Freiwilligenarbeit im Urlaub:Touristen haben im Waisenhaus nichts zu suchen

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Waisenkinder in Luanda, Angola (Foto: AFP)

Urlauber besuchen arme Waisen: Dieses Geschäftsmodell boomt in afrikanischen und asiatischen Ländern. Den Kindern bringt es gar nichts.

Kommentar von Monika Maier-Albang

Sind ja so süße Fotos: die Kinder, die da in bunten Kleidern tanzen. Die kommen, um die Gäste zu umarmen, "Thank you!" sagen und sich dann so betont fröhlich fürs Selfie zu den Fremden setzen. So schön, so falsch. Das Lächeln der Kinder in Asien und Afrika, es ist oft teuer erkauft.

Seit Jahren boomt in armen und von Europäern, Australiern, Amerikanern gern besuchten Ländern ein Geschäftsmodell, das auf das große Spenderherz der Urlauber zielt: der Waisenhaus-Tourismus. Urlauber verbringen eine Stunde oder zwei mit den Kindern. Volunteers, freiwillige Helfer aus dem Ausland, bleiben dort auch ein paar Wochen. Die Kinder aber - das zeigen Recherchen von Kinderschutzorganisationen in Ländern wie Kambodscha, Uganda oder Nepal - sind meist gar keine Waisen. Sie haben einen, oft beide Elternteile. Nur haben die Eltern sie abgegeben, manche im Vertrauen auf das Versprechen der Waisenhausbetreiber, dass sie dort eine Schulbildung erhalten. Andere aus schierer Verzweiflung, weil sie nicht wissen, wie sie noch ein Kind durchfüttern sollen.

In Kambodscha hat eine vom Kinderhilfswerk Unicef und dem Sozialministerium des Landes durchgeführte Erhebung ergeben, dass sich die Zahl der Einrichtungen zwischen 2015 und 2017 nahezu verdoppelt hat. Viele Kambodschaner sind arm und der Willkür der Mächtigen ausgesetzt. Aber weder Krieg noch Krankheiten raffen derart viele Erwachsene dahin, dass sich der Anstieg so erklären ließe. Die Mehrzahl der Häuser liegt in der Hauptstadt Phnom Penh und in der Provinz Siem Reap - also genau dort, wo Touristen hinfahren, um den Königspalast und die Tempel von Angkor zu sehen. Die Nachfrage regelt also auch hier das Angebot.

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Oft geht es den Betreibern solcher Häuser nicht um das Wohl der Kinder, es geht um ihr eigenes. Denn die Touristen wie auch die Freiwilligen lassen wahlweise Geld da oder kaufen einen überteuerten Sack Reis. Und fahren heim mit dem Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Letztlich ist das ein Betrug an beiden: den Gästen und den Kindern, die zur Ware degradiert werden und denen es nicht guttut, ohne Bindung an eine Familie aufzuwachsen. Stattdessen kommen Fremde, die sie nach kurzer Zeit wieder verlassen. Oft landen die Kinder, wenn sie nicht mehr süß sind, auf der Straße, werden kriminell oder rutschen in die Prostitution ab. In vielen dieser Einrichtungen wird weder von den Helfern ein Führungszeugnis verlangt, noch gibt es staatliche Kontrollen. Im besten Fall sind ausländische Helfer überflüssig. Im schlimmsten Fall bietet das Kinderhaus Pädophilen freie Auswahl, eine besonders perfide Form von Sextourismus.

Natürlich gibt es auch gute Einrichtungen. Nur: Wer überprüft das vor einem Besuch, zwischen Elefantenreiten und Pool? Und wie? Und würde man zu Hause fremden Kindern mal eben über den Kopf streicheln? Viele Reiseveranstalter haben Touren zu Waisenhäusern mittlerweile aus dem Programm genommen. Gut so. Noch besser ist es, in armen Ländern so zu reisen, dass die Unter- und die Mittelschicht profitiert: im Homestay bei Einheimischen übernachten, in kleinen Restaurants essen, lokal gefertigte Souvenirs kaufen. Oder man unterstützt Organisationen, die Frauen zeigen, wie man webt oder am Computer fit wird. Damit sie ihre Kinder selbst großziehen können.

© SZ vom 31.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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