CDU und Flüchtlingspolitik:"Wir müssen das bei der Landtagswahl ausbaden"

dpa-Bilder des Jahres 2015 - 1. Platz Politik

Das Bild vom Selfie Angela Merkels mit einem Flüchtling ging 2015 um die Welt.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Die CDU will die Flüchtlingspolitik aufarbeiten - ohne Angela Merkel. Warum der sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth das richtig findet.

Interview von Philipp Saul

In den Jahren 2015 und 2016 stellten Flüchtlinge in Deutschland insgesamt mehr als eine Million Asylanträge. Bundeskanzlerin Angela Merkel setzte sich auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung im Herbst 2015 dafür ein, die Grenzen offen zu halten und Schutzsuchende aufzunehmen.

Für ihre Flüchtlingspolitik und den Satz "Wir schaffen das" hat sie seitdem viel Lob bekommen, aber auch scharfe Kritik einstecken müssen. Besonders die eigene Partei ist in dieser Frage noch immer uneins. Auf Initiative der neuen Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer will die CDU zurückblicken. Von Sonntag an lädt die Parteichefin zum sogenannten "Werkstattgespräch Migration, Sicherheit, Integration", um die Flüchtlingspolitik parteiintern aufzuarbeiten.

Besonders bei der CDU in den ostdeutschen Bundesländern hat das Thema eine große Bedeutung. 2019 wird sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen und Thüringen gewählt. Geert Mackenroth ist sächsischer Ausländerbeauftragter und sitzt für die CDU im Landtag.

Interview am Morgen

Diese Interview-Reihe widmet sich aktuellen Themen und erscheint von Montag bis Freitag spätestens um 7.30 Uhr auf SZ.de. Alle Interviews hier.

SZ: Herr Mackenroth, wie soll die parteiinterne Diskussion über die deutsche Flüchtlingspolitik aussehen?

Geert Mackenroth: Es ist nicht sinnvoll, zurückzuschauen und die unterschiedlichen Positionen auszuwerten, ob Merkels Handeln 2015 rechtlich zulässig war. Das ist keine juristische, sondern eine politische Frage. Und da müssen wir eher nach vorne gucken als nach hinten. Wir haben noch viele offene Baustellen: Die europäische Lösung ist weiter entfernt als je zuvor. Wir kommen mit den Abschiebungen nicht zurecht und wir geben den Leuten nicht das Gefühl, dass wir die Sache im Griff haben. Gerade aus sächsischer Sicht ist diese Aufarbeitung notwendig. Hier haben wir eine Sondersituation mit besonders vielen und besonders lauten Kritikern der Merkelschen Flüchtlingspolitik.

Wollen Sie der AfD mit der Aufarbeitung das Wasser abgraben? Stärken Sie die Konkurrenz nicht eher, indem Sie deren Inhalte auf die Tagesordnung setzen?

Es darf in der Politik nicht verboten sein, das Thema aufzugreifen, das den Leuten auf den Nägeln brennt. Und das ist in Sachsen eben wirklich die Angst vor Überfremdung, ob das berechtigt ist oder nicht. Unsere Leute sind halt oft aufgewühlt. Deshalb halte ich es für legitim und richtig, dass wir uns dieses Themas annehmen.

Warum spielt die Flüchtlingspolitik bei den Menschen in Sachsen überhaupt noch so eine große Rolle?

Die Sachsen waren immer schon besonders kritisch, wenn es gegen die Obrigkeit geht. Das hat sich durch einige Stockfehler aus Berlin noch verstärkt. Pegida gibt es nur bei uns. Diese Stimmen sind nun mal da und wir müssen das bei der Landtagswahl ausbaden. Deswegen bitte ich um Verständnis, dass wir anders handeln als Politiker in Baden-Württemberg oder im Saarland. Unsere Leute sind so, wie sie sind. Wir können uns nicht ein neues sächsisches Wahlvolk aussuchen, sondern müssen auf unser Wahlvolk reagieren.

Wenn die Sachsen Probleme mit der Obrigkeit haben, wäre es dann nicht gut, wenn die CDU hart mit Merkel abrechnet?

Nein. Die Dinge sind nicht schwarz und weiß. Angela Merkels Bilanz ist eben grau. Nach Auffassung mancher Sachsen hat sie in der Flüchtlingspolitik einen dicken Bock geschossen, aber das ändert nichts daran, dass sie anderswo riesige Verdienste hat. Wir werden sie in der Partei nicht vom Hof jagen, sondern anständig mit ihr umgehen. Das gilt auch für Sachsen.

Geert Mackenroth, Sächsischer Ausländerbeauftragter

Nach Auffassung der Sachsen hat Merkel in der Flüchtlingspolitik einen dicken Bock geschossen, sagt der Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth.

(Foto: Sächsischer Ausländerbeauftragter/Steffen Giersch)

Trotzdem nimmt sie nicht an den Gesprächen zur Flüchtlingspolitik teil. Eine gute Entscheidung?

Ja klar! Ich halte es für völlig richtig, dass man die Kritisierte nicht mit in die Runde setzt. Dann traut sich vielleicht niemand, Tacheles zu reden. Wir müssen in die Zukunft schauen und sehen, wie wir die Probleme lösen. Das geht nicht mit Frau Merkel, die natürlich ihre Handlungsweise verteidigt.

Das ist ja auch ihr gutes Recht.

Sie hat sich ja nun wirklich mehr als genug verteidigt. Ihre Argumente lassen sich auch alle gut hören. Aber sie muss akzeptieren, dass einige das eben sehr anders sehen als sie. Das erkennt sie ja auch an. Allein der Satz, dass sich 2015 "nicht wiederholen wird", ist ja schon so etwas Ähnliches wie das Eingeständnis eines Fehlers.

Annegret Kramp-Karrenbauer, Merkels Nachfolgerin an der Parteispitze, will die Werkstattgespräche am Montag mit einem öffentlichen Schlusswort beenden. Welche Aussagen erhoffen Sie sich von der neuen Vorsitzenden?

Ich würde mir wünschen, dass Kramp-Karrenbauer eine ordnungspolitische Position vertritt. Diejenigen, die guten Willens sind und arbeiten wollen, sind willkommen und sollen hier bleiben dürfen. Aber bei denjenigen, die unsere Gesetze verletzen, müssen wir konsequenter sein als bisher. Da muss Kramp-Karrenbauer Lösungswege aufzeigen, damit die Leute wieder daran glauben, dass der Rechtsstaat nicht nur Regeln aufstellt, sondern sie auch durchsetzt. Insgesamt ist es gut und richtig, dass sich unsere neue Parteivorsitzende mit der Diskussion an die Arbeit macht. Ob dabei nachher so viel rauskommt, ist eine andere Frage. Aber das Vorhaben als solches ist aus meiner Sicht den Schweiß der Edlen wert.

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