Restaurant Tian:Glückseligkeit ganz ohne Fleisch

Restaurant Tian: Seit April steht Christian Schagerl im Tian am Herd - und überzeugt.

Seit April steht Christian Schagerl im Tian am Herd - und überzeugt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Seit Christian Schagerl Küchenchef im ohnehin schon besten fleischlosen Restaurant der Stadt wurde, ist das Menü noch feiner und das Aromenspiel austarierter geworden.

Von Tankred Tunke

Nach einem Mittagsmenü im "Tian" kann einen schon mal die naive Glückseligkeit überfallen. Da sitzen wir also beim Espresso mit Blick auf den Viktualienmarkt vor den zart gepuderten Türmen von St. Peter, Spielzeugmuseum und Heiliggeistkirche, und der nette Service hat gerade einen letzten Gruß aus der Küche gebracht, ein aromatisches Mandarinenküchlein mit Erdnusscreme und Quinoa-Knusper. Da stellt sich dann die Art von Wohlgefühl ein, die Raum lässt für blauäugige Ideen: Wie wäre es, wenn Vegetarier, Veganer und Klimaschützer im Kampf für weniger Fleischgenuss die Strategie änderten? Wenn all die Zeit, die man für ideologische Debatten aufwendet, investiert würde in das Ziel, so kochen zu lernen, wie man im Tian kocht? Sie könnten verführen statt zu überreden!

Das Tian dürfte vielen Münchnern längst als bestes fleischloses Restaurant der Stadt geläufig sein. In der Kostprobe wurde es schon vor knapp vier Jahren hervorragend bewertet. Wenn wir es nun erneut besucht haben, dann deshalb, weil sich seitdem in der Küche viel getan hat. Seit April steht Christian Schagerl am Herd. Das Menü ist seitdem noch feiner und handwerklich exakter geworden, das Aromenspiel austarierter. Zwar haben seit 2015 leider auch die Preise empfindlich angezogen, das Vier-Gang-Menü "Es lebe das Leben" kostet nun einschüchternde 89 Euro (sechs Gänge 109 Euro), doch der Aufwand, der hier betrieben wird, das sieht man jedem Teller an, ist auch beträchtlich.

Allein die Soßen! Ein getrüffelter Fond hier wird dreimal angesetzt, zweimal mit Röstkarotten, dann mit Shiitakepilzen, und erlangt solche geschmackliche Tiefe, dass sich Gäste bei Tisch mit dem köstlichem Sauerteigbrot bewaffnen und sich um die letzten Schlieren am Tellerboden streiten. Die fleischlose Küche bräuchte mehr solche Role-Model-Restaurants; schon um zu zeigen, wie viel Hoffnung es jenseits von Seitanschnitzel-Armseligkeit und Brokkoli-Lasagne gibt. Was sich aus Gemüse herausholen lässt, ist ja leider bis heute kaum bekannt. Es ist bezeichnend, dass Schagerl, wie schon sein Vorgänger, sich nicht als vegetarischer Koch versteht. Er hat zuvor mit Fleisch gearbeitet, jetzt kocht er eben gerade fleischlos, von Hauptkomponentenküche hält er eh nichts, und beim Kochen geht es ihm nur um den Geschmack. Ende der Durchsage. Schagerls Credo ist eines zum Mitschreiben.

Auch zwischen vegetarisch und vegan unterscheidet die Karte im Tian nur noch versteckt. Im Mittagsmenü (empfehlenswert, weil die Auswahl mittags größer ist, ab 37 Euro für drei Gänge) gibt es stets drei vegane Gerichte, allerdings sind alle vegetarischen Teller auch als vegane Variante zu haben, Eigelb zum Beispiel wird dann durch Sojacreme mit Räuchersalz ersetzt.

Bemerkenswert am Menü hier ist, wie spielerisch es Leichtigkeit mit Tiefe verbindet. Ein schlichtes Urkarotten-Tatar, der erste Gruß aus der Küche, wird durch die feine Säure eines Spitzkohlsalats flankiert, sein zarter Biss kontrastiert mit getrockneten Karottenstreuseln. Ein angenehmer, weil komplex säuerlicher Magenöffner ist der erste Gang, mariniertes Topinambur-Tatar mit Kresse, Süßweingel und Schwarzwurzelchips zu Schwarzwurzelsüppchen mit Topinambur-Einlage, ein etwas verkopfter, aber trotzdem interessanter Gegensatz. Hocharomatisch waldig dann die Consommé mit Buchenpilzen und Pinienkernen, in deren Mitte eine appetitliche Mini-Brioche thront, wobei im zart ausgebackenen, süßlichen Teig eine Waldpilzfüllung lagert - eine herrliche Kombination.

Zu unseren Lieblingstellern zählte das harmonische wie abwechslungsreiche Dreierlei vom Grünkohl (blanchiert, frittiert und als Mus mit Mandelmilch, Zwiebeln und Sherry) zu in Öl gegartem Eigelb, Haselnussschaum und Nusscrunch. Und bei den Hauptgängen waren wir überrascht, wie viel Spannung sich dem vielfach bemühten Sellerieschnitzel noch abringen lässt, wenn es im Salzteig gegart und dann gebraten wird. Zart und kross zugleich, war der Sellerie gerade so intensiv erdig, dass die Périgord-Trüffel-Späne darauf ihm standhielten, dazu die Schärfe von Brunnenkresse und der besagte süchtig machende Karotten-Pilz-Fond.

Die mit schwarzem Bohnenmus gefüllten Fagottini, serviert mit Rosenkohlblättern und -sud, Bohnen und geriebenen Maroni, fielen gegen die Vorgängerteller ab, auch wegen ihrer etwas mantschigen Textur, aber das sind schon Luxusprobleme. Einen Durchhänger gab es bei keinem unserer Besuche. Und die filigran abgestimmten Desserts machen glücklich. Die Mandelmilch-Nuss-Panacotta badete in subtilem Champagnersud, dazu geröstete Mandeln, zart bitterer Grapefruitsalat und Champagnersorbet. Und die Schokoladen-Rote-Bete-Variation (Savarin, Chips, Soße) mit Himbeeren war ein Genuss.

Der Service im Tian schwankte indes. An einem Tag makellos, freundlich und auf unaufdringliche Art informiert. Am anderen etwas indifferent und mit seltsamen Fehlern bei der Beschreibung der Gerichte. Dafür macht die Weinbegleitung (ab 39 Euro), die früher nicht zu den Stärken des Hauses zählte, inzwischen Freude. Der nette Sommelier hier dürfte gern großzügiger ausschenken. Doch seine Empfehlungen waren gut. Er überzeugte uns sogar von einem auf der Maische vergorenen Chardonnay Bambule 2014 (von Judith Beck im Burgenland). Ein sperriger Wein mit medizinischer Eröffnung, der mit jedem Schluck interessanter wurde.

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