Syrien-Konflikt:Assads Folterern auf der Spur

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Ein Syrer zeigt seine Folterwunden, nachdem er im Norden von Aleppo von Regimetruppen freigelassen wurde. (Foto: AFP)
  • In Deutschland sind zwei syrische Flüchtlinge verhaftet worden. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt.
  • Sie sollen in ihrer Heimat Oppositionelle gefoltert haben.
  • Das Völkerrecht erlaubt diesen Zugriff. Er gilt als wichtiges Signal im internationalen Kampf gegen solche Taten.

Von Lena Kampf, Berlin

Anwar R. ließ seine Opfer an der Decke aufhängen, mit den Händen auf dem Rücken gefesselt, sodass sich nach einiger Zeit die Schultergelenke auskugelten. Mehrere Tagen hingen die Männer da. "Shabeh" nennt sich diese Foltertechnik auf Arabisch, und in Anwar R.s Gefängnis wurde sie oft befohlen. Oder die Männer, zumeist Oppositionelle, wurden mit Kabeln geschlagen und bekamen Stromschläge. Anwar R., Leiter der Ermittlungsabteilung des syrischen Geheimdiensts, kam sogar persönlich in den Folterkeller, den er verantwortete.

All das haben mehrere Opferzeugen den Ermittlern der Bundesanwaltschaft erzählt. Sie sind nach Deutschland geflohen, nachdem sie aus Anwar R.s Hölle entlassen worden waren. Sie haben Anwar R. identifiziert. Und R. wurde wiedererkannt - in Berlin, wo ihn Beamte des Bundeskriminalamts am Dienstag festnahmen. Anwar R. war wie seine Opfer als Flüchtling nach Europa gekommen.

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Ein wichtiges Signal für die internationale Gemeinschaft

Die Bundesanwaltschaft wirft Anwar R. Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere Straftaten vor. Ein Mitarbeiter in der geheimdienstlichen Abteilung von Anwar R. wurde zur gleichen Zeit in Paris von französischen Behörden festgenommen. Die Ermittler des Generalbundesanwalts ließen auch einen weiteren syrischen Geheimdienstmitarbeiter, Eyad A., in Rheinland-Pfalz festnehmen. A. soll Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, außerdem geholfen haben, zwei Menschen zu töten sowie mindestens 2000 Menschen zu foltern.

In den Gefängnissen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad sind seit Beginn der Revolution 2011 Tausende Opfer eingekerkert worden, doch das Regime war auch davor bereits bekannt dafür, Oppositionelle zu foltern oder verschwinden zu lassen. Dass die deutschen Behörden nun erstmals mutmaßliche syrische Folterer festnehmen lassen und voraussichtlich auch in Deutschland vor Gericht stellen werden, wird als ein wichtiges Signal für die internationale Gemeinschaft gewertet. Die hatte sich bisher mit der Verfolgung dieser Menschenrechtsverbrechen durch das Assad-Regime schwergetan. Der Zugang zum Internationalen Strafgerichtshof bleibt verwehrt, da Syrien kein Vertragsstaat ist und im UN-Sicherheitsrat hat bisher die Vetomacht Russland ihre schützende Hand über den Diktator gehalten.

Doch nach dem sogenannten Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht können Genozid, Folter oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch in Deutschland verfolgt werden, selbst wenn weder Opfer noch Täter Deutsche sind und der Tatort im Ausland liegt. Die Staatsanwälte der Bundesanwaltschaft hatten kurz nach Ausbruch der Revolution in Syrien 2011 damit begonnen, Beweise über völkerstrafrechtliche Verbrechen zu sammeln. Dass so viele syrische Flüchtlinge in Deutschland eine Heimat gefunden haben, hilft dabei. Für die Staatsanwälte können sie potenzielle Zeugen sein, oder eben auch: mutmaßliche Täter.

Wie im Fall von Anwar R. und Eyad A.. R. wohnt seit April 2014 in Deutschland, A. seit Mai 2018. Sie sollen beide Syrien 2012 verlassen haben. A. soll laut Bundesanwaltschaft Gruppenführer einer Eingreiftruppe gewesen sein, die der Abteilung von Anwar R. zuarbeitete. Er soll an einem Checkpoint in der Nähe von Syriens Hauptstadt Damaskus stationiert gewesen sein. Etwa 100 Menschen pro Tag sollen dort festgenommen und ins Gefängnis von Anwar R. gebracht worden sein. Außerdem soll A. mit seiner Gruppe Jagd auf fliehende Demonstranten gemacht haben.

Opfer wollen in einem Prozess als Nebenkläger auftreten

Während die Bundesanwaltschaft davon ausgeht, dass R. die Folterungen in seiner Abteilung teilweise befahl und zumindest verantwortete, sehen sie Eyad A. als ein "Rad im Getriebe" der Unterdrückungsmaschinerie des syrischen Regimes. Gegen beide haben Opferzeugen in Deutschland ausgesagt, die Ermittlungen gegen die Männer laufen seit mindestens einem Jahr.

Die Juristen des Berliner European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) haben einige der Zeugen begleitet. Im Namen der Opfer hatten mehrere Anzeigen gegen mutmaßlich Folterverantwortliche eingereicht, unter anderem gegen Jamil Hassan, den Chef des syrischen Geheimdienstes der Luftwaffe. Gegen Hassan erwirkte der Generalbundesanwalt im Sommer einen internationalen Haftbefehl.

Patrick Kroker, Experte des ECCHR für Völkerstrafrecht, kündigte an, dass die Opfer bei einem möglichen Prozess als Nebenkläger auftreten werden. "Das wäre das erste Verfahren gegen syrische Regimangehörige wegen Folter als Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Er forderte: "Es müssen viele weitere folgen. Wir wollen an die Führungsriege von Assad ran, es geht darum, das ganze System aufzudecken."

© SZ vom 14.02.2019/kit - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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