Springreiten:Annäherung für Olympia

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Letzter Reiter im Stechen, am Ende aber Erster: Christian Ahlmann aus Marl setzte sich beim Weltcupspringen in Leipzig auf Caribis Z durch. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Die Fehde der beiden Springreiter Christian Ahlmann und Daniel Deusser mit dem deutschen Verband entspannt sich.

Von Gabriele Pochhammer, Leipzig

Als Christian Ahlmann nach dem Sieg im Weltcupspringen von Leipzig auf Caribis Z gefeiert wurde, freute sich natürlich auch Bundestrainer Otto Becker. Aber man darf ihm unterstellen, dass sich innerlich auch etwas Unbehagen breitmachte. Deutlicher hätten ihm Ahlmann und Daniel Deusser, der mit Tobago Vierter wurde, nicht demonstrieren können, wie wichtig sie im vorolympischen Jahr für die Pläne des Bundestrainers sind. Deusser und Ahlmann, auf der Weltrangliste auf Platz sechs und 17, sind neben dem Ranglistendritten Marcus Ehning zurzeit die mit Abstand erfolgreichsten deutschen Springreiter. Das Bronzeteam der WM 2018 gibt es nicht mehr, Maurice Tebbel konnte nicht die Erwartungen erfüllen, das Pferd Catch me if you can von Laura Klaphake wurde verkauft, Weltmeisterin Simone Blum musste kürzlich an der Schulter operiert werden, auf ihre Rückkehr im Sommer mit Alice hofft nicht nur der Bundestrainer. Jede Verstärkung ist willkommen.

Es ist lange her, dass Ahlmann und Deusser für Deutschland ritten, 2016 halfen sie in Rio, Mannschaftsbronze zu gewinnen. "Wir brauchen die beiden einfach", sagt Becker, "sie sind eine sichere Bank und tolle Teamplayer." Aber seit 2017 weigern sie sich, die Athletenvereinbarung zu unterschreiben, die jeder Sportler gleich welcher Disziplin anerkennen muss, der zu Olympischen Spielen will. So sind die Regeln des Internationalen Komitees (IOC), des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und seines Mitgliedverbandes, der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN).

Der Anfang der Fehde zwischen dem Verband und zweien seiner Leistungsträger liegt zehn Jahre zurück. Jedes Mal ging es um Doping beziehungsweise verbotene Medikation, eine Unterscheidung, die es nur im Pferdesport gibt. Bei Ahlmanns Pferd Cöster wurde wie bei vier anderen Pferden der Spiele in Peking 2008, ausgetragen in Hongkong, Capsaicin gefunden. Die Salbe wird bei Muskelverletzungen angewendet, mit ihr können aber auch die Pferdebeine künstlich sensibilisiert werden, damit sie über dem Sprung höher angezogen werden. An welcher Stelle des Körpers die Salbe angewendet worden war, ließ sich nicht mehr feststellen. Der Weltreiterverband FEI verurteilte alle fünf Reiter wegen der minder schweren verbotenen Medikation zu vier Monaten Sperre. Das reichte dem deutschen Verband jedoch nicht, er zog, als einziger der fünf betroffenen nationalen Verbände gegen den FEI-Spruch zum Internationalen Sportgerichtshof CAS und erreichte, das Ahlmann nunmehr wegen Dopings acht Monate gesperrt und außerdem zwei Jahre aus dem Kader ausgeschlossen wurde.

Er wurde nicht nur härter bestraft als die vier Kollegen, er wurde auch anders als sie zum Dopingsünder abgestempelt. Das saß tief. "Das Wichtigste ist für mich, dass der Verband hinter seinen Sportlern steht", sagt Ahlmann. Der deutsche Verband hat sein Muskelspiel, das auch vor dem Hintergrund neu zu verhandelnder TV-Verträge gesehen werden muss, längst bereut. Mehrmals gab FN-Präsident Breido Graf zu Rantzau zu, dass dies der schwerste Fehler seiner Amtszeit gewesen sei. Heute würde der Fall Ahlmann anders ausgehen, die FN hat die Regeln geändert, akzeptiert FEI-Urteile und verzichtet auf ein zweites Verfahren vor dem nationalen Verbandsgericht. Auch der Fall Deussers läge nun anders. Auch er wurde nach einer vom US-Verband verhängten Sperre in Deutschland noch mal bestraft. Nach einem zehnjährigen Rechtsstreit vor öffentlichen Gerichten um Schadenersatz für entgangene Gewinngelder kam es 2017 zum Vergleich. Über die Summe, die die FN zahlen musste, wurde Stillschweigen vereinbart.

Trotz aller Differenzen hatten Ahlmann und Deusser bis 2017 die Vereinbarung unterschrieben. "Aber mit Bauchschmerzen", sagt Ahlmann. Warum das Bauchgrimmen plötzlich überhandnahm, kann Dennis Peiler, sportlicher Leiter der FN, nicht nachvollziehen. "Die Athletenvereinbarung ist im Prinzip gleich geblieben, wurde eher im Sinn der Reiter angepasst", sagt er. Tatsächlich drohen nicht sofort Sanktionen, wenn das Stallbuch, in das alle Medikamente eingetragen werden müssen, Lücken aufweist; erst wird verwarnt. Möglicherweise war es der Fall Julia Krajewski, der den beiden Reitern auf den Magen schlug. Die Vielseitigkeitsreiterin hatte nach ihrem Medikationsfall bei der EM in Strzgeom, der das deutsche Team Silber kostete, den von der FEI angebotenen "schnellen Weg" eingeschlagen: Akzeptieren einer Geldstrafe ohne Sperre und Verfahren. Die FN unterstützte sie, und bei den Springreitern drängte sich der Verdacht auf, hier werde wohl mit zweierlei Maß gemessen. In Leipzig signalisierten beide Gesprächsbereitschaft. "Wir reden darüber, das zeigt, dass Interesse auf beiden Seiten da ist," sagt Ahlmann.

© SZ vom 23.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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