Umweltskandal:Dunkle Materie aus Gelsenkirchen

Im Ruhrpott wurden Tausende Tonnen giftiger Ölpellets illegal entsorgt. Umweltschützer werfen den Staatsanwälten nun Strafvereitelung vor.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Die Raffinerie von BP in Gelsenkirchen ist ein Koloss der Ruhrindustrie. Wenn der Mutterkonzern von Aral hier Kraftstoffe herstellt, zum Beispiel Kerosin für den nahen Flughafen Düsseldorf, dann fallen täglich Tonnen von Ölpellets an, einem brennbaren Gemisch aus Ruß und Öl, das auch giftiges Schwermetall enthält. BP nennt das ein Nebenprodukt, Umweltschützer sprechen von Sondermüll. Jedenfalls verbrennt der Energiekonzern Uniper einen Teil dieser Rußpellets im nahen Kohlekraftwerk Scholven, das entsprechende Schadstofffilter eingebaut hat.

Doch als auch andere Abnehmer die dunkle Materie aus Gelsenkirchen möglichst günstig entsorgen sollten, verursachten die Pellets einen Umweltskandal. Vor ein paar Jahren landeten etwa 30 000 Tonnen Ölpellets illegal in einer Tongrube bei Schermbeck, einem Ort nördlich des Ruhrgebiets. Man sei damals betrogen worden, betont BP. Der Geschäftsführer der Abnehmerfirma wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Doch welche Verantwortung tragen in dem Skandal Beschäftigte von BP und den Aufsichtsbehörden? Haben die Ermittler sie möglicherweise verschont?

Der BP-Konzern wusste nicht, dass sein Kunde giftige Ölpellets in eine Tongrube kippte

Jedenfalls habe die Staatsanwaltschaft Bochum schon Ende 2013 von einer geheimen Arbeitsgruppe "Reduzierung Pelletskosten" bei BP gewusst, berichtete der WDR am Mittwoch. Ein Durchsuchungsbeschluss zeuge von Verdachtsmomenten gegen Beschäftigte von BP. Dennoch haben die Staatsanwälte damals zunächst kein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Kritiker werfen den Ermittlern nun Rechtsbeugung vor: Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm prüft derzeit, ob sich die Bochumer Staatsanwälte möglicherweise der Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht haben könnten. Das bestätigte ein Sprecher am Mittwoch. Entsprechende Strafanzeigen haben der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Ortsverband der Grünen in Schermbeck gestellt. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Bochum zwar intern geprüft, ob ihre Ermittler Beschäftigte von BP und den Genehmigungsbehörden verschont haben könnten, als sie den Pelletskandal untersuchten. Doch sei das interne Verfahren mangels Verdachtsmomenten eingestellt worden, sagt eine Sprecherin.

Erst im vergangenen Sommer - mithin Jahre nach dem Skandal von Schermbeck - hatte die Staatsanwaltschaft Bochum dann tatsächlich Ermittlungen gegen Beschäftigte von BP eingeleitet, nicht jedoch gegen Mitarbeiter der Aufsichtsbehörden. Die Ermittlungen laufen noch, hieß es in Bochum. Die Konzerne BP und Uniper betonen, dass die Behörden die Herstellung und Verstromung der Rußpellets durchgehend genehmigt hätten. "Alle vorgeschriebenen Grenzwerte werden streng kontrolliert und eingehalten", sagte eine Sprecherin von BP. Von der illegalen Deponierung in der Tongrube habe das Unternehmen "nachweislich" nicht gewusst.

Während die Ermittler dies aufarbeiten, haben die Unternehmen bereits das Ende der Pellets besiegelt: Uniper will bis 2022 ein neues Gaskraftwerk in Scholven errichten. Im Anschluss daran soll das derzeitige Kohlekraftwerk vom Netz gehen. Spätestens dann will auch BP keine Ölpellets mehr in Gelsenkirchen herstellen. Der Konzern will in den nächsten Jahren in neue Technologien in seiner Raffinerie im Ruhrgebiet investieren.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: