zeit

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Vor knapp einem Jahr war Ruth Melcer (vorne links) mit Enkelin und Tochter zu einem Zeitzeugengespräch im Karmel-Kloster. (Foto: Toni Heigl)

Ruth Melcer überlebte als Mädchen das KZ Auschwitz. Am Sonntag, 27. Januar, spricht sie in Dachau über ihr Leben. Das tut sie selten.

Ruth Melcer hat einen ungewöhnlichen Weg gefunden, aus ihrem Leben zu berichten. Sie schrieb ein Kochbuch. Zunächst wollte sie nur etwas Familiengeschichte und polnisch-jüdische Traditionen festhalten. Der Verlag Gerstenberg hat das Ergebnis vieler Gespräche und Küchenversuche unter dem schlichten Titel "Ruths Kochbuch" veröffentlicht. Neben Rezepten für Gefilten Fisch und Matzeknödel enthält es aber auch die Geschichte des Kindes Ruth, das den Holocaust überlebt hat.

1935 geboren, wurde sie im Alter von sieben Jahren mit ihren Eltern in ein Zwangsarbeitslager verschleppt und zwei Jahre später nach Auschwitz deportiert. Der kleine Bruder Mirek wurde dort ermordet. Ruth wurde von ihren Eltern getrennt. Die Mutter wurde weiter nach Ravensbrück gebracht. Das kleine Mädchen überlebte, weil sich eine Aufseherin, ein Kapo, ihrer annahm. Kapos waren selbst Häftlinge, die ihre Mithäftlinge beaufsichtigen mussten. Die Tschechin zweigte für Ruth Essen ab und verbarg sie vor dem Lagerarzt Josef Mengele, dessen grausamen medizinischen Versuche viele Menschen töteten oder für immer verstümmelten.

Auch Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth hält eine Ansprache

Ruth Melcer wird am Sonntag, 27. Januar, im Dachauer Rathaus aus ihrem Leben berichten. Das hat sie in Dachau bisher erst einmal getan, im vergangenen Februar. Melcer ist vor der Veröffentlichung ihres Kochbuchs mit ihrer Geschichte nicht an die Öffentlichkeit gegangen und geht auch nicht für Zeitzeugengespräche an Schulen. Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, der am Sonntagabend von 19 Uhr an im Dachauer Rathaus begangen wird, ist daher eine der raren Gelegenheiten, die 83-Jährige zu erleben. Die Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth wird zuvor eine Ansprache halten.

Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz von der Roten Armee befreit. Seit 1997 gilt der Tag in Deutschland dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, seit 2005 auch international. Die Viktoria-von-Butler-Stiftung ehrt dieses Datum bereits am Freitag, 25. Januar. Nach einem Gottesdienst in der Schönbrunner Kirche Sankt Josef um 11.30 Uhr mit Kranzniederlegung am Mahnmal wird gegen 12.15 Uhr die Ausstellung "Schönbrunn als Teil des Projekts 70237" im Foyer des W5-Bürgerhauses eröffnet. Das Franziskuswerk erinnert an Euthanasieopfer. 207 Menschen, die in Schönbrunn lebten, wurden Opfer des NS-Euthanasieprogramms. Die Nazis entschieden damit über Menschen, deren Existenz ihnen "lebensunwert" erschien. Die Ausstellung zeigt sieben Quilts, die der Dachauer Verein artTextil e.V. als Beitrag zu dem "Project 70237" der Amerikanerin Jeanne Hewell-Chambers angefertigt hat. Insgesamt ermordeten die Nationalsozialisten 70 237 Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen.

© SZ vom 22.01.2019 / vgr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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