Freiwillige Absicherung gescheitert:Versicherer sollten auch Elementarschäden tragen

A worker removes snow from the roof of a building in Davos

Wer die Schäden durch zu viel Schnee auf dem Dach nicht bezahlen möchte, muss eine zusätzliche Vesicherung abschließen.

(Foto: REUTERS)

Wenn zum Beispiel das Dach unter der Schneelast zusammenbricht, zahlt die Gebäudeversicherung nicht immer. Versicherer und Staat müssen handeln.

Kommentar von Herbert Fromme

Schlechte Nachrichten für viele Hausbesitzer: Wer sein Dach teuer reparieren muss, weil der Schneedruck in den vergangenen Wochen Schäden angerichtet hat, erhält möglicherweise keinen Cent von der Versicherung. Denn die Gesellschaften zahlen nur, wenn ihre Kunden eine Zusatzdeckung für Elementarschäden gekauft haben. Dasselbe gilt, wenn aus friedlichen Flüssen und Bächen plötzlich reißende Fluten werden.

Der Klimawandel führt zu mehr und heftigeren Wetterextremen; Schäden an Gebäuden, Autos und Infrastruktur nehmen zu. Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied: Wenn eine Lawine oder plötzlich auftretende Wassermassen ein Auto beschädigen, zahlt die Kaskoversicherung. Wenn ein Haus zerstört wird, zahlt die Gebäudeversicherung nur dann, wenn der Besitzer die zusätzliche Elementarschadendeckung gekauft hat.

Solche Feinheiten sind den Kunden immer schwerer zu vermitteln. Wer eine Versicherung abschließt, will sein Eigentum schützen. Das sollten die Gesellschaften sicherstellen. Bisher sind aber nur 41 Prozent der Gebäude gegen Elementarschäden versichert, im schneereichen Bayern gerade mal 32 Prozent.

Versicherer und Staat müssen handeln. Die Versicherer sollten die Wohngebäudepolicen erweitern. Bislang sind nur Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel enthalten. Schneedruckschäden, Lawinen, Hochwasser, Erdrutsche oder Erdbeben müssen gesondert versichert werden. Am besten wäre eine Absicherung der Gebäude gegen alle Gefahren, solange sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind. Das sind außergewöhnliche Ereignisse wie Kriegsschäden oder nukleare Verseuchung.

Der Staat sollte zumindest für schwere Risiken wie die Flut eine Pflichtversicherung einführen - verbunden mit schärferen Auflagen für das Bauen in Risikozonen. Weil die Last verteilt wird, sind die Kosten für Hausbesitzer überschaubar.

Die Debatte über die Pflichtversicherung ist nicht neu. Doch die schwarz-rote Koalition hatte sie 2015 abgelehnt. Diese Haltung erhielt 2017 Unterstützung: Eine für alle Bürger verpflichtende Pflichtversicherung sei verfassungswidrig, schrieb eine Arbeitsgruppe der Justizministerien aus Bund und Ländern. Denn nicht alle Hausbesitzer seien betroffen, aber alle würden zur Kasse gebeten.

Elementarschäden betreffen fast die Hälfte aller Hausbesitzer

Das Argument ist schwer nachzuvollziehen. Richtig: Schneedruck, Lawinen oder Überflutungen treffen nur einen Teil der Bundesbürger. Aber der immer häufiger auftretende Starkregen sorgt auch in Gebäuden, die kilometerweit von Flussufern entfernt stehen, für vollgelaufene Keller und andere schwere Schäden. Auch das Erdbebenrisiko betrifft große Regionen. Das Fazit: Elementarschäden bedrohen inzwischen fast alle Hausbesitzer in Land.

Schließlich: Sturmschäden sind in der Regel über die Standardpolicen versichert, werden also von allen Kunden bezahlt, obgleich es auch hier einige Gebäude gibt, die nie von einem Sturm getroffen werden. Und warum muss der Hausbesitzer am Rhein auch die Lawinendeckung mitkaufen, wenn er die Zusatzversicherung abschließt, und der Alpenbewohner die Flutversicherung? All das hat mit Gerechtigkeit wenig zu tun, wenn man es oberflächlich betrachtet.

Bislang sind die deutschen Versicherer strikt gegen die Pflicht, anders als ihre Kollegen in Österreich, die sie ausdrücklich fordern. Die deutschen Konzerne haben Sorge, dass ihnen die Politiker reinreden. Das könnte in der Tat passieren, ist allerdings in der verpflichtenden Kfz-Versicherung kein echtes Problem.

Und der Staat muss bei den Bauvorschriften anziehen

Außerdem argumentiert die Branche, dass bei einer Pflichtversicherung jeglicher Anreiz für Bauherren wegfiele, auf das Flutrisiko zu achten. Aber durch schärfere Bauvorschriften und durch Selbstbehalte könnten Staat und Versicherer das Problem in den Griff bekommen.

Bisher setzen viele Bürger darauf, dass der Staat bei Katastrophen schon helfen wird. Deshalb haben sich die Bundesländer abgesprochen, nach Flutkatastrophen keine großen Hilfsprogramme mehr zu starten. Dadurch wollen sie Hausbesitzer zwingen, die Zusatzversicherung abzuschließen. Man darf gespannt sein, wie lange diese Zusage hält, wenn große Schäden und bevorstehende Landtagswahlen zusammenfallen.

Autohalter müssen verpflichtend Policen kaufen, jeder ist verpflichtet, eine Kranken- und eine Pflegeversicherung abzuschließen. Auch für Pharmahersteller und andere Industriebetriebe gibt es Pflichtversicherungen. Die freiwillige Absicherung gegen Elementarschäden ist gescheitert. Politiker, Versicherer und Hausbesitzer müssen neu denken.

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