Microsofts Suchmaschine:Ausgebingt im Reich der Mitte

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Seit Mittwoch in China nur noch sehr eingeschränkt nutzbar: Microsofts Suchmaschine Bing. (Foto: AFP)
  • Seit Mittwoch war Microsofts Suchmaschine "Bing" in China nicht mehr zu erreichen.
  • Microsoft zensiert die eigenen Suchergebnisse ohnehin schon, um überhaupt in China operieren zu dürfen.
  • Mittlerweile steht aber auch die Theorie im Raum, dass es sich um einen technischen Fehler gehandelt haben könnte.

Von Lea Deuber

Die Suchmaschine Bing ist häufig Retter in der Not. Wenn ausländische Geschäftsleute vergessen, dass sie ohne technische Hilfe bei ihren Dienstreisen in China nicht auf Google zugreifen konnten, steuerten sie die Suchmaschine des amerikanischen Konkurrenten Microsoft an. Die ist zwar selten genauso treffsicher, aber wenigstens immer zugänglich. Auch für einige chinesische Nutzer ist Bing eine gute Alternative. Immerhin müssen sie dafür auf ihren Geräten keine kostenpflichtige VPN-Technologie installieren, die beim Umgehen der chinesischen Internetzensur hilft. Die Suchmaschine Bing bedeutet ein kleines bisschen Freiheit in Chinas zensiertem Netz.

Zwischenzeitlich schien es damit vorbei. Seit Mittwoch war der Dienst in China nicht mehr zugänglich, wie das Unternehmen bestätigte. Auch wenn einige Nutzer am Donnerstag noch sporadisch auf ihn zugreifen konnten, wirkte es, als sei das Ende des US-Dienstes in China gekommen. Landesweit erhielten Nutzer Fehlermeldungen, wenn sie versuchten, die Seite der Suchmaschine zu öffnen. Der staatliche Telekomkonzern China Unicom erklärte zunächst, eine entsprechende Anordnung der Regierung erhalten zu haben.

Bei Microsoft ist man sich wohl selbst nicht sicher, was passiert ist

Nun ist aber eine andere mögliche Erklärung im Umlauf: Das Netzwerk sollte gar nicht geblockt werden, sondern könnte durch einen technischen Fehler vom Netz gegangen sein, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Das ausbleibende Dementi durch Microsoft zeigte am Donnerstag, wie unsicher die Lage für ausländische Unternehmen inzwischen geworden ist. Man war sich bei Microsoft womöglich selbst nicht sicher, ob man möglicherweise die Regulatoren in Peking verärgert hatte. In den vergangenen Monaten hat die Regierung die Zensurvorschriften weiter verschärft. Peking möchte damit womöglich Kritik an der eigenen Politik im Netz verhindern. Beobachter wie die Nichtregierungsorganisation China Labor Bulletin aus Hongkong berichten über zunehmende Proteste von Arbeitern aufgrund der sich verschärfenden wirtschaftlichen Lage im Land.

Die Meldung, Bing könnte aus politischen Gründen gesperrt worden sein, kam für viele Beobachter überraschend. Denn Microsoft kommt den staatlichen Zensur-Forderungen nach. Während Google sich weigerte, seine Inhalte zu zensieren und 2010 das Land aus Protest verließ, unterdrückt Bing Suchergebnisse zu Themen, die der Regierung nicht gefallen, darunter etwa das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 sowie Suchanfragen zu Taiwan, Tibet und anderen chinesischen Tabus. Angeblich sollen Artikel der Staatspresse bevorzugt vor anderen Inhalten angezeigt werden. In China sind viele ausländische Internetdienste gesperrt, darunter Facebook, Instagram und Twitter. Seit 2017 gehört auch Whatsapp zu den verbotenen Diensten, fast zeitgleich wurde auch der Telefondienst von Microsoft Skype gesperrt.

Im vergangenen Jahr war bekannt geworden, dass Google in der Hoffnung auf ein Comeback in China unter dem Projektnamen "Dragonfly" an einer neuen Suchmaschine für das Land arbeitete. 100 Mitarbeiter sollen zeitweise an der Entwicklung beteiligt gewesen sein, wie Googles Chef Sundar Pichai bei einer Anhörung im US-Kongress im Dezember zugeben musste. Diese hätte ähnlich wie Bing ungewollte Suchergebnisse zensiert. Nach Bekanntwerden der Pläne musste das Unternehmen viel Kritik einstecken - auch aus dem eigenen Haus. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sprach von einer "alarmierenden Kapitulation" vor dem Regime. 1400 Mitarbeiter des Unternehmens aus dem Silicon Valley schrieben einen Protestbrief an die Google-Führung, darunter der leitende Wissenschaftler Jack Poulson, der den Konzern im September aus Protest sogar verließ.

Auch Microsofts Tochter Likedin China zensiert sich selbst

Neben seinem Suchmaschinen-Dienst betreibt Microsoft auch eine Forschungsabteilung in Peking. Die Microsoft Research Asia sollte laut Bloomberg demnächst auch ein eigenes Forschungszentrum für künstliche Intelligenz in Shanghai eröffnen. Zu Microsoft gehört auch das Job-Netzwerk Linkedin China, das ebenfalls Inhalte auf der Plattform zensiert.

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Anfang des Jahres hatte eine Beschwerde von Peter Humphrey für Aufregung gesorgt. Der britische Unternehmensberater, der aktuell in Großbritannien lebt, hatte von Linkedin im Dezember eine Mitteilung erhalten, das sein Profil in China nicht mehr zugänglich sei. Nachdem Medien sich nach dem Grund für die Sperre erkundigt hatten, gab das Unternehmen Humphreys persönliche Seite wieder für den chinesischen Dienst frei und erklärte, dass es sich lediglich um einen Fehler gehandelt habe. Humphrey hat im November vor der britischen Medienaufsicht eine Beschwerde gegen den chinesischen Staatssender CCTV und dessen internationalen Sender CGTN eingereicht, nachdem diese erzwungene Geständnisse von chinesischen Häftlingen in Großbritannien ausgestrahlt hatten. Darunter waren Aufnahmen von Humphrey selbst, der zwei Jahre in chinesischer Haft festgehalten wurde.

Auch andere amerikanische Tech-Konzerne in China wie Apple zensieren ihre Dienste aus Furcht, Zugang zu dem wichtigen Absatzmarkt zu verlieren. Smartphone-Hersteller Apple hat zuletzt zahlreiche VPN-Anbieter aus seinem chinesischen App-Store genommen, die es Menschen in China erleichterten, die Zensur zu umgehen.

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