Kunstverein Ebersberg:"Wo bitte geht's nach Arkadien?"

Kunstverein Ebersberg: Uhr auf Semmel in Hantel: Anton Terziev widmet sich in "Dieses Jahr wird anders sein" der Selbstoptimierung.

Uhr auf Semmel in Hantel: Anton Terziev widmet sich in "Dieses Jahr wird anders sein" der Selbstoptimierung.

(Foto: Christian Endt)

Die Jahresausstellung des Ebersberger Kunstvereins irritiert, stellt ironische Fragen an die Gegenwart und regt zum Nachdenken an. Besucher können selbst aktiv werden.

Von Anja Blum, Ebersberg

Ping, Pong, Ping, Pong. Dieses Geräusch wird in der Alten Brennerei wohl kaum zu hören sein - obwohl dort eine veritable Tischtennisplatte steht. Der Grund sind die Schläger, genauer gesagt, ihre Beschaffenheit: Einer ist viel zu klein, der andere überdimensional groß, der nächste aus schlaffem Gummi, wieder ein anderer aus Porzellan. Zu Spielen eignen sie sich also kaum. Und so kann diese "Partizipative Installation" von Dennis Fuchs als witzige Metapher für die menschliche Kommunikation verstanden werden: Sie gelingt nur, wenn uns das richtige Werkzeug dafür zur Verfügung steht. Andernfalls drohen Missverständnisse, Sprachlosigkeit - oder eben viel Spaß beim etwas anderen Tischtennis.

Zeitgenössische Kunst, die mehr ist als ein schöner Wandschmuck, die Probleme benennt, Fragen stellt, irritiert, aufmerksam macht: Das möchte die Jahresausstellung des Ebersberger Kunstvereins, die am Freitag, 8. Februar, eröffnet wird, bieten. Zum allerersten Mal steht sie unter einem Motto, es lautet: "Wo bitte, geht's nach Arkadien?"

Der Topos Arkadien zieht sich durch die ganze europäische Kulturgeschichte: Von Antike über Renaissance und Barock wurde die griechische Landschaft zum Symbol für das Goldene Zeitalter, in dem die Menschen als glückliche Hirten lebten und sich im Einklang mit der Natur ganz der Muße, der Liebe, Dichtung und Musik hingaben.

Für den Initiator der Jahresausstellung Peter Kees, Aktionskünstler aus Steinhöring, ist die Idee von Arkadien ein "Fixstern", ein Ideal, an dem man die Realität immer wieder messen könne und müsse. "Damit wir herausfinden, wie man sie ein bisschen besser gestalten kann." Insofern wollte Kees die Ebersberger Schau in eine Plattform für eine kritische Betrachtung der Gegenwart verwandeln - und das ist ihm durchaus gelungen. Obendrein gibt es ein vielfältiges Rahmenprogramm mit unterschiedlichsten Akteuren.

Tischtennisfan Dennis Fuchs ist also einer von 36 Künstlern, deren Werke es in die Ebersberger Jahresausstellung geschafft haben. Mehr als 300 Kreative aus ganz Europa hatten sich dem Urteil der Jury gestellt. Kreiert hat diese letztendlich eine Ausstellung, die zwar zum Nachdenken anregt, aber auch viel Humor beweist und sich "anfassen" lässt.

Die Kunst reicht hier einladend hinaus in den öffentlichen Raum, sorgt mit diversen Medien für reichlich Abwechslung und bietet zudem einige Gelegenheiten zur Interaktion. Man kann hier nicht nur Tischtennis spielen, sondern auch in Zelte schlüpfen, sich in ein virtuelles Flugzeug setzen, Kleider für eine Stoffinstallation von Gisela Heide spenden, mit dem Botschafter von Užupis bei der Einbürgerung einen Schnaps auf ein neues soziales Miteinander trinken oder per Baukastensystem von Alexander Lorenz an einer zweidimensionalen Holzskulptur mitwirken.

Die Themen der Ausstellung sind - dem anspruchsvollen Motto entsprechend - vielfältig. Einige Arbeiten setzen sich auf ironische Weise mit der Ökonomie auseinander, Kuesti Fraun etwa füttert in seinem Video von der Parkbank aus Vögel - mit Münzen. Frenzy Höhne lässt in der Soundinstallation "Zusammen wachsen" einen Tenor Textfragmente eines Bankinstituts singen: eine Liturgie der Werbelügen, die von erfüllten Wünschen und Ertragskraft künden. Als "Naturbetrachtung" präsentiert Gerald Hofmann einen vergoldeten QR-Code, das Symbol schneller Vermarktung schlechthin.

In eine ähnliche Richtung zielt Michael Merkel mit seinen "Prognosen aus Delphi": eine Serie kleiner vergoldeter Diagramme, die aller Maßeinheiten entbehren - also nur scheinbar Erkenntnisse liefern. Klar, dass da auch die Globalisierung nicht fehlen darf: Arnd Kästner hat Orangenpapiere aus aller Welt gesammelt, teils schon kleine Kunstwerke für sich, und daraus eine große Assemblage in Kontinentform erschaffen.

Kann der Sehnsuchtsort Arkadien Realität werden?

Das "Warten auf Arkadien" hat Monika Funke Stern in Szene gesetzt, ihre Fotografie zeigt ein trostloses, völlig verfallenes Kinogestühl aus Holz. Doch kann der alte Traum, dieser Sehnsuchtsort überhaupt Realität werden? Nein, sagt Kurator Kees, und lacht - doch Christiane Wartenberg liefert eine ganz konkrete "Wegbeschreibung", eine Wort-Foto-Collage, an deren Ende das brennende Kalifornien liegt.

Ebenfalls den "Aufbruch nach Arkadien" in Bilder gegossen hat Jürgen Moldenhauer: Der Künstler legte vor seiner Fahrt von Bremen nach Ebersberg einen Kasten ins Auto, in dem er eine mit Tinte gefüllte Kugel hin und her rollen ließ. So manifestierte sich jede Kurve, jede Beschleunigung, jedes Bremsen auf Papier. Die "Barriers to Arkadien" wiederum thematisiert eine kleine feine Malerei von Yang Yanchuan: Auf bräunlicher, grober Leinwand skizziert der Künstler einen "mountain of racism" und einen "cultural river".

Dem zwischen Fitnessstudio, Snack und Arbeit eingespannten Mensch im Selbstoptimierungswahn zeigt Anton Terziev aus Sofia mit seinem sinnfälligen Objekt "Dieses Jahr wird anders sein" aus Hantel, Semmel und Armbanduhr. Der veränderten Kommunikation des modernen Menschen spürt Bettina Semmer mit vier erotischen Arbeiten nach: "Im Spiegelselfiestadium" wirft sie mit Acryl und Tusche entlarvende Schlaglichter auf die Männer und Sprüche auf Tinder und Co.

Mehr Kitsch geht kaum: Lämpchen und "Wenn ich ein Vöglein wär"

Aber auch der oftmals trügerischen Idylle widmen sich die Künstler. Wiederum von Frenzy Höhne stammt die Raum-Sound-Installation "Hohe Erwartungen": Unter unschuldig-weißen Schirmen leuchten kleine Lämpchen, dazu erklingt das Volkslied "Wenn ich ein Vöglein wär". Mehr Kitsch geht kaum.

Eine verdächtige "Kleine Idylle" hat auch Thomas Neumaier geschaffen, in Form eines Handbesen mit grünen Borsten, auf denen weiß-gelbe Plastikblümchen thronen. Ganz entzückend! Behausungen an der Nahtstelle zwischen Zivilisation und Natur, idyllisch und gebrochen zugleich, hat Maurice Jorn mit Kugelschreiber fein aufs Papier geworfen, er nennt sie "Chamber Drawnings".

Die lateinische Phrase "Et in Arcadia ego" - "Auch ich bin in Arkadien" - hat Cordula Utermöhlen und Roland Dierenberger zu zwei bezaubernden, narrativen Malereien inspiriert. Tiere sieht man hier, Herzen, Fantasiewesen, aber auch Schädel und anderes Düsteres, das an das mittelalterliche "Memento Mori" - "Bedenke, dass du sterben musst" - erinnert.

Schließlich ist wohl auch der Tod in Arkadien nicht fern. Draußen aber, vor der Alten Brennerei, da wartet auch etwas Tröstliches, eine "Kleine Weltenachse der Aufrichtigkeit": Die säurebehandelte Stahlskulptur von Heinrich Knopf verweist mit ihrem binären Code auf alle fünf Kontinente. Arkadien ist schließlich nicht nur in Ebersberg.

"Wo bitte, geht's nach Arkadien?"; Jahresausstellung des Ebersberger Kunstvereins, Eröffnung am Freitag, 8. Februar, um 19 Uhr. Alle Informationen unter www.kunstvereinebersberg.de.

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