Urbane Zukunft:So wird in München an der schlauen Stadt gearbeitet

Smart City München

Es gibt verschiedene Projekte auf dem Weg zur Smart City.

(Foto: Dennis Schmidt / Google)
  • Stadtplaner, Wissenschaftler und Techniker tüfteln an Lösungen, wie man mit moderner Technik die Energiewende schaffen und generell Ressourcen sparen kann.
  • In München geht es in vielen Pilotprojekten um Mobilität.
  • Eine Hoffnung steckt hinter fast allen Bemühungen: Die Lebensqualität der Menschen soll steigen.

Von Sabine Buchwald

Es gibt Dinge, die sind in München wirklich immer noch so wie vor 50 Jahren. Die Bierkrüge sind immer noch schlecht eingeschenkt und die Wiesen immer noch grün. Aber trotzdem ist klar: München verändert sich, und zwar rasant. Die Bevölkerung wächst, in der Stadt wird es immer enger, die Ressourcen sind knapp und die Umwelt belastet. Längst arbeiten die Stadtplaner an Konzepten, um dem gerecht zu werden - auch wenn sie mit dem Tempo, mit dem die Stadt anschwillt, kaum mithalten können. Ein Ansatz ist dabei die Entwicklung von Leitlinien, wie München zu einer "Smart City" werden kann.

"Smart" wie intelligent oder clever: Ein passender Name für ihren extrem kleinen Zweisitzer, fand schon vor einem Vierteljahrhundert die Autofirma Daimler. Heute steht der englische Begriff "Smart City" für Städte, die gezielt die Möglichkeiten digitaler Technologien in ihrer Entwicklungsplanung forcieren. Dabei stehen folgende Gedanken und Ziele im Vordergrund: den Verbrauch von knappen und teuren Ressourcen wie Energie und Wasser zu verringern, die Lebensqualität der Einwohner zu verbessern und als Zentrum einer Region attraktiv zu bleiben.

Konkrete Überlegungen gibt es dazu in München seit Jahren. Mehrere Einzelprojekte laufen bereits parallel. Sie haben Laborcharakter, das heißt, man will Erfahrungswerte sammeln. Im Fokus steht die Mobilität, etwa mit dem Ausbau der Elektrobusflotte, der Implementierung von Ladestationen für E-Autos und Pedelecs, virtuell gesteuerte Ausleihmöglichkeiten von Autos, Rädern und Transportbikes. Die Fernwärmeversorgung möglichst effizient mit neuester Technologie zu regeln, ist ein Beispiel für "smarte" Initiativen aus dem Bereich Energie. Die Bürger sollen ebenfalls eingebunden werden, um sie auf mögliche Veränderungen vorzubereiten.

In den vergangenen Jahren wurden mehrere Smart-City-Projekte Schritt für Schritt auf den Weg gebracht. Die Verantwortung dafür liegt meist beim städtischen Referat für Arbeit und Wirtschaft oder beim Planungsreferat. Dort arbeitet man mit städtischen Kollegen - etwa aus dem IT-Bereich - sowie externen Beratern zusammen und hält engen Kontakt mit den Münchner Universitäten, Forschungsinstituten, Wirtschaftsunternehmen und natürlich der MVG und den Stadtwerken.

Eines von drei zentralen Projekten ist das EU-geförderte "Civitas Eccentric", das Ende 2016 im Domagkpark startete, um neue Mobilitätskonzepte zu testen. Dazu gehört etwa eine App, mit der Tiefgaragenstellplätze reserviert werden können. Mit "City2Share" im dicht besiedelten Stadtteil Sendling will man mit verschiedenen Ausleih-Lösungen Verkehr und Emissionen verringern. Geld dafür fließt vom Bundesumweltministerium. Die Münchner Bundeswehr-Universität und das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) begleiten es wissenschaftlich. "Smarter Together" schließlich ist ein von der EU finanziertes auf fünf Jahre angelegtes Projekt zusammen mit den Städten Wien und Lyon. 6,8 Millionen Euro kommen dafür von Brüssel nach München. Zu den Modellstadtteilen gehört das Stadtrandviertel Neuaubing-Westkreuz, wo Ende der Sechziger- und Siebzigerjahre Wohnblocks mit acht und mehr Stockwerken entstanden; ebenso das benachbarte Neubaugebiet Freiham. Schwieriger als ein neues Quartier zu planen, ist es wohl, in etablierte Strukturen einzugreifen oder alteingesessene Bewohner zu überzeugen, Gewohnheiten zu ändern.

München ist eine Leuchtturm-Stadt der EU

"Carsharing wird am Gärtnerplatz sicher eher gelernt als am Westkreuz", sagt Bernhard Klassen, Projektleiter von "Smarter Together". Aber es gehe darum, die Bewohner dort am Stadtrand dafür zu interessieren und eventuell davon zu überzeugen, ganz auf ihr Auto oder den Zweitwagen zu verzichten. Ziel des Projekts ist auch, in die Jahre gekommene Wohnanlagen energetisch zu sanieren oder sogenannte intelligente Lichtmasten zu testen. Drei Jahre wurde aufgebaut. "Ab Februar beginnt nun die Phase der Auswertung, was gut gelaufen sei und was nicht", sagt Klassen.

München wurde von der EU zur Leuchtturm-Stadt ernannt, das heißt, die Landeshauptstadt ist für andere Beispiel für den Einsatz neuer Technologien. 40 solcher Städte gibt es europaweit, andere schauen als "Beobachter" dabei zu, wie diese ihr digitales Netzwerk enger knüpfen. Etwa um Strategien gegen Staus zu entwickeln oder E-Autos bereitzustellen. Der Carsharing-Anbieter Stattauto berichtet von einem guten Start im Sommer 2018: 3000 gefahrene Kilometer in zwei Monaten.

Smart City

In einer sogenannten Smart City, einer "intelligenten Stadt", werden digitale Technologien eingesetzt, um die Lebensqualität zu steigern. Wichtig dabei: Sie sollen nachhaltig den Verbrauch von Ressourcen verringern. Das betrifft generell die Infrastruktur einer Stadt, die Mobilität, den Bau und die Ausstattung von Gebäuden, die Sicherheit sowie den Dienstleistungssektor. Noch arbeiten Stadtverwaltungen, Firmen und Hochschulen an vielen Stellen an intelligenten Lösungen, die immer mehr miteinander vernetzt werden. Gelingen sie, werden sie die Wettbewerbsfähigkeit einer Stadt mit beeinflussen.

Auch Wissenschaftler beobachten, wie München seinem Veränderungsstreben Taten folgen lässt. Oliver Gassmann, Professor für Technologiemanagement an der Universität St. Gallen, hat mit Jonas Böhm und Maximilian Palmié Ende vergangenen Jahres ein Buch über die "Smart City" herausgebracht (Hanser). München ist ein umfangreiches Kapitel gewidmet, ebenso Wien und Lyon. Ein gemeinsames Merkmal dieser drei Städte ist, dass sie ihre Initiativen in bestehende städtische Strukturen einbetten müssen. Vor allem von München und Wien wird erwartet, dass die Bevölkerung in den kommenden 20 bis 30 Jahren weiter stark zunimmt. In der österreichischen Hauptstadt wohnen derzeit 1,8 Millionen Menschen. Ihr Großraum könnte wie die Region München zu einer Drei-Millionen-Metropole anwachsen. "Wir haben aus wissenschaftlichem Interesse das Smart-City-Buch gestartet", sagt Oliver Gassmann. "Mich interessiert, wie sich die Energiewende erreichen und gleichzeitig die Lebensqualität mit neuen Technologien erhöhen lässt." Den Wandel zur Smart City könne eine Stadt gar nicht alleine schaffen, weder finanziell noch organisatorisch, meint Gassmann. Es brauche Firmen, die investieren. Um Bedürfnisse zu klären, empfiehlt er, in den Diskurs mit der nächsten Generation zu gehen. Wo und wie wir wohnen und arbeiten wollen, müsse man mit den Bürgern diskutieren.

Was es kostet, eine intelligente Ladestation zu haben, könne man voraussagen. Aber ob intelligente Laternen genutzt werden, müsse man abwarten. "München zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die Smart-City-Transformation ohne große strategische Initiierungsphase begonnen wurde", schreibt Gassmann. Sein Fazit: "Dank der wirtschaftlichen Situation und der lokalen Expertise in wirtschaftlichen wie wissenschaftlichen Fragestellungen besitzt die Stadt eine gute Basis für Smart-City-Projekte." Weil die Stadtflächen "nahezu vollständig bebaut" seien, werden die Erkenntnisse aus Pilotprojekten wichtig sein, um bestehende Viertel smart zu gestalten. Im Gespräch betont er: "Ich denke, die Stadt hat eine gute Vision."

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