Brennstoffzellen:Warum die deutschen Autohersteller beim Wasserstoffantrieb zögern

Brennstoffzellen: E-Mobil der anderen Art: Der Hyundai Nexo kann 6,3 Kilogramm Wasserstoff als Druckgas tanken. Das reicht für mehr als 700 Kilometer Reichweite.

E-Mobil der anderen Art: Der Hyundai Nexo kann 6,3 Kilogramm Wasserstoff als Druckgas tanken. Das reicht für mehr als 700 Kilometer Reichweite.

(Foto: Hyundai)

Wasserstoff lässt sich wie Benzin transportieren und tanken. Doch bisher investieren hauptsächlich Hersteller aus Asien.

Von Joachim Becker

Wasserstoff hat die geringste Priorität in der Automobilindustrie. Von den 40 Milliarden Euro, die deutsche Hersteller in den nächsten drei Jahren in alternative Antriebe investieren, fließt nur ein minimaler Anteil in Brennstoffzellen. Das ist um so erstaunlicher, weil kein Batterieauto ohne lästige Ladestopps durch Deutschland fahren kann. Im Winter wird der Reichweitenbluff der heutigen Stromer besonders auffällig. Ein Jaguar i-Pace, der laut WLTP-Normzyklus 467 Kilometer weit kommen sollte, schafft bei frostigen Außentemperaturen nicht viel mehr als 300 Kilometer: Halb so viel wie der Hyundai Nexo. Das Brennstoffzellenfahrzeug spult unter gleichen Bedingungen mit einer Tankfüllung mindestens 600 Kilometer ab. Eine ideale Alternative für Dieselfahrer.

Daimler arbeitet zwar an einem neuen Baukastensystem für Brennstoffzellen. 2022 könnte der Elektro-Stadtbus eCitaro die neue, skalierbare Antriebsarchitektur zum ersten Mal einsetzen. Selbst nach 25 Jahren Forschung ist die Technik aber noch deutlich teurer als Batterieantriebe. Deshalb zögern die deutschen Hersteller - anders als Hyundai: Bis 2030 wollen die Koreaner 700 000 Brennstoffzellensysteme pro Jahr produzieren. "Wir sind zuversichtlich, dass Wasserstoff den Transportsektor verändern und zu einem weltweiten wirtschaftlichen Erfolg wird", sagt Euisun Chung, Vizepräsident der Hyundai Motor Group. Kein Wunder, dass Audi in einer Partnerschaft mit Hyundai den Anschluss sucht; BMW übernimmt Brennstoffzellen-Knowhow von Toyota.

Erst Wasserstoffspeicher in Nahverkehrszügen, dann in Autos

Wie geht es weiter mit Wasserstoff (H₂)? "Viele der entsprechenden Technologien existieren schon, sind aber noch nicht so weit entwickelt, um sie heute wirtschaftlich einsetzen zu können", sagt Prof. Peter Wasserscheid, der das Helmholtz-Institut für Erneuerbare Energien in Erlangen-Nürnberg leitet. Als zentrales Manko gilt, dass rund die Hälfte der eingesetzten Energie auf dem Weg von der Elektrolyse über die Wasserstoffspeicherung zurück zum Strom verloren geht. Auch die Infrastruktur ist ein Handicap für Brennstoffzellenautos: Zurzeit gibt es 55 H₂-Tankstellen in Deutschland, bis Ende 2019 sollen es 100 sein. Ein enormer Nachteil im Vergleich zu mehr als 10 000 Tankstellen für konventionellen Kraftstoff und unzähligen Steckdosen für Batteriestromer. Dieses Hindernis wollen Wasserscheid und sein Team aus dem Weg räumen.

"Wir haben eine kraftstoffähnliche Flüssigkeit entwickelt, um Wasserstoff mit der konventionellen Kraftstoff-Logistik speichern, lagern und transportieren zu können", sagt der Experte. Eine Idee, die der Forschertruppe gerade einen Platz unter den drei Besten beim Deutschen Zukunftspreis eingebracht hat. Der Trick sei, dass man eine bewährte Chemikalie als Speichermedium nimmt: "Seit den Sechzigerjahren sind industrielle Wärmeträgeröle im Einsatz. Sie sind billig und extrem hitzestabil. Im Unterschied zu heutigen Kraftstoffen stellen sie also kein Gefahrgut dar", erklärt Wasserscheid. Dabei kann die Trägerflüssigkeit ("Liquid Organic Hydrogen Carrier", kurz LOHC) pro Liter deutlich mehr Wasserstoff chemisch binden, als eine entsprechende Menge Druckgas bei 700 bar. Ideal für Fahrzeuge also. Tatsächlich hat BMW 2010 den Anstoß für das erste Forschungsprojekt gegeben. Damals, als die Münchner noch eine Testflotte mit Wasserstoffverbrennern betrieben.

Umweltfreundliche Alternative zu Dieselzügen

Haben die sperrigen und teuren Hochdrucktanks in Brennstoffzellenautos also bald ausgedient? "Heute können wir LOHC sehr günstig an die Tankstelle liefern, wo der gebundene Wasserstoff in Hochdruckgas transformiert und mit 700 bar in Fahrzeuge betankt wird", bleibt Wasserscheid realistisch, "aber der nächste Schritt ist natürlich, den Wasserstoff an Bord während der Fahrt aus der Trägerflüssigkeit heraus mit einer Brennstoffzelle direkt zu verstromen." Dann könnten 80 Liter LOHC genügend Energie für mehr als 500 emissionsfreie Kilometer liefern - bei drei Minuten Tankzeit. Erste Prototpyen in kleinen Leistungsklassen laufen im Labor bereits erfolgreich.

In der mobilen Praxis soll der LOHC-gebundene Wasserstoff zuerst auf der Schiene eingesetzt werden. Über 40 Prozent des deutschen Bahnnetzes ist noch nicht elektrifiziert, Züge mit Wasserstoff wären die umweltfreundlichste Alternative zu Diesel-Loks. "Für die Betankung der Züge mit Druckwasserstoff oder tiefkalt verflüssigtem Wasserstoff müsste an den Versorgungshöfen eine völlig neue Infrastruktur aufgebaut werden", erklärt Wasserscheid, "die werden wir mit der LOHC-Technologie nicht benötigen." Das Bayerische Wirtschaftsministerium hat daher Fördermittel in Höhe von 28 Millionen Euro bereitgestellt, um innerhalb von fünf Jahren einen emissionsfreien LOHC-Nahverkehrszug auf die Schiene zu bringen.

Die Forscher haben noch viel Arbeit vor sich

"Diese Form der Wasserstoffspeicherung ist grundsätzlich vielversprechend", bestätigt Klaas Kunze, der bei BMW die Wasserstoffprojekte und alternativen Tanksysteme leitet, "doch die Anwendung im PKW ist noch nicht zielführend." Im Fahrzeug müsse ein Reaktor mitgeführt werden, um das Gas freizusetzen. Der solle auch im dynamischen Fahrbetrieb funktionieren - ohne eine Pufferbatterie geht es also nicht. Zudem müsse der Wasserstoff von Rückständen der Trägerflüssigkeit gereinigt werden, weil die Brennstoffzellen empfindlich seien.

Die Forscher haben also noch viel Arbeit vor sich, andererseits werden die LOHC-Systeme samt Brennstoffzelle bereits als mobile (Not-)Stromaggregate eingesetzt. Im nächsten Schritt soll das Format eines Schiffscontainers deutlich kleiner werden. "Deshalb bewerben wir uns mit der LOHC-Technologie für die Förderung mehrerer Demonstrationsanlagen im Rheinischen Revier", so Wasserscheid: "Zusammen mit Projekten für leistungsfähigere Elektrolyseure und Brennstoffzellen können wir dort viele arbeitsplatz-relevante Ideen für eine zukünftige Wasserstoffwirtschaft vorantreiben."

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