"One Billion Rising":Tanzen gegen Schläge

"One Billion Rising": Mit einem Tanz soll der Gewalt etwas Weiches entgegengesetzt werden. Bei der Aktion in Grafing wird es auch Redebeiträge geben.

Mit einem Tanz soll der Gewalt etwas Weiches entgegengesetzt werden. Bei der Aktion in Grafing wird es auch Redebeiträge geben.

(Foto: Christian Endt)

Erstmals nimmt eine Grafinger Gruppe an einer weltweiten Kunst-Performance teil: Sie wollen damit der Gewalt an Frauen etwas entgegensetzen

Von Johanna Feckl, Grafing

Es ist ein paar Minuten nach 18 Uhr, das Licht ist schummrig, die Luft angenehm warm. Ab und an wabern ein paar Wortfetzen aus dem Nebenraum herüber. Dort findet eine Tai-Chi-Stunde statt. Inzwischen sind es drei Frauen, die sich in die knautschigen weißen Sofas gelümmelt haben. Mindestens eine von ihnen ist ein Opfer von Gewalt. Statistisch gesehen. Genau aus diesem Grund kommen sie an diesem Abend zusammen: zur Probe für eine Kunst-Performance, um auf all diese Frauen und das Leid, das sie erfahren, aufmerksam zu machen.

Die Frauen, die es sich vor dem Grafinger Lichtsaal gemütlich gemacht haben, sind Teil einer weltweiten Bewegung: Am 14. Februar 2013 fand zum ersten Mal eine Aktion unter dem Namen "One Billion Rising" statt. Die New Yorker Künstlerin und Feministin Eve Ensler steht als Initiatorin hinter der Bewegung. Auf dem gesamten Erdball kamen Frauen und Männer zusammen, um zu tanzen - als Symbol für weltweite Solidarität mit den vielen Frauen, die Gewalt erfahren. Sie alle taten das mit derselben eigens dafür entwickelten Choreografie und zu demselben Lied "Break the Chain", also "Zerbrich die Ketten". Seitdem findet die Aktion jährlich am 14. Februar statt. Im vergangenen Jahr haben sich laut Organisatoren deutschlandweit etwa 60 000 Menschen in 180 Orten der Kampagne angeschlossen.

Die Grafinger Frauen sind in diesem Jahr zum ersten Mal als eigene Ortsgruppe dabei. Marina Lahann und Tanja Nie haben die Gruppe gegründet - beide tanzten schon im Jahr 2013 im Namen von "One Billion Rising" in München. In Grafing soll aber nicht nur getanzt werden, es soll auch Redebeiträge geben, unter anderem von Seiten des Vereins "Frauen helfen Frauen im Landkreis Ebersberg".

"Es geht darum, der Gewalt etwas entgegenzusetzen", erklärt Lahann. "Nämlich etwas Weiches: den Tanz." Erst vor knapp drei Wochen hatte die Schauspielerin und Theaterpädagogin die Idee, eine Grafinger Gruppe ins Leben zu rufen. Sie sah Videos der Tanzaktion aus den vergangenen Jahren, da habe es sie gepackt: "All die Frauen zu sehen, die auf der ganzen Welt an diesem Tag tanzen, ist so berührend."

Dreimal treffen sich die Grafinger zum Üben der Choreografie, bevor am Donnerstag auf dem Marktplatz getanzt wird. Tanja Nie kümmert sich darum, dass alle die Schritte beherrschen, sie betreibt die Tai-Chi-Schule in Grafing. Acht Frauen kommen an diesem Abend. Eine von ihnen ist Rusydah Ziesel. Die Künstlerin arbeitet ehrenamtlich für den Ebersberger Frauennotruf. Sie kenne viele Frauen, die Gewalt erfahren haben. "Das sind Frauen aus der Mitte der Gesellschaft", sagt sie. "Ich meine: Es betrifft jede dritte Frau!"

Erst im November zeigte eine Statistik des Familienministeriums, dass 82 Prozent aller Gewaltopfer in Partnerschaften Frauen sind. Und laut einer Erhebung der European Union Agency for Fundamental Rights aus dem Jahr 2014 hat jede dritte Frau eine Form des körperlichen und/oder sexuellen Übergriffs erlebt.

Eine von ihnen sitzt an diesem Abend vor dem Grafinger Lichtsaal. Ihren Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen. Aber ihre Geschichte erzählen, den anderen Frauen. Als sie fertig ist, umhüllt die Gruppe Schweigen. Bis die Frau erneut das Wort ergreift: "Ich bin hier, weil ich mich mit anderen Frauen und Männern verbinden möchte." Ihre Augen wandern im Raum umher, von Frau zu Frau. "Ich bin nicht alleine."

"One Billion Rising" in Grafing: Am Mittwoch, 13. Februar, von 13 bis 15 Uhr können Frauen und Männer im Lichtsaal, Thomas-Mayr-Straße 4, den Tanz einstudieren. Das Event findet dann am Donnerstag, 14. Februar, um 13 Uhr auf dem Marktplatz statt - alle sind herzlich eingeladen, auch ohne Probe.

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