Bahnausbau:Kleines Gleis, großer Kummer

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Durch Trudering führt eine kleine Trasse, ein paar Dutzend Züge fahren hier am Tag vorbei. Doch nun will die Bahn die Strecke ausbauen, um mehr Güterverkehr durch München lotsen zu können. Die Anwohner fürchten um ihre Ruhe und werben für eine Alternative

Von Andreas Schubert

Wenn man am Karl-Breu-Weg in Trudering vorbeischaut und sich mit den Anwohnern über ihr Viertel unterhält, könnte man meinen, hier sei alles in bester Ordnung. Die vor zirka 25 Jahren entstandene Reihenhaussiedlung ist eine Sackgasse, also frei von Durchgangsverkehr. Die akkurat gestutzten Hecken sind momentan mit Schnee überzogen, aber sommers ist es hier recht grün. Und jedes Jahr zu Beginn der großen Ferien bauen die Nachbarn auf der Straße Grills und Liegestühle auf und feiern ihr "Wendehammerfest". "Es ist wie eine große Wohngemeinschaft", sagt die Anwohnerin Katja Vilsmeier.

Und doch sieht sie ihre Lebensqualität in der etwas abgelegenen Siedlung bedroht. Denn die Bahn will nur einen Steinwurf entfernt die Strecke zwischen Daglfing und Trudering, die sogenannte Truderinger Spange, von einem auf zwei Gleise erweitern. Baubeginn ist für das Jahr 2026 vorgesehen. Und von 2029 an könnten hier eine ganze Menge Güterzüge durchrauschen; wie viele das sein könnten, dazu gebe es noch keine verlässlichen Prognosen, sagt die Bahn.

Die Anwohner des Karl-Breu-Wegs in Trudering fühlen sich vom geplanten Ausbau der Güterstrecke bedroht, unter ihnen Peter Brück (2.v.r.), Peter Grotz (4.v.l.) und Katja Vilsmeier (1.v.l.). (Foto: Stephan Rumpf)

Fest steht: Es werden deutlich mehr sein als derzeit. Und selbst über die aktuellen Zugbewegungen auf der Strecke ist keine Auskunft zu bekommen. Laut einer aus dem Jahr 2009 stammenden Stadtratsvorlage zählte die Bahn damals tagsüber etwa 30 Güterzüge, nachts rund 20. Anwohner klagten schon damals auf mehr Lärmschutz auf der seit den 1930er-Jahren bestehenden, eingleisigen Strecke. Das Verfahren ist auch zehn Jahre später noch immer nicht entschieden, ein Urteil des Oberlandesgerichtes steht voraussichtlich im Herbst dieses Jahres an.

Aber das ist eine andere Geschichte: Die Frau, die geklagt hatte, ist inzwischen weggezogen. Soweit wollen die heutigen Anwohner nicht gehen, wie etwa Peter Grotz erklärt. Niemand, sagt er, habe etwas gegen Güterverkehr auf der Schiene. Und als die Familie vor 20 Jahren ihr Reihenhaus gekauft habe, habe man ja auch gewusst, dass gleich in der Nähe ein Bahngleis ist. Nur: Einen Ausbau wollen er und seine Mitstreiter nicht einfach so hinnehmen. Was die Menschen am Karl-Breu-Weg nicht verstehen: Nördlich ihres Wohngebiets wäre ihrer Ansicht nach genug Platz, um dort eine ausreichend breite Bahnstrecke neu zu bauen. Die aktuelle Wohnbebauung reicht schon jetzt sehr nah an die bestehenden Gleise heran. Künftig würde wohl unter anderem ein Kindergarten einen Teil seiner Freifläche einbüßen, fürchtet Grotz. Seine Idee: Wenn gleichzeitig mit der Streckenerweiterung die sogenannte Truderinger Kurve gebaut wird, die den Bahnhof Riem direkt an die Strecke nach Italien anbinden soll, dann könnte man doch von dieser Kurve aus im Norden einen Abzweig bauen und die Gleise weiter nördlich mit der Verbindung nach Daglfing verknüpfen. Es entstünde ein Bypass, die Trasse durch das Wohngebiet entfiele und könnte, so stellt Grotz sich das vor, renaturiert werden. Alle Ängste wegen potenziellen Lärms oder Vibrationen wären obsolet. In die Detailplanung ist die Bahn gerade erst eingestiegen. Bis das Baugenehmigungsverfahren läuft, wird es wohl noch vier Jahre dauern. Dann hätten auch die Anwohner offiziell die Möglichkeit, Einspruch zu erheben.

Man wolle aber, so der Tenor unter den Nachbarn, die Bahn dazu bewegen, schon frühzeitig mit ihnen ins Gespräch zu kommen und die Trassenführung womöglich noch anzupassen. "Die Bahn hätte ein Leuchtturmprojekt, mit dem sie angeben könnte", wirbt Grotz, "weil die Wahrscheinlichkeit von Einsprüchen gegen Null geht." Dass es aber gegen die jetzt geplante Ausbautrasse Widerstand geben wird und dass sich die Anwohner bald offiziell in einer Bürgerinitiative organisieren werden, das sei durchaus wahrscheinlich. Denn obwohl die künftige zweigleisige Trasse als Neubaustrecke ausgewiesen wird, in Trogbauweise entstehen soll, also tiefergelegt wird und somit den modernsten gesetzlich vorgeschriebenen Lärmschutz bekommt, wollen die Nachbarn nicht so recht glauben, dass es dann wirklich leiser wird als heute.

Seinen Vorschlag hat Peter Grotz schon vor einiger Zeit an die Planer der Bahn herangetragen. Doch die Idee sehe man skeptisch, sagt ein Bahnsprecher. In diesem Fall müsste ein zusätzliches Brückenbauwerk gebaut werden - dort, wo die Truderinger Spange auf die Gleise zwischen Ostbahnhof und Riem trifft. Das sei sehr aufwendig. Dennoch schaue man sich diese Alternative auch an. Im April wolle die Bahn die Pläne der Öffentlichkeit vorstellen, bis dahin wisse man mehr.

Derweil hoffen die Anwohner auf den Dialog mit der Bahn und Unterstützung durch die Stadt. Aktuell kommen sie sich allein gelassen vor. Auch bei mehreren E-Mail-Wechseln mit verschiedenen Politikern habe er sich nicht sonderlich unterstützt gefühlt, sagt Grotz. Und sein Nachbar Peter Brück versteht nicht, dass die Bahn ihre Pläne vorab einigen Mitgliedern des Bezirksausschusses vorgestellt habe, dies aber nicht öffentlich. Dabei sei es doch wichtig, die Anwohner anzuhören. "Du hast als Betroffener einen ganz anderen Blick als ein Planer", sagt Brück.

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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