Behrouz Boochani:Er ist die zornige Stimme der Internierten in Australien

Abdul Aziz Muhamat, right, and Behrouz Boochani, a refugee from Iran, on Manus Island, Papua New Guinea.

Boochani hofft, dass die Aufmerksamkeit für ihn Australiens "barbarische Politik beenden" werde.

(Foto: ASHLEY GILBERTSON/The New York T)
  • Behrouz Boochani ist aus Iran geflohen, nachdem Sicherheitskräfte die Redaktion der kurdischen Zeitung Werya gestürmt hatten, die er gegründet hatte.
  • Er wollte nach Australien, aber die Einreise wurde ihm verwehrt. Nun sitzt der Journalist und Schriftsteller auf der Insel Manus fest und schreibt weiter. Auf dem Handy.
  • Dass ihm Australien nun aber zwei Literaturpreise verliehen hat, empfindet Boochani als "paradoxes Gefühl".

Von Jan Bielicki

An seinem 30. Geburtstag wähnt sich Behrouz Boochani fast am Ziel. "Jetzt bin ich nur Meter davon entfernt, meine lange, beschwerliche Reise abzuschließen", schreibt der Mann aus Ilam, einer Stadt in den Kurdengebieten Irans, "ich habe ein patschnasses Buch mit Gedichten in meiner Hand, ich habe meine Schuhe verloren, und meine Kleider sind voll von Tausenden Löchern." Es ist der 23. Juli 2013, das australische Kriegsschiff, das ihn und andere Bootsflüchtlinge aus dem Ozean gefischt hat, liegt vor der Weihnachtsinsel, einem winzigen Stück Australien 350 Kilometer südlich der indonesischen Hauptinsel Java. Boochani ist aus Iran geflohen, nachdem Sicherheitskräfte die Redaktion der kurdischen Zeitung Werya gestürmt hatten, die er gegründet hatte.

Am Donnerstagabend hat Boochani gleich zwei Literaturpreise des Bundesstaates Victoria gewonnen, darunter den höchstdotierten Australiens: zusammen umgerechnet 80 000 Euro für das beste Sachbuch und das beste Buch des Jahres überhaupt. Doch an der Zeremonie in Melbourne darf er nicht teilnehmen. Das liegt an der Asylpolitik des Landes, die er in "Kein Freund außer den Bergen" so eindringlich beschreibt.

Der Preisträger sitzt fest auf einer kleinen Insel, einst in deutschem, später australischem Kolonialbesitz und heute Teil des unabhängigen Staates Papua-Neuguinea. Ihr Name steht für den unbarmherzigen Umgang Australiens mit Bootsflüchtlingen: Manus. Vier Tage bevor Boochani australisches Territorium betrat, hatte der damalige Premier Kevin Rudd die neue Politik verkündet. Wer als Flüchtling mit dem Boot kam, wurde fortan in Lager im Pazifikzwergstaat Nauru oder auf Manus verfrachtet. Nur dort sollten Asylanträge bearbeitet werden und Flüchtlinge, falls sie anerkannt wurden, Schutz erhalten. Australien aber sollten sie nie mehr betreten dürfen.

Boochani gehörte zu den ersten, die im "Bearbeitungszentrum Manus" - er nennt es "Gefängnis Manus" - interniert wurden. Wie sich das anfühlt? "Ich bin ein Stück Fleisch, in ein unbekanntes Land geworfen; ein Gefängnis aus Schmutz und Hitze. Ich hause in einem Meer von Leuten mit Gesichtern befleckt und geformt von Zorn, Gesichtern vernarbt mit Feindseligkeit", heißt es in seinem Buch. Er wehrt sich, indem er schreibt - auf dem Handy, weil er Angst hat, dass die Aufseher Texte auf Papier beschlagnahmen. Für Australiens Öffentlichkeit wird er zum wichtigsten Zeugen des nach außen hermetisch geschlossenen Systems der Offshore-Internierung. Boochani twittert, schreibt Zeitungsartikel, nur mit seinem Handy, und mit Hilfe eines Landsmanns im fernen Holland produziert er sogar einen Dokumentarfilm. Sein Buch - eine Kombination aus Tatsachenbericht, Essay und Gedichten - entsteht aus Hunderten Whatsapp-Nachrichten, die er seinem Übersetzer Omid Tofighian schickt.

Er ist die zornige, bittere Stimme der Internierten. "Folter" nennt er, was ihnen angetan wird. Zwar wurden die Geflüchteten in offene Heime umquartiert, seit Papua-Neuguineas oberstes Gericht das Lager 2016 für illegal erklärte. Nun ist er als Flüchtling anerkannt, aber eben nur in Papua-Neuguinea, einem der ärmsten Länder der Welt, dessen Menschen unter extrem hoher Gewaltkriminalität leiden.

Er beschreibt brutal direkt, wie diese Perspektivlosigkeit viele der heute mehr als 500 Flüchtlinge auf Manus in Depressionen und oft in den Selbstmord treibt. Suizidversuche seien "an der Tagesordnung", haben Papua-Neuguineas Bischöfe soeben gewarnt. Zwar hatten die USA versprochen, Flüchtlinge aus Manus und Nauru aufzunehmen, 450 wurden schon ausgeflogen - aber Iraner wie Boochani dürfen unter Präsident Donald Trump nicht dabei sein. Für Boochani ist es "ein paradoxes Gefühl", nun von dem Land, das ihn einsperre, einen Preis zu erhalten, sagte er dem Guardian. Er hoffe, die Aufmerksamkeit werde Australiens "barbarische Politik beenden".

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