Profil:Luisa Neubauer

Initiatorin der Klimastreiks in Berlin, inspiriert von Greta Thunberg

Von Jasmin Siebert

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(Foto: Imago)

Eigentlich sollte Luisa Neubauer in diesen Tagen an ihrer Bachelorarbeit über nachhaltige Anlagestrategien sitzen. Doch die hat die 22-jährige Geografiestudentin aus Göttingen erst mal hintangestellt, seitdem sie auf der Klimakonferenz in Katowice Greta Thunberg kennengelernt hat. Thunberg streikt in Schweden seit vergangenem Sommer für das Klima, laut Time gehört sie zu den einflussreichsten Teenagern des Jahres; und sie inspirierte Luisa Neubauer. Die beschloss, auch in Deutschland Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene für eine nachhaltigere Klimapolitik auf die Straße zu bringen.

Neubauer hat die ersten "Fridays for Future"-Streiks in Berlin mit initiiert und ist eine der Hauptorganisatoren der Demonstrationen, die jeden Freitag stattfinden. Sie saß schon bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und in der Talkshow von Dunja Hayali. Sie ist dabei, so etwas wie das deutsche Gesicht des Schülerstreiks zu werden, eine deutsche Greta Thunberg. Gerade für junge Mädchen ist Neubauer inzwischen ein Vorbild. Sie selbst sei mit starken Frauen aufgewachsen, erzählt sie, ihre Großmutter habe Friedens- und Umweltgruppen gegründet und sie schon früh zu Veranstaltungen mitgenommen.

In ihre eigene Vorbildrolle muss sich Neubauer erst noch einfinden. Fleisch isst sie nach eigenen Angaben seit sechs, sieben Jahren nicht mehr, seit einiger Zeit ernährt sie sich weitgehend vegan. Aber natürlich sei auch sie keine perfekte Klimaaktivistin. "Ich bin auch nur ein Mensch", sagt sie. Gerade fegt ein Shitstorm über sie hinweg, der so erwartbar wie anstrengend ausfällt. Er ähnelt dem, den die Grünen-Politikerin Katharina Schulze kürzlich erlebte, nachdem sie auf Instagram ein Bild von einem Eisbecher mit Plastiklöffel aus ihrem Winterurlaub in Kalifornien gepostet hatte. Auch bei Luisa Neubauer fanden politische Gegner rasch Kritikwürdiges: Sie ist unter anderem schon nach Tansania, Namibia, Kanada und Großbritannien geflogen. Auf Twitter verbreiteten sich unter dem Hashtag #LangstreckenLuisa hämische Kommentare und Urlaubsfotos aus ihrem inzwischen für die Öffentlichkeit gesperrten Instagram-Account.

Man erreicht die Aktivistin auf dem Handy, als sie gerade in Berlin im Bus sitzt. Sie ist auf dem Weg zu einer Vorführung des Films "2040" auf der Berlinale, wo sie anschließend vor einer Schulklasse sprechen wird. Dass nun öffentlich über ihre Urlaubsreisen debattiert wird, findet sie "irritierend auf verschiedenen Ebenen". Neubauer glaubt, dass mit der Kritik an persönlichem Verhalten von größeren Problemen auf strukturell-politischer Ebene abgelenkt werde. Viele ältere Menschen, gerade auch jene in Machtpositionen, hätten sich in der Klimakrise eingerichtet; für Neubauer ist sie auch ein Generationenkonflikt und eine Machtfrage: Was nutze ökologisches Verhalten im Privaten, wenn Kohlekraftwerke weiterlaufen und der Himmel voller Flugzeuge ist?

Sie selbst fliege inzwischen seltener als früher. Zwei ihrer Geschwister, die in London leben, besuche sie mittlerweile mit dem Zug, obwohl das länger dauert und mehr kostet. Ehe Neubauer Klimaaktivistin wurde, engagierte sie sich in der Entwicklungshilfe. Mit 18 Jahren half sie, Wasserleitungen in Tansania zu verlegen. Seit 2016 ist sie Jugendbotschafterin von ONE, einer Kampagnenorganisation, die sich für die Bekämpfung extremer Armut in Afrika einsetzt. Umweltpolitik und Entwicklungshilfe gehören für sie zusammen, leiden doch die Länder des Südens viel stärker unter den Folgen des Klimawandels als der Norden. Sie wisse, dass sie privilegiert sei, doch sie nutze ihre Vorteile, um etwas zu bewegen in der Welt, sagt Neubauer. Ein Anfang sind 150 deutsche Ortsgruppen der "Fridays for Future"-Bewegung. Und wenn es sein müsse, werde sie noch an 824 Freitagen demonstrieren, kündigt Neubauer an. So viele sind es bis zum geplanten Kohleausstieg der Bundesregierung 2035.

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