Schwangerschaftsabbrüche:Spahns Studie zeugt von Misstrauen gegenüber Frauen

Schwangerschaftsabbrüche: Symbolbild

Symbolbild

(Foto: Leon Biss/Unsplash; Bearbeitung SZ)

Der Gesundheitsminister will für viel Geld untersuchen lassen, wie Abtreibungen die Psyche belasten. Dabei gibt es dazu genügend Erkenntnisse - und das Geld wäre anderswo dringender nötig.

Kommentar von Meredith Haaf

Bei erwachsenen Frauen kann man sich offenbar nie ganz sicher sein, ob sie wirklich wissen, was sie tun und was ihnen guttut - diese Vorstellung untermalt die deutsche Regelung des Abtreibungsrechts. Von daher rührt die Pflichtberatung bei einem Abbruch vor der zwölften Schwangerschaftswoche und auch der faule Kompromiss zu dem sogenannten Werbeverbotsparagrafen 219a.

Frauen dürfen sich nur dann entscheiden, eine Schwangerschaft nicht auszutragen, nachdem ihnen eine staatsbeauftragte Person noch einmal genau erklärt hat, was alles für die Schwangerschaft sprechen könnte. Wenn sie diese auch danach nicht wollen, ist es immer noch einfacher im Internet die Anleitung für einen Rohrbombenbau zu finden als Informationen darüber, mit welchen Methoden eine der wenigen Praxen arbeitet, die einen Abbruch überhaupt noch durchführen.

Die neuesten Pläne von Gesundheitsminister Jens Spahn sprechen dieselbe Sprache des Misstrauens gegenüber Frauen: Fünf Millionen Euro hat ihm das Kabinett bewilligt für eine Studie zu den psychischen Langzeitfolgen eines Schwangerschaftsabbruchs. Es soll den ersten Ankündigungen zufolge untersucht werden, wie sehr das sogenannte Post-Abortion-Syndrom Frauen belastet. Das Vorhaben setzt voraus, dass es dieses Syndrom gibt. Doch daran gibt es erhebliche Zweifel: Bei dem Begriff handelt es sich um eine Kampf-Vokabel radikaler Abtreibungsgegner aus den USA, der unter seriösen Wissenschaftlern nicht verwendet wird.

Zudem gab es bereits Studien über die emotionalen Belastungen durch Abtreibung. Sie zeigen immer wieder, dass manche Frauen ihre Entscheidung bedauern, die wenigsten aber langfristig darunter leiden. Wohl weil sie in der Regel ziemlich genau wissen, was sie tun. Aber diese Erkenntnis scheint sich noch nicht durchgesetzt zu haben.

Worunter Frauen im gebärfähigen Alter im Jahr 2019 tatsächlich leiden, sind die teilweise dramatischen Engpässe in der Geburtshilfe. Hebammenmangel und überfüllte Kreißsäle bringen Geburtshelferinnen und -helfer an ihre Belastungsgrenzen. Mit teilweise brutalen Konsequenzen: Vernachlässigung der Frauen unter den Wehen, Dammschnitte, die aus Zeitgründen vorgenommen werden, Medikamente, die eingesetzt werden, damit die Geburt im Zeitplan stattfindet. Vor Kurzem erst kündigte die Chefärztin der Geburtshilfe an der Mariahilf-Klinik Hamburg-Harburg mit der Begründung, an der Klinik sei es nicht möglich, die angemessene Versorgung zu leisten.

Das Thema dürfte auch im Bundesgesundheitsministerium bekannt sein. Bisher hat Jens Spahn dazu aber wenig verlauten lassen. Das Problem der überfüllten Kreißsäle quittierte er mit der Aussage, eine Geburt kündige sich lange im Voraus an und dürfe daher mit einer gewissen Anreise verbunden sein. Zusätzliche Mittel oder eine Finanzierungsreform für die Geburtshilfe sind nicht vorgesehen. Um die Missstände in der Geburtshilfe und deren psychische Langzeitfolgen umfassend zu dokumentieren, wären allerdings die Bundesmittel besser eingesetzt, die jetzt in eine überflüssige Studie fließen sollen. Die Ergebnisse könnten eine gesundheitspolitische Wende in Sachen weiblicher Versorgung erzwingen.

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