Nord Stream 2:Eine Röhre, viele Feinde

Nord Stream

Ein Arbeiter neben einem Rohrstück für die Gas-Pipeline Nord Stream 2.

(Foto: Dmitry Lovetsky/dpa)

Warum sorgt eine Gas-Pipeline für so viel Streit? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Projekt Nord Stream 2.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel, Benedikt Müller, Düsseldorf, und Leo Klimm, Paris

Seit Sommer entsteht in der Ostsee eine neue, russische Pipeline für Gastransporte: Nord Stream 2. Doch obwohl das 9,5 Milliarden Euro teure Bauvorhaben etwa zur Hälfte steht, schien das Projekt kurzzeitig vor dem wirtschaftlichen Aus. Es sah so aus, als würde die EU bald ihre Gasrichtlinie verschärfen - zum Nachteil von Betreibern aus Drittstaaten wie Russland. Nun haben die EU-Staaten einen Kompromiss gefunden, der den Betrieb der Pipeline retten dürfte. Mit Ausnahme Bulgariens haben alle Mitgliedsländer dem Vorschlag von Berlin und Paris zugestimmt. Wie sieht der Kompromiss aus? Künftig soll die regulatorische Aufsicht für Pipelines mit Drittstaaten bei jenem Staat liegen, in dem die Leitung erstmals auf das EU-Energienetz trifft. Im Fall von Nord Stream 2 ist das Deutschland. Somit müsste die hiesige Regulierungsbehörde sicherstellen, dass Pipelinebetrieb und Gaslieferungen den EU-Regeln entsprechen. Die Europäische Kommission muss zudem darauf achten, dass dem so ist.

Wäre es nicht zum Kompromiss gekommen, hätte sich die Mehrheit der EU-Staaten für eine Änderung der Richtlinie ausgesprochen, die wohl das Aus für Nord Stream 2 bedeutet hätte. Dann hätten sämtliche EU-Staaten ein Mitspracherecht erhalten, durch deren Meeresgewässer die Pipeline geht; also nicht nur Deutschland, sondern auch Finnland und Dänemark. Insbesondere Kopenhagen sieht Nord Stream 2 kritisch. Angesichts dieser vielen Zuständigkeiten hätte die EU-Kommission die Verhandlungen an sich ziehen und direkt mit Russland sprechen können.

Dazu muss man wissen: Die Brüsseler Behörde gilt nicht als Freund von Nord Stream 2. Dass etwa der Betrieb und die Erdgasbelieferung der Pipeline in einer Hand - der des russischen Konzerns Gazprom - sind, beäugt die Kommission kritisch. Berlin wollte diese Änderung blockieren und organisierte bereits eine entsprechende Sperrminorität. Dabei rechnete die Bundesregierung auch mit Rückdeckung aus Paris. Als Frankreich überraschend ankündigte, in Brüssel für die Änderung zu stimmen, war Berlin gezwungen, auf Paris zuzugehen. Erwartet wird nun, dass Deutschland im Gegenzug bei einer anderen Entscheidung auf EU-Ebene Frankreich entgegenkommen dürfte.

Was bringt Nord Stream 2?

Die Pipeline soll Erdgas aus Russland durch die Ostsee nach Deutschland transportieren. Sie verläuft von der Narwa-Bucht in Russland nach Mecklenburg-Vorpommern, in die Nähe von Greifswald. Dort wird das Gas in die europäischen Netze eingespeist. Mithin läuft die Pipeline parallel zur ersten Nord-Stream-Röhre, die schon seit acht Jahren in Betrieb ist.

Aus Sicht der Betreiber soll die neue Zwillingsschwester dazu beitragen, dass Europa auch in Zukunft sicher mit Gas versorgt wird. Der Brennstoff wird nicht nur fürs Heizen gebraucht; Gas wird auch in der Stromerzeugung immer wichtiger, je mehr Atomkraftwerke und Kohlemeiler vom Netz gehen. Doch fördert Europa selbst immer weniger Erdgas, ist also auf Importe angewiesen, die etwa aus Russland, Aserbaidschan oder Katar kommen. Dank Nord Stream 2 könnten 26 Millionen Haushalte in Europa mit Gas versorgt werden, rechnen die Betreiber vor. Die Pipeline soll Ende des Jahres in Betrieb gehen.

Wer ist gegen die Pipeline?

Zum einen kritisieren osteuropäische Staaten wie die Ukraine, Weißrussland und Polen Nord Stream 2. Sie erheben bislang Gebühren, wenn Erdgas aus Russland über Landpipelines auf ihrem Territorium nach Europa fließt. Mit der neuen Röhre durch die Ostsee könnte Russland diesen Landweg umgehen. Staaten wie Deutschland wären dann noch abhängiger von Gasimporten aus Russland, warnen etwa auch Politiker der Grünen.

Zum anderen hat auch Donald Trump den Bau von Nord Stream 2 kritisiert. "Deutschland wird vollkommen durch Russland kontrolliert", sagte der US-Präsident etwa auf einem Nato-Gipfel im vergangenen Sommer. Die USA exportieren immer mehr verflüssigtes Erdgas (LNG) und setzen dabei auch auf Europa als Wachstumsmarkt. Mittlerweile interessieren sich Unternehmen dafür, ein erstes LNG-Hafenterminal in Deutschland zu bauen; auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier unterstützt die Idee.

Wer zahlt den Bau von Nord Stream 2?

Die Pipeline ist zwar ein Projekt des russischen Konzerns Gazprom. Doch fünf Partner aus Europa finanzieren den Bau teilweise mit, zum Beispiel das M-Dax-Unternehmen Uniper aus Düsseldorf. Die frühere Tochter des Energiekonzerns Eon betreibt viele Gaskraftwerke in Europa und handelt auch mit Erdgas. Sie stellt 950 Millionen Euro für den Bau von Nord Stream 2 zur Verfügung und erhält im Gegenzug eine Verzinsung. Gut die Hälfte dieses Geldes wurde bereits abgerufen. Neben Uniper finanzieren die BASF-Gastochter Wintershall, der Energiekonzern Shell aus den Niederlanden und OMV aus Österreich den Bau der Pipeline mit.

Pikant ist: Am Bau von Nord Stream 2 beteiligt sich auch der französische Gasversorger Engie (vormals GdF) mit zehn Prozent. Zwar bezieht der Konzern den Großteil seiner Liefermenge aus Norwegen und nicht aus Russland. Dennoch wäre ein Aus auch für Engie ein wirtschaftlicher Rückschlag. Darauf hat die Regierung in Paris in dem Konflikt mit Deutschland aber keine Rücksicht genommen - und das, obwohl der französische Staat der Ankeraktionär von Engie ist.

Wie reagiert Uniper auf die neue Gasrichtlinie?

Uniper war nach eigenem Bekunden stets davon überzeugt, dass die Pipeline gebaut wird. "Klar ist: Wir halten weiterhin an unseren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Nord Stream 2 fest", sagte ein Sprecher. Die Pipeline ergebe energiepolitisch Sinn, weil sie die Vielfalt der Transportwege von Erdgas nach Europa absichere; sie sei auch für das Unternehmen "wirtschaftlich sinnvoll". Zudem verweisen die Finanzpartner von Nord Stream 2 darauf, dass die verschiedenen Organe der EU die geplanten Änderungen an der Gasrichtlinie noch untereinander abstimmen müssen. Nach der Einigung der EU-Staaten wird sich nun das Europäische Parlament mit dem Kompromiss befassen.

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Energiepolitik
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