Siemens:Lächeln und weitermachen

Siemens: Eine Smiley-Karte sollte Siemens-Chef Joe Kaeser am Mittwoch daran erinnern, dass er bei der Pressekonferenz nicht vergisst, optimistisch dreinzuschauen. Viel Grund zum Lachen hat er derzeit nicht, beim geplanten Umbau des Konzerns läuft nicht alles wunschgemäß.

Eine Smiley-Karte sollte Siemens-Chef Joe Kaeser am Mittwoch daran erinnern, dass er bei der Pressekonferenz nicht vergisst, optimistisch dreinzuschauen. Viel Grund zum Lachen hat er derzeit nicht, beim geplanten Umbau des Konzerns läuft nicht alles wunschgemäß.

(Foto: Christof Stache/AFP)

Joe Kaeser ist in der Defensive: Es sieht so aus, als ob die EU seine Pläne für die große Zugfusion durchkreuzt. Zugleich steht Siemens vor dem wohl größten Umbau seiner Geschichte.

Von Thomas Fromm

Joe Kaeser, 61, hat mal wieder stressige Tage hinter sich. Zuerst die vielen Meetings beim Weltwirtschaftsforum im eisigen Davos, dann noch der Nervenkrieg um die geplante Fusion seiner Zugsparte mit der des französischen Alstom-Konzerns zu einem europäischen Champion. Am Mittwochmorgen nun sitzt der Siemens-Chef schon sehr früh in einer Pressekonferenz am Rande der Münchner Olympiahalle und gewährt Einblick: "Mein psychisches Innenleben ist sehr geordnet." Wenn ein Top-Manager so etwas sagt, dann ist vieles vorstellbar: Dass es dem Manager gerade richtig gut gehen muss. Oder aber auch, dass es ihm vielleicht nicht so gut geht, es tief in seinem Innern kocht und er nur mal so sagt, dass alles seine Ordnung hat. Daher sollte man noch wissen, dass Kaeser dabei eine gelbe Karte mit einem Smiley hochhält. Angeblich haben ihm seine Kollegen die Karte aufs Pult gelegt - als freundliche Erinnerung an diese Botschaft: Während der Pressekonferenz freundlich gucken, bitte!

Siemens und Alstom bereiten sich seit langem auf die Fusion vor

Als ob es in diesen Zeiten auf die Mimik des Joe Kaeser ankäme. Viel wichtiger ist, was er sagt und twittert. Am Mittwoch zum Beispiel, nur wenige Stunden vor Beginn der Siemens-Hauptversammlung in München, teilte er wieder kräftig aus. Bis zum 18. Februar will die EU-Kommission über die geplante Fusion der Zugsparten aus Deutschland und Frankreich entscheiden, und so wie die Dinge stehen, wird EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Sache nicht durchgehen lassen. ICE und TGV bleiben also getrennt. Grund: Die EU-Kommissarin fürchtet um den Wettbewerb in Europa. Siemens und Alstom aber bereiten sich seit Langem auf die Fusion vor; sie wollen sie vor allem, um sich in Europa gegen den chinesischen Zughersteller-Giganten CRRC zu wappnen. Kaeser sagt nun, es werde "interessant sein zu sehen, ob die Zukunft der Mobilität in Europa durch rückwärtsgerichtete Technokraten oder aber von zukunftsorientierten Europäern bestimmt wird". Das kann man als eine ziemlich direkte und heftige Attacke gegen Brüssel verstehen. Und möglicherweise ist es auch ein sicheres Zeichen dafür, dass die Sache in der Kommission durch und entschieden ist. Schon am Montag hatte der Siemens-Chef getwittert. Es müsse "bitter sein, wenn man technisch recht hat, aber für Europa doch alles falsch macht". So schreibt man vielleicht nicht unbedingt, wenn man gerade noch letzte Details verhandelt und eine Lösung in greifbarer Nähe ist.

Am Tag der Hauptversammlung sagt Kaeser, die Fusion sei "für alle Beteiligten gut, wenn sie gelingt". Man werde sie "aber nicht um jeden Preis suchen". Das klingt so, als hätte der Siemens-Chef jetzt allmählich abgeschlossen mit der Zugfusion.

"Wir sind sicherlich nicht wütend", sagt er noch. "Wir haben eine große Gelassenheit." Allerdings: Bei diesem "30 Jahre alten Wettbewerbsrecht" täten sich "industriepolitische Abgründe" auf. Joe Kaeser ist ein Meister darin, ein Thema erst mal kräftig hochzufahren, um es danach dann wieder herunterzudimmen.

Selten waren die Gefühle so gemischt wie am Anfang dieses Jahres

War was? Nein, da war nichts. Ob es einen neuen Anlauf gibt, um die EU-Kommission zu überzeugen, so wie er gerade in der Politik ventiliert wird? Eher "unwahrscheinlich", glaubt Siemens-Vorstand Roland Busch. Später dann tritt Kaeser vor sein Publikum, die Aktionäre begrüßt er mit "Liebe Siemens-Familie". Das ist nicht zufällig so gewählt, denn es gibt in diesem Konzern mit seinen 380 000 Mitarbeitern viele, die meinen, dass Kaeser aus dieser Familie nur noch einen losen Verbund von Lebensabschnittspartnerschaften machen will. Die strategischen Geschäftsbereiche Kraftwerke, Infrastrukturen und Digitalisierung und Automatisierung werden gerade auf drei Einheiten aufgeteilt. Gleichzeitig wurde das Medizintechnikgeschäft Healthineers an die Börse gebracht, das Windgeschäft mit dem spanischen Unternehmen Gamesa vereint, die Bahnsparte soll mit den Zügen von Alstom fusionieren. Das große Konglomerat, der Koloss Siemens wurde in der Vergangenheit immer wieder neu zugeschnitten, Teile wurden verkauft, andere dazu geholt. Der jetzige Umbau ist wohl der größte seit Langem. Vielleicht auch der folgenreichste. Denn was bleibt eines Tages übrig von Siemens außer einer Holding in München und einem losen Verbund von Geschäftseinheiten draußen in der Welt? "Wer zu sehr an der DNA von Siemens rüttelt, kann schnell zum Totengräber der Marke werden", sagt Winfried Mathes, Anlegervertreter bei Deka Investment.

Nun ist es nicht so, dass sich Siemens nur mal wieder neu erfindet. Es kommt alles zusammen, selten waren die Gefühle so gemischt wie am Anfang dieses Jahres. Wenn Kaeser eine Erkenntnis von seinen Runden in Davos mitgebracht hat, dann diese: "Die Wirtschaftswelt hat die Geopolitik entdeckt. Geopolitische Unsicherheiten nehmen natürlich Einfluss auf die Investitionsentscheidungen unserer Kunden." Das heißt: Möglich, dass ein Handelskrieg zwischen den USA und China, ein Chaos-Brexit und die vielen Konflikte in der Welt dazu führen, dass Kunden weniger Projekte in Auftrag geben. Geopolitik kann ziemlich geschäftsschädigend sein. "Das macht es uns nicht einfacher", sagt Kaeser. "Wir stellen uns in England darauf ein, dass wir viel lokale Fertigung haben." Der Brexit sei "nicht nur für Europa, sondern auch für Siemens eine ganz schlechte Idee". Dabei hat das Jahr schon eher durchwachsen begonnen. Die Auftragseingänge sind zwar noch stark, aber die Gewinne gingen zurück. Dazu die anhaltende Krise im Kraftwerksgeschäft. "Das konnten wir schon einmal besser", sagt Kaeser.

Am Ende seiner Rede wird Kaeser, der politischste aller deutschen Konzernchefs, der auch schon mal gegen die AfD und deren Fraktionsvorsitzende Alice Weidel austeilt, noch einmal sehr politisch. In Zeiten, in denen "die Politik Mauern statt Brücken baut", hätte Siemens eine "besondere Verantwortung". Zwei Kleinaktionäre wollten Kaeser wegen seiner politischen Einmischungen bei der Hauptversammlung die Entlastung verweigern. Ein Großteil der Aktionäre sieht das völlig anders. Siemens-Chef Kaeser sei ein "Bürger als Vorstand", wie es ein Aktionärsvertreter formuliert. Und der müsse sich einmischen.

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