Quartalszahlen:An der Grenze

Quartalszahlen: So begeistert sich dieser Kunde in China vom iPhone X auch zeigte, die iPhone-Verkäufe in dem wichtigen Markt gehen zurück.

So begeistert sich dieser Kunde in China vom iPhone X auch zeigte, die iPhone-Verkäufe in dem wichtigen Markt gehen zurück.

(Foto: STR/AFP)

Erstmals seit zehn Jahren sind bei Apple Umsatz und Gewinn im wichtigen Weihnachtsquartal gesunken. Das iPhone ist kein Selbstläufer mehr.

Von Malte Conradi, San Francisco

Man kann diese Krise von zwei Seiten betrachten. Die eine wäre: Apple hat in den letzten 90 Tagen des vergangenen Jahres 84 Milliarden Dollar eingenommen und nicht wie ursprünglich erwartet 93 Milliarden. Knapp 20 Milliarden davon blieben als Gewinn - das Mitleid dürfte sich in Grenzen halten.

Man kann die Sache aber auch anders ausdrücken: Erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt sind Apples Umsatz und Gewinn in einem Weihnachtsquartal gesunken. Apple, diese Erfolgsmaschine, die immer wieder mit neuen Rekorden bei Verkaufszahlen, Umsatz und vor allem Gewinn überraschte, wächst nicht mehr.

Bereits am 2. Januar hatte Apple-Chef Tim Cook die Beobachter auf diese Nachricht vorbereitet. Die Börsen reagierten schockiert, die Apple-Aktien stürzten ab. Nun bestätigte Cook im Silicon Valley die Zahlen. Und setzte noch einen drauf: Es wird vorerst nicht besser. Auch im laufenden Quartal wird Apple weniger umsetzen, nämlich 55 bis 59 Milliarden Dollar. Vor einem Jahr waren es noch 61 Milliarden.

Ein Analyst formuliert es so: Apple und sein iPhone stecken in einer Midlife-Crisis

Ja, das Unternehmen aus Cupertino verdient immer noch Unsummen. Aber es lässt sich nicht leugnen: Apple steckt in einer Krise. Und eine Krise bei Apple, das ist immer noch ein Krise des iPhones. Trotz aller Anstrengungen Cooks, neue Geschäftsfelder aufzutun, stammen von drei Dollar, die Apple einnimmt, immer noch zwei aus dem Verkauf der Smartphones. Beobachter hatten schon lange vor dieser Abhängigkeit von einem einzigen Produkt gewarnt.

Denn was zuletzt passierte, war absehbar: Zum einen ist der Markt weitgehend gesättigt. Wer sich ein Smartphone leisten kann, der besitzt schon eins. Zum anderen verfügen iPhones außer einer gewissen Coolness kaum noch über ein Alleinstellungsmerkmal. Koreanische oder chinesische Konkurrenten können technisch inzwischen das Gleiche.

Dazu werden die Entwicklungsschritte beim iPhone immer kleiner, die neuen Modelle unterscheiden sich nicht mehr grundlegend von ihren Vorgängern. Die Besitzer warten also länger, bevor sie sich ein neues Gerät kaufen. In besonderem Maße gilt das alles für China, dem nach den USA zweitwichtigsten Markt für Apple.

Der Analyst Steve Milunovich beschrieb es so: "Das iPhone ist erwachsen geworden." Und was passiert mit den Eltern, wenn die Kinder groß werden? Apple, so Milunovich, stecke in der Midlife-Crisis.

Wie gesagt, es war absehbar. Das einzig Überraschende an der ganzen Sache war, wie lange Apple diese Dynamik durch Preissteigerungen übertünchen konnte. Nur weil der durchschnittliche Preis für ein Apple-Smartphone immer weiter stieg, konnte Cook steigende Umsätze und Gewinne melden. Das letzte Jahr, in dem wirklich signifikant mehr iPhones verkauft wurden als im Jahr zuvor, war 2015.

Doch offenbar hat Apple die Sache übertrieben, als im vergangenen Herbst die neuen Modelle in die Läden kamen - mit teilweise vierstelligen Preisen. Umso mehr Kunden behielten lieber ihre alten Geräte oder wechselten zur Konkurrenz. Konkrete Zahlen zu den iPhone-Verkäufen bleibt das Unternehmen seit einiger Zeit schuldig. Wohl aus gutem Grund.

Man könnte nun sagen, Apple steckt in der iPhone-Falle. Denn selbst wenn das Unternehmen die Preise wieder etwas senkt, es müsste schon sehr viel mehr Geräte verkaufen, um wieder Wachstum bei Gewinn und Umsatz melden zu können.

Und so setzt Tim Cook seine Hoffnungen auch in etwas anderes. Er richtet sich offenbar auf eine Welt ein, in der die Kunden sich ein teures iPhone als Luxusgut zulegen, dieses dann aber länger behalten und dabei regelmäßig Geld an Apple zahlen: für den Austausch des Akkus etwa, für eine Smartphone-Versicherung, für Käufe im App-Store oder das Abonnement für Apples Internet-Musikdienst. "Service-Geschäft" ist dann auch das Zauberwort bei Cooks Auftritt am Dienstag, hier soll das Wachstum in Zukunft herkommen. Und so fällt eine Zahl immer wieder: 1,4 Milliarden. So viele aktive Apple-Geräte gibt es auf dem Globus und das bedeutet 1,4 Milliarden Mal die Chance, einen Service zu verkaufen.

Aber wird das reichen, um die Schwäche bei den iPhone-Verkäufen auszugleichen? Wahrscheinlich nicht. Und so ist er auch heute sofort wieder da, der Ruf nach einer "echten Innovation". Nein, nicht so etwas wie die Apple-Watch, diese smarte Armbanduhr, die weitgehend dafür verantwortlich ist, dass Apples Umsatz mit Wearables, also mit tragbarer Technik, um gut 30 Prozent im Jahr wächst. Nein, die Kritiker wollen etwas Größeres, am liebsten etwas, wie das Gerät, das Apple im Jahr 2007 vorstellte, das die Welt veränderte: Sie nannten es das iPhone.

Doch weil so eine Erfindung nicht alle paar Jahre glückt, schielen Investoren und Analysten immer begieriger auf diesen Schatz aus 130 Milliarden Dollar, den Apple in den guten Jahren mit seinen iPhone-Verkäufen angehäuft hat. Um die Hoffnung am Leben zu erhalten, versprach Tim Cook nun, es sei sein Ziel, diesen Betrag auf null zu senken. Aber was soll er bloß anstellen mit dieser Wahnsinnssumme, welches Unternehmen könnte er kaufen, um mal wieder für eine positive Überraschung zu sorgen?

Am Ende ist es wohl bezeichnend für die extrem hohen Erwartungen, dass bei den Namen, die zuletzt diskutiert wurden, keine rechte Begeisterung aufkommen mochte: Soll Apple Netflix kaufen, um sein Angebot an Inhalten zu stärken? Tesla kaufen, um endlich ein eigenes Auto auf die Straße zu bringen? Oder Nintendo, um Anschluss an den boomenden Spielemarkt zu erhalten? Alles nicht gut genug.

Es ist wohl der Fluch des Tim Cook, für immer am frühen Erfolg des iPhones gemessen zu werden.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: