Frischer Wind im Saxofon:Bereichernde Metamorphosen

Sonic.Art Quartett in Vaterstetten

Überzeugen mit Esprit und Humor: die vier Saxofonisten des Quartetts "Sonic-Art" beim Konzert im Festsaal des Vaterstettener Seniorenheims.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Sonic-Art-Quartett" begeistert beim Rathauskonzert Vaterstetten

Von Ulrich Pfaffenberger, Vaterstetten

Er war das schiere Vergnügen, dieser Auftritt des Saxofon-Quartetts Sonic-Art beim Rathauskonzert in Vaterstetten am Sonntag. So viele makellose Ansätze wie in diesen zwei Stunden erlebt man sonst in einem halben Jahr nicht, so feine Pianostellen, wie sie hier in einem fort geboten wurden, muss man in Bläserensembles oft lange suchen, und einen so gewandten Umgang mit transkribierten Arrangements von Stücken, die ursprünglich für andere Instrumente geschrieben sind, wünscht man sich öfter, als sie einem erfüllt werden. Kurzum: Schon alleine spieltechnisch war der Abend ein Erlebnis.

Dabei jedoch haben es Claudia Meures, Annegret Tully, Alexander Doroshkevich und Adrian Tully nicht belassen. Mit ihrer anregenden Auswahl von Werken amerikanischer Komponisten, zusammengestellt zum vorjährigen Bernstein-Jubiläum, griffen sie nicht nur nach Klängen, die dem Saxofon gleichsam von Geburt an nahe sind, sondern über ihren Evergreen-Status in der Regel direkt auf das Gefühlszentrum des Publikums wirken. George Gershwins "Suite after Porgy and Bess" zum Beispiel: Wessen Gemüt bei "Summertime" nicht schon von selbst in Schwingungen gerät, der konnte sich spätestens bei den dichten, glühend heißen Emotionen der Sonic-Art-Interpretation nicht mehr ins rationale Kammerstübchen zurückziehen. Die unendlichen Tiefen, die Annegret Tully ihrem Bariton entlockte, und über denen Claudia Meures mit dem Tenor und Adrian Tully mit dem Sopran die Luft flirren ließen - das vermag keine Erzählung, kein Bild, kein Film wiedergeben, was in diesen Minuten an Atmosphäre verdichtet war.

Auch die musikphilosophische Frage, welche Schwingungen einen Blues "blauer" machen, die einer Saite oder die einer Luftsäule, entschied das Quartett eindeutig zugunsten des Blasinstruments. Die für Saxofon arrangierten "Four Piano Blues" Aaron Coplands gewannen an Weichheit und an Prägnanz gleichermaßen, an Innigkeit und an lyrischer Kraft ebenso, weil der Chor der viererlei Stimmen ein so weites Spektrum an Klangschichten schuf, wozu kein Klavier der Welt im Stande ist. Gleiches Bild, anderes Ursprungsinstrument: Samuel Barbers wohl bekanntestes Werk, das "Adagio for Strings" aus seinem Streichquartett op. 11, dürften die wenigstens im Saal jemals in solcher Klangfülle erlebt haben, die sich wie ein warmer Mantel um einen legte, dessen Webmuster von Doroshkevich mit seinem Altsaxofon in einer Zartheit und Eleganz gewebt waren, dass sie den Wunsch nach einem Vergleich mit dem Original gar nicht erst aufkommen ließen.

Mit Bernsteins "Selection from West Side Story" vollendeten die Vier von Sonic-Art dann zum Ausklang ihren Anspruch auf Interpretationsfreiheit im Sinne des Wohlklangs - und stellten ihre Fähigkeit nachdrücklich unter Beweis, der menschlichen Stimme durch deren Metamorphose im Blasinstrument eine reizvolle Variante hinzuzufügen. Dass man ihrem "I feel pretty" genauso die Worte und Gefühle der jeweiligen Bühnenprotagonisten entnehmen konnte wie dem "Somewhere" oder dem "Tonight" der berühmten Balkonszene ist indes nicht nur einem makellosen Mimikri des Klangs zu verdanken, sondern vor allem dem Esprit und Humor - circensisch schon zuvor präsentiert bei Bernsteins "Slava!"-Ouvertüre. Eigenschaften, die alle Vier auszeichnen und sie offenkundig im Spiel eng verbinden.

"Schade, dass viele Komponisten das Saxofon noch nicht kannten oder sich für andere Instrumente entschieden haben", merkte Tully an, verbunden mit der Bitte des Ensembles, die Transformation der Originale in seine Klangwelt anzuerkennen und zu respektieren. Die Art und Weise, wie das Quartett zum Beispiel Gershwins "Three Preludes" interpretierte, darf man mit Fug und Recht als wegweisend für die Zeitlosigkeit des Stücks und seinen Platz im klassischen Kanon bezeichnen; sie macht auch Lust darauf, das Ensemble einmal in anderen Stilen und Epochen zu hören. Als Fazit ist festzuhalten, dass der sorgfältige, liebevolle und kunstgerechte Umgang dieses Quartetts mit den Vorgaben nicht nur ohne Einschränkung zulässig war. Sondern dass er manchem Opus eine Dimension geöffnet hat, die Aufführungsgeschichte wie Publikumserfahrung bereichert. Dafür gab es herzlichen, gefühlvollen Applaus schon zur Begrüßung nach der Pause, angereichert mit Bravorufen und anerkennender Intensität zum Schluss.

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