Garching:"Deutlich unter den Jahresgrenzwerten"

Anton Kastenmüller, Technischer Direktor des Garchinger Forschungsreaktors erklärt, warum dort schwach radioaktives Abwasser anfällt und wie man damit umgeht.

Von Alexandra Vettori, Garching

Seit Jahren leitet die Technische Universität München (TUM) in Garching schwach radioaktive Abwässer in die Isar. Jetzt soll die Genehmigung verlängert werden. Zuständige Behörde dafür ist das Landratsamt München. In den Anliegerkommunen isarabwärts aber regt sich teils heftiger Widerstand gegen eine Verlängerung. Man stößt sich daran, dass keiner genau weiß, was eingeleitet wird, wer kontrolliert und dass die Genehmigung für weitere 30 Jahre gelten soll. Nach Angaben des Landratsamts sind circa 1400 Einwendungen eingegangen, der größte Teil, so eine Sprecherin, waren Mustereinwendungen, wie etwa die Grünen sie angeboten haben. Wann der nichtöffentliche Erörterungstermin für alle Einwender ist, steht noch nicht fest. Im Interview mit der SZ erklärt der Technische Direktor des Garchinger Forschungsreaktors FRM II, Anton Kastenmüller, um was es geht.

Was machen Sie da am Campus, dass radioaktives Abwasser anfällt?

Anton Kastenmüller: Wissenschaftler untersuchen zum Beispiel gemeinsam mit der Firma Bosch den Befüllvorgang von Batterien für Elektro-Autos. Mit Neutronen werden auch Möglichkeiten zur Leistungssteigerung von stationären Batteriespeichern getestet. Hier helfen die Neutronen, die zerstörungsfrei in das Innere des Batteriegehäuses eindringen und Auskunft darüber geben, was beim Be- und Entladen der Akkus vor sich geht. Dann helfen Neutronen, neue Antibiotika zu entwickeln, indem sie aufklären, wie Bakterien gegen bestehende Antibiotika resistent werden. Außerdem werden mit Neutronen Krebsmedikamente entwickelt. So stellt eine Firma hier mit Hilfe der Neutronenbestrahlung das radioaktive Isotop Lutetium-177 her, das zur Bestrahlung von Prostatakrebs eingesetzt wird. Damit wird jährlich 2500 Patienten geholfen. Wir sind eine Forschungseinrichtung von mehreren Partnern, vor allem der TU München, aber auch der Kooperationspartner Forschungszentrum Jülich und Helmholtz-Zentrum Geesthacht. Gemeinsam bieten die rund 150 Wissenschaftler im Heinz-Maier-Leibnitz-Zentrum Neutronenmessungen für deutsche und internationale Forscher an. Das heißt, jeder kann einen Antrag auf Messzeit stellen und wird nach Begutachtung auf Wunsch von unseren Wissenschaftlern betreut. Diesen für die Wissenschaft kostenlosen Service nutzen rund 1000 Wissenschaftler im Jahr. Unsere Meldung zum Wasserrechtsantrag findet man unter www.frm2.tum.de. Wie gehen Sie mit den radioaktiven Abwässern um?

Forschungs-Neutronenquelle FRM-II der TU München in Garching, 2014

Das Reaktorbecken in der Reaktorhalle der Forschungs-Neutronenquelle im Garchinger Campus während der turnusmäßigen Wartungsarbeiten nach zehn Jahren Betrieb.

(Foto: Robert Haas)

Grundsätzlich werden alle Abwässer aus den Kontrollbereichen der Forschungs-Neutronenquelle FRM II und der Radiochemie München RCM als schwachradioaktiv behandelt, in großen Tanks gesammelt, beprobt und - wenn die Grenzwerte eingehalten werden - abgeleitet. Auch wenn sich ein Wissenschaftler im Kontrollbereich die Hände aus hygienischen Gründen wäscht, kommt das Wasser in den Sammelbehälter, obwohl es nicht notwendigerweise radioaktiv ist.

Um wie viele Liter im Jahr und welche Strahlenwerte handelt es sich?

In den vergangenen knapp 15 Betriebsjahren hat die Forschungs-Neutronenquelle pro Jahr durchschnittlich 250 Kubikmeter Wasser abgeleitet. Das entspricht etwa 2500 Badewannen, bei einem angenommenen Vollbad mit 100 Litern. Bei der Radiochemie betrug die durchschnittliche Jahresableitung der letzten zehn Jahre nur 130 Kubikmeter. Das Wasser wird chargenweise und nach Beprobung abgeleitet. Dabei verhindern technische und administrative Maßnahmen eine Grenzwertüberschreitung. Ein Liter darf maximal eine Aktivität von 4000 Becquerel, bei der RCM 370 Becquerel, aufweisen. Im Vergleich dazu hat ein im Baumarkt erhältliches Kilogramm Kunstdünger 6300 Becquerel. In den vergangenen 20 Jahren sind wir immer deutlich unter den maximal genehmigten Jahresgrenzwerten geblieben. Wir schöpfen diese nur im einstelligen Prozentbereich aus.

Dr. Anton Kastenmüller

Der Physiker Anton Kastenmüller ist seit April 2010 technischer Leiter des Forschungsreaktors FRM II in Garching. Schon zuvor war er mit der Reaktorweiterentwicklung befasst.

(Foto: Wenzel Schuermann/TU München)

Die Grünen im Landtag haben kritisiert, dass eine Auflistung der Nuklidgeschichte in Ihrem Antrag fehlt.

Von den etwa 80 natürlichen und über 3000 künstlich erzeugbaren Radionukliden, wie sie in der Karlsruher Nuklidkarte zusammengestellt sind, dürfen bei FRM II und RCM ein Bruchteil gehandhabt werden. Diese 200 Radionuklide werden entsprechend der radiologischen Relevanz, der Strahlengefährdung in Gruppen von Radionukliden, sogenannten Nuklid-Vektoren, zusammengefasst. Diese ausgewählten Radionuklide der Nuklid-Vektoren decken hinsichtlich ihrer radiologischen Bedeutung die nicht aufgeführten Radionuklide mit ab. Dadurch wird eine konservative Bewertung erreicht. Die Nuklid-Vektoren sind im Antrag aufgelistet. Es gibt ein externes, unabhängiges Gutachten als Anlage, das das Risiko für eine Referenzperson an der Einleitstelle und eine potenzielle Jahresdosis berechnet. Dieser Person wird unterstellt, dass sie sich 1000 Stunden im Jahr an der Einleitstelle aufhält und dort Gemüse anbaut. Die Dosis berücksichtigt auch die Vorbelastung der Isar durch Kläranlagen. Der Beitrag der Abwässer von FRM II und Radiochemie zur maximalen, berechneten Jahresdosis für diese Referenzperson beträgt bei vollständiger Ausschöpfung der genehmigten Jahresgrenzwerte maximal 3,9 Prozent. Die Jahresdosis, die auf Abwässer der Forschungs-Neutronenquelle und der Radiochemie direkt an der Einleitstelle zurückgehen, beträgt für einen Säugling ungefähr so viel wie beim Hinflug von Frankfurt nach Las Palmas auf Mallorca oder etwas mehr als beim zweimaligen Röntgen von Zähnen.

Wie wird das Abwasser vor dem Einleiten in die Isar aufbereitet?

Wir sammeln die Abwässer aus den Kontrollbereichen und behandeln sie mit üblichen Verfahren - Fällung, Filterung, Sauerstoff-Behandlung. In seltenen Fällen wird auch der pH-Wert justiert. Dann werden die vorgeschriebenen Ableitparameter überprüft. Bei Einhaltung aller Grenzwerte können die Abwässer abgeleitet werden.

Wenn die Genehmigung der Einleitung für 30 Jahre erteilt wird, ändert sich dann auch solange nichts?

Menge und Zusammensetzung der Abwässer sind nach 15 Jahren Betriebserfahrung bekannt. Im Rahmen der technischen Möglichkeiten wird auch zukünftig versucht, die beantragten Werte zu einem möglichst geringen Teil auszuschöpfen. Auch die Abwässer, die bei einem eventuellen Rückbau des FRM II innerhalb der nächsten 30 Jahre anfallen könnten, sind bereits im Antrag mit berücksichtigt.

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