Kreatives Potenzial:Ästhetik für den Alltag

Globe Theater für Coburg

Der Entwurf für das Globe Theater kommt von Studenten der Coburger Hochschule.

(Foto: Andreas Macht/dpa)

An der Coburger Hochschule für angewandte Wissenschaften lernen Studenten auch Produktdesign und Architektur

Das Leiden an der Hässlichkeit der Welt belächeln Spötter gern bei Künstlern. Aber es gibt Menschen, in denen der Anblick von plumpen Alltagsgegenständen oder Gebäuden Unwohlsein auslöst. Im Brauhaus in Coburg dürfte mancher dieses Gefühl kennen. Seit 20 Jahren ist in und neben dem "Herzoglichen Hofbrauhaus" die Fakultät für Design der Coburger Hochschule für angewandte Wissenschaften untergebracht. 950 junge Frauen und Männer lernen dort in Architektur, Produktdesign, Bauingenieurwesen sowie Innenarchitektur Ästhetik und deren Umsetzung ins praktische Leben. "Wir sehen uns nicht als Künstler", stellt Holger Falter klar. Design ist für den Dekan der Fakultät ein kreatives Handwerk, das erlernbar ist. Auch wenn sich der wirtschaftliche Nutzen nicht sofort erschließt. Jobperspektiven? Falter winkt ab, die gebe es in der Region zur Genüge. Design sei mehr als Entwerfen, es gehe um Funktionalität. "Verkaufen und vermarkten kann man Dinge nur mit Design."

Falter ist Bauingenieur, arbeitete in internationalen Büros und baute den Pekinger Flughafen mit auf, bevor er nach Coburg kam. Die Kommunikation zwischen Ingenieuren und Architekten laufe im Ausland besser als hierzulande, wo Eitelkeiten auch auf Baustellen oft üblich sind. Deshalb sollen die Studenten am Campus Design bei gemeinsamen Projekten Kommunikation und Zusammenarbeit lernen.

Mailand, London, Berlin, Coburg? Nicht automatisch würde man in dieser Reihe an Oberfranken und die alte Residenzstadt der Herzöge von Sachsen-Coburg und Gotha denken. Aber Baukunst und Design haben im Nordosten Bayerns Tradition. Die Gegend um Coburg gilt als Zentrum der Polstermöbelindustrie, im Kreis Wunsiedel wird traditionell Porzellan gefertigt, rund um Hof produziert man Stoffe. In Coburg gründete der Hofbaumeister Friedrich Streib vor 205 Jahren das Institut für Baugewerbsleute. Seitdem werden dort Baumeister und Ingenieure ausgebildet. Mit der Gründung der Fachhochschule 1971 kamen weitere Studiengänge dazu. Heute lernen und forschen 5500 Studenten in 20 Bachelor- und 17 Masterstudiengängen in Coburg.

Was macht es mit einer Stadt, wenn sich 950 Ästheten in ihr austoben? Studenten bespielten leer stehende Geschäfte mit Pop-up-Stores, die das Umfeld so attraktiv wirken ließen, dass Nachmieter gefunden wurden. Im früheren Schlachthof teilen Studenten ihr Wissen mit Tüftlern und Bastlern, die sich im "Creapolis" ausprobieren können. Die Coburger Designtage sind über die Stadt hinaus bekannt. Entstanden sind sie aus der Hochschule, mittlerweile organisiert ein Verein um den emeritierten Professor Auwi Stübbe das Event. Studenten präsentieren Firmen und Interessierten ihre Ideen bei den Designtagen und ihrer Jahresausstellung.

Nicht immer stoße die Kreativität der Studenten auf Gegenliebe im Rathaus, sagt Stübbe. Der Umgang mit einer Idee löste Verwunderung aus: Studenten entwarfen eine Ausweichspielstätte für das Landestheater. In Anlehnung an Shakespeare und Prinz Albert, dessen Name Londons berühmte Konzerthalle und das Museum mit der weltgrößten Kunst- und Designsammlung trägt, entwarfen sie ein Globe Theater. Der Plan landete in der Schublade. Erst eine ungewöhnliche Allianz aus den Linken und Brose-Chef Michael Stoschek brachte das Konzept durch den Stadtrat. Das Globe Theater kommt. Design-Dekan Falter ist stolz auf seine Studenten. Aber? "Die Proportionen sind anders als im Entwurf, viele Menschen werden es nicht sehen, aber dass wir es sehen, ist schlimm genug."

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