Vier Heimniederlagen ohne eigenes Tor und sieben Bundesligaspiele ohne Sieg hatten Hannovers erfolglosem Trainer André Breitenreiter nichts anhaben können, ehe seine 96er am Samstag mit 1:5 (0:1) beim Tabellenführer Borussia Dortmund verloren. "Als Endspiel nicht gerade fair", hatte der angezählte Übungsleiter die Partie beim Liga-Dominator BVB vorher genannt, und obwohl die Hannoveraner eine Stunde lange gut mithielten, gingen sie am Ende doch unter und vermieden nur durch ein spätes Tor von Marvin Bakalorz (86.) das dritte Spiel nacheinander ohne eigenen Treffer. Was dieser neuerliche Rückschlag für seine Zukunft als Hannovers Trainer bedeutet, vermochte Breitenreiter nicht zu beantworten. "Das werden wir in den nächsten Tagen sehen", spekulierte er, lobte seine Mannschaft aber überschwänglich und nannte sie vermutlich nicht ohne Hintergedanken "eine Einheit".
Während Breitenreiter der Dinge harrt, feiert der BVB seine Ausnahme-Saison. "Wer wird deutscher Meister?", fragten singend die Fans und gaben auch selbst singend die Antwort: "BVB Borussia!" Die Indizien werden von Spiel zu Spiel erdrückender. 48 Punkte nach 19 Spieltagen hatte die Borussia jedenfalls noch nie. Den stets sachlichen Trainer Lucien Favre konnte aber auch dieser Rekord nicht leichtfertig in die Euphorie treiben. "Das bedeutet mir nicht so viel", gestand er, "das ist doch nur Statistik."
Die ersten Großchancen hat das Team aus dem Tabellenkeller
Wenn der heimstarke BVB die wochenlang sieglosen Hannoveraner empfängt, ist fast klar, dass es ein Schießen auf die laufende Scheibe gibt. Bereits in den ersten zwei Minuten waren zwei brandgefährliche Abschlüsse zu notieren, überraschend war dabei nur, dass die Schützen Hendrik Weydandt bzw. Waldemar Anton hießen und dass hier beinahe Hannover in Führung gegangen wäre. Dortmund hielt sich zunächst höflich zurück. Auf der Werbebande erinnerte ein Sportstreamingdienst in riesigen Buchstaben an die bevorstehende Runde in der Champions League, und man hatte das Gefühl, die Dortmunder waren mit ihren Gedanken auch woanders.
Doch dann machten sie kurz Ernst, nur vier Minuten in der ersten Halbzeit, aber dieses kurze Zeitfenster genügte ihnen, um Marco Reus einmal übers Tor (20.) und einmal an den Pfosten (22.) sowie Achraf Hakimi zum 1:0 ins Gehäuse der Gäste schießen zu lassen (24.). Der linke Außenverteidiger des BVB, der sich im Aufbauspiele mehrere Fehlpässe leistete, war vor dem Tor ganz schön auffällig, insofern verwunderte nicht, dass ausgerechnet der von Real Madrid ausgeliehene Marokkaner für die knappe Pausenführung verantwortlich zeichnete.
Da hatte manch einer aber schon früher mehr erwartet. Im Medientrakt, wo die Berichterstatter das Ergebnis tippen dürfen, waren die Prognosen bis auf 7:0 ausgeufert. Weil auch die Erwartungen der Hannoveraner Verantwortlichen für dieses Gastspiel beim Tabellenführer limitiert gewesen waren, wurden dort vor allem Körpersprache und Taktikumsetzung bewertet, und in dieser Hinsicht hatten sich die 96er in der ersten Stunde des Spiels nicht allzu viele Vorwürfe zu machen.
Danach allerdings gleich mehrere binnen sieben Minuten.
Dortmunds Hakimi leistete sich auch in der zweiten Halbzeit ein paar hanebüchene Pässe, aber wie er in der 60. Minute den mit Ball am eigenen Strafraum vereinsamten Hannoveraner Miiko Albornoz attackierte, ihm den Ball wegspitzelte und Reus zum 2:0 bediente, das war aller Ehren wert. Reus verwertete angemessen mit dem Außenrist.
Nächste Woche geht es gegen Leipzig
Weil die Gäste nun vorübergehend den Mut verloren, durfte Jadon Sancho nur zwei Minuten später in ihrer Abwehr Slalom laufen und Mario Götze zum 3:0 bedienen. Nun lief die Partie, wie man sie aus tabellarischen Gesichtspunkten hatte erwarten dürfen, und Hannover steuerte auf sein 22. siegloses Bundesliga-Auswärtsspiel nacheinander zu. Das vierte Tor erzielte Raphael Guerreiro (67.), das fünfte Axel Witsel (90.).
"Wer nur das Ergebnis sieht, wird denken: Alles wie erwartet - aber ich würde es anders werten, denn eine Stunde lang haben wir ganz gut mitgehalten", sagte Hannovers Kevin Wimmer hinterher. Torwart Michael Essen schlug eine Lanze für Breitenreiter: "Für unsere Fehler kann der Trainer nichts, und die einfachen Fehler ziehen sich durch die Saison wie ein roter Faden." Ob dieser rote Faden nun durch eine Entlassung Breitenreiters durchtrennt wird, könnte sich bereits am Wochenende entscheiden. Der Trainer selbst will jedenfalls schnell Klarheit, möglichst vor dem Spiel gegen RB Leipzig: "Wir brauchen jetzt eine klare Ansage!"