Brasilien:Flávio Bolsonaro und der Auftragskiller

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Im Vergleich zu seinen Brüdern galt Flávio Bolsonaro bislang als einer der nicht ganz so harten Rechtsextremen. (Foto: REUTERS)

Der Sohn des rechtsextremen brasilianischen Präsidenten hat wohl Kontakte zur organisierten Kriminalität. Seinem Vater dürfte es schwer fallen, sich zu distanzieren.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Der brasilianische Senator Flávio Bolsonaro wird von seinem Vater "Null Eins" genannt. Dieser Vater, Staatspräsident Jair Bolsonaro, hat seine vier Söhne nach Geburtsjahr durchnummeriert. Null Eins ist der Erstgeborene. Im Vergleich zu seinen Brüdern Null Zwei und Null Drei, die ebenfalls Politiker sind, galt Flávio Bolsonaro, 37, bislang als einer der nicht ganz so harten Rechtsextremen. Als Belege führten Beobachter an, dass man ihn auf den Gängen des Kongresses mitunter beim Plausch mit linken Politikern treffe und dass er in seinem Abgeordnetenbüro in Rio "sogar einen Homosexuellen" angestellt habe.

Die Frage, wer noch so alles in diesem Büro sein Geld verdient oder verdiente, ist nun Gegenstand einer Staatsaffäre. Null Eins wird nur einen Monat nach dem Regierungswechsel zum Problemkind für den neuen Präsidenten. Wie publik wurde, beschäftige Flávio Bolsonaro bis November 2018 die Mutter und die Ehefrau von Adriano da Nóbrega als Beraterinnen. Nóbrega gilt als einer der führenden Auftragskiller von Rio de Janeiro. Er steht im Verdacht, zu den Köpfen der Todesschwadron "Escritório do Crime" (Büro des Verbrechens) zu gehören. Die Staatsanwaltschaft von Rio erließ vergangene Woche einen Haftbefehl gegen Nóbrega, der seither flüchtig ist. Die Ermittler halten ihn für einen der Hauptverdächtigen des Mordes an Marielle Franco. Die lesbische, dunkelhäutige Stadträtin war im März vergangenen Jahres auf offener Straße in ihrem Auto erschossen worden. Der Fall löste national und international Entsetzen aus.

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Flávio Bolsonaro war offenbar weniger schockiert. Als einziger Abgeordneter des Landesparlaments von Rio stimmte er gegen die posthume Verleihung eines Ordens an Marielle Franco. Ihrem mutmaßlichen Mörder wiederum hatte er schon Jahre zuvor die Tiradentes-Medaille verliehen, die höchste Auszeichnung des Abgeordnetenhauses von Rio. Nóbrega war damals noch Militärpolizist der Spezialeinheit Bope. Dort wurde er 2014 entlassen - wegen nachweislicher Verbindungen in die Unterwelt.

Dass der Erstgeborene des Präsidenten Nóbregas Gattin und dessen Mutter beschäftigte, rückt ihn und damit die gesamte Bolsonaro-Sippe in die Nähe der organisierten Kriminalität. Paramilitärische Milizen wie das "Büro des Verbrechens" erpressen in vielen Favelas Schutzgelder, kontrollieren das illegale Glücksspiel, mitunter den Drogen- und vor allem den Waffenhandel. Sie gehören zu den Hauptverantwortlichen für die Gewalt in Brasiliens Armenvierteln. Jair Bolsonaro hatte die Wahl auch mit dem Versprechen gewonnen, diese Gewalt zu beenden, indem er die ganze Gesellschaft bewaffnet, um sich verteidigen zu können. Das steht jetzt angesichts der langjährigen Geschäftsbeziehungen zwischen den Familien Nóbrega und Bolsonaro in einem ganz anderen Licht da.

Flávio Bolsonaro ließ mitteilen, er habe die beiden Beraterinnen auf Bitte seines ehemaligen Fahrers Fabrício Queiroz eingestellt. Der wiederum ist ein Freund seines Vaters und steht im Zentrum eines weiteren Skandals rund um Präsidentensöhnchen Null Eins. Queiroz soll im Auftrag Flávios zahlreiche verdächtige Überweisungen durchgeführt haben, gegen beide ermittelt deshalb die Finanzaufsicht. Auch das ist sehr unangenehm für den Staatschef. Denn ein Großteil der Bolsonaro-Begeisterung im Land beruht auf seinem Image, gegen Korruption immun zu sein. Das bröckelt allmählich.

Zwar kann niemand dafür verantwortlich gemacht werden, was seine Verwandten so treiben. Im Fall der Bolsonaros gehört das Clan-Prinzip aber zum Konzept. Vor allem Flávio Bolsonaro trat im Wahlkampf wie ein Ersatz-Präsidentschaftskandidat auf, als der Vater im Krankenhaus lag. Deshalb fällt es dem Patriarchen Jair Bolsonaro jetzt auch schwer, sich glaubwürdig von seinem Sohn zu distanzieren.

© SZ vom 04.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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