Energie:Was hinter der Pleite des Billigstromanbieters BEV steckt

Sonnenaufgang

Der Stromanbieter BEV warb mit günstigen Tarifen, doch die Kalkulation ging offenbar nicht auf.

(Foto: dpa)
  • Der Stromanbieter BEV ist pleite und hat die Stromlieferungen an seine 500 000 Kunden eingestellt.
  • Ob diese ihre bereits gezahlten Abschläge erstattet bekommen, ist unklar.
  • Verbraucherschützer warnen davor, bei der Wahl des Stromanbieters nur auf niedrige Preise und Lockangebote zu achten.

Von Jan Schmidbauer

Seriöser kann ein Name kaum klingen, zumindest wenn man dem Freistaat und seiner soliden Wirtschaftslage prinzipiell zugeneigt ist: Bayerische Energieversorgungsgesellschaft nennt sich der Stromanbieter, um den es hier geht, kurz: BEV. Das hört sich wirklich nicht nach einer Firma an, die nah am Abgrund wirtschaftet. Vielleicht war das, neben den scheinbar attraktiven Preisen, einer der Gründe, warum dieses Unternehmen bis zuletzt so viele Kunden unter Vertrag nehmen konnte.

Diese Kunden müssen nun um ihr Geld fürchten. Der Stromanbieter BEV ist pleite. Das Unternehmen mit Sitz in München, hinter dem eine schweizerische Firma namens Genie Holding AG steckt, hat beim Münchner Amtsgericht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt. Das teilte BEV auf einer eigens für das kommende Verfahren eingerichteten Webseite mit.

Es ist ein Fall, der böse Erinnerungen weckt. Erinnerungen an all die anderen Pleiten, die es in der Energiebranche in den vergangenen Monaten und Jahren gegeben hat. Zuletzt rutschten Anbieter wie Care Energy, E:veen oder DEG in die Insolvenz. Noch weitaus bekanntere Beispiele sind die Firmen Teldafax und Flexstrom. Auch sie warben einst mit extragünstigen Strompreisen sowie riesigen Bonuszahlungen und schlossen damit binnen kurzer Zeit Hunderttausende Verträge ab; bis sie schließlich in die Pleite rutschten.

Der Fall BEV hat eine ähnliche Größenordnung wie die Pleiten von Teldafax und Flexstrom, zumindest wenn man auf die Zahl der Betroffenen blickt. Mehr als 500 000 Kunden soll das Unternehmen zuletzt unter Vertrag gehabt haben.

Wer seine Ruhe haben will, sollte bei den vorderen Plätzen der Vergleichsportale kritisch sein

Für die Verbraucher könnte es diesmal dennoch glimpflicher ausgehen. Als Teldafax 2011 pleite ging, waren auf dem Markt noch andere Vertragsmodelle populär, sogenannte Vorkasse-Tarife. Wer statt monatlicher Abschläge eine große Summe im Voraus bezahlte, bekam häufig einen noch billigeren Strom- oder Gastarif. Nach der Insolvenz der Anbieter war dieses Geld in vielen Fällen allerdings futsch, häufig ging es um vierstellige Summen. Anbieter, Portale und vor allem die Verbraucher haben aus diesem Fall gelernt, Vorkasse-Tarife sind heute kaum noch verbreitet, auch im Fall BEV nicht.

Dennoch könnten einige der betroffenen Kunden auf dreistelligen Beträgen sitzen bleiben. So wurde vielen bei Vertragsabschluss ein hoher Bonus versprochen. Ob in der Insolvenzmasse genug dafür übrig bleibt, ist mindestens fraglich. Der vom Amtsgericht München bestellte Insolvenzverwalter Axel Bierbach war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Treffen könnte die BEV-Pleite außerdem Kunden, die in den vergangenen Monaten deutlich weniger Energie verbraucht haben, als ihre Abschlagszahlungen vorsahen. Kunden, denen eigentlich ein hohes Guthaben zustehen würde, könnten womöglich gar nichts oder nur wenig davon wiedersehen.

Niedrige Preise sollten nicht das einzige Argument sein

Die Lieferung von Strom und Gas hat BEV inzwischen eingestellt. Wer bislang dort unter Vertrag stand, rutscht nun automatisch in eine sogenannte Ersatzversorgung, die sich am Basistarif des Vor-Ort-Versorgers orientiert. Weil dieser meist sehr teuer ist, empfehlen Verbraucherschützer einen schnellen Wechsel.

Wobei auch hier Vorsicht geboten ist, wie die Pleite von BEV zeigt. "Die niedrigen Tarife haben ihren Preis", sagt Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Wer auf Vergleichsportalen nach günstigen Energietarifen sucht, könne zwar viel Geld sparen. Wer aber die allerbilligsten Tarife ins Auge fasst, müsse ein Insolvenzrisiko durchaus einplanen. Sieverding formuliert es so: "Wer seine Ruhe haben will, ist auf den ersten zehn Plätzen der Vergleichsportale meist nicht richtig aufgehoben."

Zwischen den Vergleichsportalen und den Stromanbietern ist in den vergangenen Jahren etwas gewachsen, das man als Hassliebe bezeichnen könnte. Anbieter wie BEV profitieren einerseits von den Portalen, weil sie darüber in kurzer Zeit sehr viele Kunden erreichen können. Andererseits gefährden die Portale auch das Geschäftsmodell der Billiganbieter. Keines dieser Unternehmen würde das wohl offen sagen, aber die meisten Discount-Stromanbieter setzen auf träge Kunden. Über die Portale bieten sie extrem niedrige Preise an, beispielsweise für zwölf Monate. Im ersten Jahr lässt sich also viel sparen.

Verbraucherschützer nennen das Angebot von Verivox "zynisch"

Wer allerdings vergisst, rechtzeitig zu kündigen, muss im zweiten Jahr meist einen viel höheren Preis bezahlen. Das Problem für die Billigheimer: Viele Kunden vergessen das Kündigen eben nicht mehr. "Das ist denen zum Verhängnis geworden", sagt Verbraucherschützer Udo Sieverding. Weitere Pleiten in den kommenden Wochen schließt er nicht aus. Die zuletzt gestiegenen Strompreise könnten Billiganbieter, hinter denen kein großer Konzern mit Geldreserven steckt, weiter unter Druck bringen.

Fraglich ist, inwieweit die jüngste Energie-Pleite absehbar war, beispielsweise für die Vergleichsportale, die mit BEV zusammengearbeitet haben. Die Pro-Sieben-Tochter Verivox führte BEV lange in ihren Rankings, schaltete sogar gemeinsame TV-Spots. Erst im Dezember entfernte Verivox den Anbieter vollständig aus seinem Portal, nachdem BEV-Kunden sich massenhaft über nicht ausgezahlte Boni und drastische Preiserhöhungen beschwert hatten. Zuvor habe es "keine Informationen" gegeben, dass sich das Unternehmen in Schwierigkeiten befinde, sagt Verivox-Geschäftsführungsmitglied Dagmar Ginzel.

Betroffenen Kunden wolle man helfen. Verivox kündigte an, bis zu 30 Euro für Rechtsberatung bei Verbraucherzentralen zu tragen. Ein Sprecher der baden-württembergischen Verbraucherzentrale bezeichnete das als "zynisch". Bei Verivox findet man solche Vorwürfe ungerecht. "Wenn wir nichts machen", sagt Ginzel, "würde man uns das genauso vorwerfen".

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