Neue Asylzahlen:Lasst endlich Ruhe einkehren!

Jahrelang hat Seehofer für eine harte Obergrenze gekämpft. Zuletzt kamen noch weniger Asylbewerber, als der Innenminister zulassen wollte. Höchste Zeit, dass die Flüchtlingspolitik nicht mehr alles dominiert.

Kommentar von Stefan Braun, Berlin

Natürlich wird Horst Seehofer denken, dass das vor allem er geschafft hat. Selbstverständlich wird er glauben, dass dieses Ergebnis ohne den großen Streit im Jahr 2018 nicht möglich geworden wäre. Ja, für Seehofer wird es vor allem dieser Horst Seehofer gewesen sein, der die Flüchtlingszahlen unter Kontrolle gebracht hat.

Doch so eingängig das in seinen Ohren klingen dürfte - die Grundlagen für den kontinuierlichen Rückgang der Asylanträge sind vorher geschaffen worden. Anders als es seine Rhetorik des Jahres 2018 erscheinen ließ, hatte die Bundesregierung, hatten Union und SPD schon zuvor manches beschlossen, was zur Entspannung der Lage geführt hat. Was wäre es schön, wenn Politiker mal mit mehr Demut über ihre Arbeit sprechen würden.

Weniger als 180 000 Flüchtlinge sind im Jahr 2018 nach Deutschland gekommen. Das sind weniger, als die berühmte Obergrenze des Bundesinnenministers vorsah. Man kann das als Erfolg feiern im Hause des Bundesinnenministers. Aber man kann auch zu dem Schluss kommen, dass der fatale Streit zwischen Kanzlerin und Innenminister im vergangenen Sommer nachgerade absurd war. Ersteres wird Seehofer tun, Letzteres wird die große Mehrheit im Land denken. Schon während des Streits zeichnete sich ab, dass sich die Zahlen so entwickeln würden.

Der Blick zurück freilich ist nur von begrenztem Wert, wenn man einordnen möchte, was die neuen Zahlen bedeuten. Viel wichtiger als der Streit in Berlin ist die nach wie vor spürbare Spaltung in der Gesellschaft. Und dafür sind die Zahlen, die Seehofer und Hans-Eckhard Sommer, der neue Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, vorgelegt haben, besonders wichtig.

Politik und Gesellschaft können die Herausforderungen der Migration meistern

Sie legen die Basis dafür, dass das Gefühl sich ausbreitet, dass Politik und Gesellschaft eben doch in der Lage sind, die mit Migration verbundenen Herausforderungen zu meistern. Bei der Integration ist längst nicht alles geschafft; und noch kann kaum jemand sagen, wann die Verwaltungsgerichte ihre mehr als 300 000 Asylklagen abgearbeitet haben werden. Trotzdem ist eine Botschaft essenziell: Das Thema muss dieses Land nicht dauerhaft dominieren.

Sicher, die AfD wird weiter klagen und jammern und gegen Flüchtlinge polemisieren. Viel wichtiger aber ist es, ob die Politiker jenseits der AfD endlich zu einer neuen Rhetorik und einer neuen Schwerpunktsetzung bereit sind. Ohne Probleme zu ignorieren. Aber mit dem sicheren Gefühl, dass sie eben doch zu meistern sind. Sollte das den Parteien gelingen, wäre es eine sehr gute Nachricht zum Jahresbeginn 2019.

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