Zeitgenössische Kunst:Mit der Pistole gemalt

Andra Lauffs-Wegner stammt aus einer wichtigen rheinischen Sammlerfamilie. In ihrem Privatmuseum setzt sie die Tradition fort. Ein Besuch.

Von Michael Kohler

Jahrelang führte Andra Lauffs-Wegner ihren Hund an einem Park in Rhöndorf am Rhein vorbei und sagte sich jedes Mal: "Hier müssten Bänke von Jeppe Hein hinein." Dass sie dort tatsächlich einmal einige von Heins surreal verformten Sitzgelegenheiten aufstellen würde, hätte sie nicht zu träumen gewagt. Bis das alte Anwesen am verwilderten Park saniert wurde und die Sammlerin anfragte, ob vielleicht eine Etage frei sei für zeitgenössische Kunst.

Im Rheinland gibt es mittlerweile eine gute Handvoll privater Kunstmuseen. Zog es die Sammler früher nach Düsseldorf, Köln oder Duisburg, wurde die Randlage zuletzt immer beliebter. In diesem Speckgürtel der jungen Kunst bietet Andra Lauffs-Wegners Refugium neben der deutlich älteren Insel Hombroich den höchsten Freizeitwert.

Seit 2014 zeigt die Sammlerin jährlich eine Ausstellung in ihrem Kunst am Turm oder kurz KAT_A genannten Privatmuseum, das neben dem aus dem 14. Jahrhundert stammenden Haus im Turm liegt und wie dieses lange zum Sommersitz einer Industriellenfamilie gehörte. Das Ensemble mit Aussicht liegt nicht weit vom Adenauerhaus, dem einstigen Alterssitz des Bundeskanzlers. Im Krieg wurde das Haus als Lazarett genutzt, danach war dort ein Müttergenesungsheim untergebracht.

"Hätte man diese Räume gesucht", so Lauffs-Wegner, "hätte man sie nicht gefunden." Die Wände sind nicht geweißt, sondern im sanierten Rohzustand belassen, was bei Großformaten der Fotografen Wolfgang Tillmans, Thomas Ruff und Thomas Struth ebenso gut funktioniert wie jetzt bei der Kombination aus Katharina Grosse und Yves Klein. Auch sonst kauft Lauffs-Wegner, was gut und (nicht allzu) teuer ist: In der Kapelle des ehemaligen Genesungswerks schwebt etwa ein Lichtobjekt von Olafur Eliasson über dem wuchtigen Betonaltar und beleuchtet eine Installation von Tatiana Trouvé.

Die Liebe zur zeitgenössischen Kunst hat Lauffs-Wegner geerbt - und das offenbar exklusiv. "Im Gegensatz zu meinen fünf Schwestern fand ich die Sammelleidenschaft meiner Eltern immer extrem positiv." Sie ging mit, wenn diese die Galerien abklapperten, Joseph Beuys besuchten oder sich mit Paul Wember, dem Direktor der Krefelder Kunstmuseen, berieten.

Gemeinsam mit Wember bauten die Eltern seit 1968 eine der wichtigsten Sammlungen zeitgenössischer Kunst in Deutschland auf und halfen dem Direktor, sein in Krefeld stets umstrittenes Avantgardeprogramm fortzuführen und auszubauen. "Schon damals hatten die Museen kaum Geld", so Lauffs-Wegner. "Dank meiner Eltern konnte Wember endlich im großen Stil sammeln."

!!! © Katharina Grosse und VG Bild-Kunst, Bonn 2019 !!!

Zur Zeit zeigt Andra Lauffs-Wegner Katharina Grosse und Yves Klein.

(Foto: Alexandra Wendorf, VG Bild-Kunst Bonn, 2019)

Als die Lauffs ihre international bekannte Sammlung 2008 größtenteils aus Krefeld abzogen und verkauften, brachte dies der Familie viel Kritik ein. Laut Lauffs-Wegner wäre eine Verlängerung der Ausleihe durchaus in Betracht gekommen. Aber die Zustände im damals sanierungsbedürftigen Kaiser-Wilhelm-Museum seien untragbar gewesen. "Es regnete durchs Dach und die Klimaanlage war defekt, da tat sich nichts." Und wenn ein Yves Klein feucht werde, sei er nun mal hin.

Anders als ihre Eltern sucht Lauffs-Wegner keinen fachlichen Beistand. "Ich lasse mich nicht beraten, sondern entscheide relativ spontan." Ihr erstes Stück war eine kleine Arbeit von George Segal, das zweite stammte von Robert Rauschenberg und war ein Geschenk des Vaters. Im Kölner Galeriehaus hatte sie ihn von Cy Twomblys, so sagt sie, "langweiligen" griechischen Mythenbilder weggezogen und eine Etage tiefer zu den viel aufregenderen Rauschenbergs geführt. Bis heute hat sich Lauffs-Wegner diese Vorbehalte gegenüber der Malerei bewahrt. Sie sammelt Skulpturen und Fotografien und verschmäht Maler nur dann nicht, wenn sie wie Katharina Grosse den Pinsel weglegen und gegen eine Spritzpistole tauschen.

Als Studentin schrieb Lauffs-Wegner eine Diplomarbeit über "Moderne Kunst als Kapitalanlage", allerdings nur, sagt sie, um aus der trockenen Betriebswirtschaftslehre herauszukommen. Es war die Zeit, als noch heftig über die Kunst als Wandaktie gestritten wurde. Heute sei das zwar eine Selbstverständlichkeit, aber für sie kein Antrieb. Aus ihrer eigenen Diplomarbeit hat sie den Schluss gezogen: "Hauptsache, die Kunst macht Spaß."

Spaß sollen auch ihre Besucher haben. Der private, aber öffentlich zugängliche Park ist ein kleiner Kurs in zeitgenössischer Kunst, mit stählernen Palmen von David Zink Yi als Einstieg - gerade wurde die Parkskulptur durch das "Love"-Zeichen Robert Indianas als beliebtestes Fotomotiv für Rhöndorfer Hochzeitsgesellschaften abgelöst.

Ähnlich gewinnend sind auch die beiden von Alicia Kwade entworfenen neuen Gartengewächse: Eine Straßenuhr, deren Ziffernblatt sich um die eigene Achse dreht (und auf die Sekunde richtig geht) sowie ein Findling, der dank eines Spiegeltricks mit seinem Zwilling aus dem 3-D-Drucker eine scheinbar fließend ineinander übergehende Einheit bildet. Und schließlich gibt es noch Jeppe Heins Sitzbänke, auf denen man zwar nicht sitzen kann, die dafür aber auch Menschen angenehm verblüffen, die mit Kunst nicht viel anfangen können.

Frau Lauffs-Wegner

Andra Lauffs-Wegner.

(Foto: Alexandra Wendorf/VG Bild-Kunst, Bonn 2019)

Einige Souvenirs aus der elterlichen Sammlung hat Lauffs-Wegner behalten. Auf dem blauen Tisch, der in der aktuellen Ausstellung zu sehen ist, trank sie in jungen Jahren Kaffee, und schon damals flockten unter der Plexiglasscheibe die Farbpigmente des patentierten Yves-Klein-Superblaus. Mit Klein zeigt sie erstmals einen Klassiker der Moderne in ihren Räumen; seine Tische, Leinwände und Schwämme hat sie mit abstrakten Großformaten der Sprayerin Katharina Grosse kombiniert. Es ist eine durchaus gewagte Mischung, denn der 1962 verstorbene Klein war ein Großmeister der Monochromie, während sich Grosse zur Virtuosin des bunt Gescheckten entwickelt hat. Letztlich treffen sich beide Künstler jedoch am äußersten Rand der klassischen Malerei: Es geht nicht mehr um ein Bild der Welt, sondern um ein möglichst intensives Farberlebnis.

In den zahlreichen rheinischen Privatmuseen sieht Lauffs-Wegner keine Konkurrenz zu den öffentlichen Häusern, sondern eine Ergänzung, zumal viele Sammler die großen Häuser auch weiterhin mit Schenkungen bedenken. Auf die Frage, ob sie sich das auch vorstellen könne, sagt Lauffs-Wegner, für solche Entscheidungen sei es ihr noch zu früh. Dass es durchaus schmerzhaft sein kann, wenn eine über Jahrzehnte gewachsene Sammlung auseinandergerissen wird, weiß sie aus eigener familiärer Erfahrung. Zumal das Lauffs'sche Sammler-Gen offenbar recht sprunghaft ist: "Meine Familie zeigt an meiner Sammlung leider überhaupt kein Interesse. Selbst meine Tochter, die Kunstgeschichte studiert hat, sagt: Mami, kauf nicht so viel."

Katharina Grosse und Yves Klein. Bis Mai. KAT_A, Kunst am Turm, Bad Honnef.

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