Volksbegehren:Hochburg der Bienenretter

Volksbegehren: Das Volksbegehren setzt sich nicht nur für Bienen ein, sondern generell für mehr Artenschutz.

Das Volksbegehren setzt sich nicht nur für Bienen ein, sondern generell für mehr Artenschutz.

(Foto: Claus Schunk)

Im Landkreis München haben sich 26,5 Prozent der Stimmberechtigten für das Volksbegehren eingetragen - das ist landesweit der zweithöchste Wert. In Baierbrunn und Oberhaching hat sich sogar jeder dritte Stimmberechtigte ins Rathaus bemüht, um sich für mehr Artenschutz einzusetzen.

Von Irmengard Gnau, Michael Morosow und Helena Ott, Baierbrunn/Oberhaching

So sieht also das Land aus, wo den Menschen besonders viel an der Natur liegt: ein kleiner Ort, idyllisch zwischen Isartal und Voralpenland gelegen, mit vielen jungen Familien und einer großen Zahl an Bio-Bauern. 36,5 Prozent aller Wahlberechtigten in Baierbrunn haben sich in die Unterschriftenlisten für das Volksbegehren "Rettet die Bienen" eingetragen. Damit ist die kleine Gemeinde im Süden des Landkreises München bayernweit eine Hochburg der Naturschützer.

Aber auch im übrigen Landkreis liegt den Menschen viel am Schutz der Insekten, Kriechtiere und Vögel vor ihrer Haustür. 26,5 Prozent der Wahlberechtigten haben für das Artenschutz-Volksbegehren unterschrieben. Das ist nach dem vorläufigem Ergebnis der zweithöchste Wert in einem bayerischen Landkreis. Mehr Unterstützung gab es nur in Starnberg, wo 27,7 Prozent der Wahlberechtigten unterzeichneten. In München haben 20,5 Prozent das Volksbegehren unterschrieben, bayernweit 18,4 Prozent. Diese Quoten wurden in allen Städten und Gemeinden des Landkreises überboten. Knapp hinter Baierbrunn liegt Oberhaching mit 33,3 Prozent. Am niedrigsten war die Eintragungsquote in Aschheim (20,7 Prozent) und Garching (20,8 Prozent).

Dass das Interesse am Artenschutz in Baierbrunn besonders groß ist, weil das Artensterben hier besonders deutlich würde, glaubt Bürgermeister Wolfgang Jirschik (Überparteiliche Wählergruppe) nicht. Im Gegenteil: "Gerade weil wir hier noch eine sehr intakte Natur und einen unheimlichen Reichtum an Kleintieren und Vögeln haben, wollen die Leute das schützen", sagt Jirschik, der sich selbst seit mehr als 30 Jahren im Bund Naturschutz engagiert.

Junge Familien und Biobauern

Der Baierbrunner Bürgermeister kann sich auch vorstellen, dass das hohe Ergebnis seiner Gemeinde an den vielen jungen Familien liegt, die aus der Stadt ins Grüne gezogen sind und helfen wollten, den Lebensraum zu erhalten. Selbst die Landwirte hätten das Volksbegehren unterstützt, sagt Jirschik. "Wir haben viele kleine Betriebe, die schon früh auf ökologische Landwirtschaft umgestiegen sind."

Volksbegehren: Das Volksbegehren setzt sich nicht nur für Bienen ein, sondern generell für mehr Artenschutz.

Das Volksbegehren setzt sich nicht nur für Bienen ein, sondern generell für mehr Artenschutz.

(Foto: Claus Schunk)

In Oberhaching ist die Situation eine andere. Auch hier gibt es noch einige aktive Landwirte, allerdings arbeiten diese alle konventionell. Naturschützer wie Eike Hagenguth klagen hier schon seit Jahren über einen Rückgang an Fluginsekten, Vögeln und Amphibienarten. Grünen-Gemeinderat Claus Katzer glaubt, dass in Oberhaching deshalb so viele Menschen für das Volksbegehren gestimmt haben. "Man konnte den Artenschwund hier mitverfolgen", sagt Katzer. Er hofft, dass sich nach dem deutlichen Erfolg der Unterschriftensammlung jetzt auch die Oberhachinger Bauern überzeugen lassen, dass "Landwirtschaft auch ohne Gift und im Einklang mit der Natur wirtschaftlich rentabel sein kann".

Und doch verbindet Oberhaching etwas mit Baierbrunn: Auch hier leben viele junge Familien. "Endlich haben wir wieder junge Neumitglieder bei den Grünen, früher waren wir Achtundsechziger mit den Umweltthemen unter uns", sagt Katzer.

Angesichts des klaren Ergebnisses des Volksbegehrens ist dem Schäftlarner Landwirt und CSU-Gemeinderat Georg Lang eher danach zumute "Rettet die Bauern" zu rufen statt "Rettet die Bienen". Die Betroffenheit und Resignation bei den Landwirten sei noch nie so groß gewesen wie jetzt, sagt Lang und prophezeit ein Hofsterben. Dass in seiner Gemeinde mit 30,4 Prozent das drittbeste Ergebnis aller 29 Kommunen im Landkreis erzielt worden ist, bezeichnet Lang als "hammermäßig".

Der Landwirt in Nebentätigkeit führt das auf die Tatsache zurück, dass die Grünen im Ort stark aufgestellt seien und im Gemeinderat fünf von 20 Sitze haben. Zum anderen aber sieht Lang eine "besonders hohe Sensibilisierung" beim Thema Artenschutz, was in seinen Augen die hohe Eintragungsquote erklärt. Dabei sei Schäftlarn im Landkreis die Gemeinde mit dem geringsten Flächenfraß. Der Landwirt setzt seine Hoffnung nun auf den alternativen Gesetzesvorschlag, den Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigt hat.

Aber nicht nur Gemeinden im Süden des Landkreises stechen bei der Beteiligung hervor. Auch in Unterschleißheim (27,3 Prozent) und Hohenbrunn (30,3 Prozent) haben sich mehr Menschen für das Volksbegehren stark gemacht als im Landkreisdurchschnitt. Dabei fällt auf: In beiden Orten, so unterschiedlich sie strukturell auch sind, gab es starke überparteiliche Bündnisse, die in den vergangenen Wochen mit Aktionen, Infoständen, Plakaten und mehr für das Volksbegehren geworben haben.

"Ich glaube, die Zeit ist reif."

"Es ist ein Riesenerfolg, dass dieses Thema jetzt endlich in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen ist", sagt Bernd Knatz, Sprecher des Schleißheimer Aktionsbündnisses und Unterschleißheimer ÖDP-Stadtrat, dementsprechend glücklich. Dass es in ihren Kommunen und im ganzen Landkreis solch eine hohe Stimmbeteiligung gab, führen Knatz wie auch Martina Kreder-Strugalla vom Aktionsbündnis Hohenbrunn-Ottobrunn vor allem auf übergeordnete Gründe zurück. "Ich glaube, die Zeit ist reif, dass die Leute verstehen, wie komplex unser Ökosystem ist und welche Lawine losgetreten wird, wenn ein Teil herausfällt", sagt Kreder-Strugalla, die die Grünen im Hohenbrunner Gemeinderat vertritt.

Aus der großen bayernweiten Zustimmung zum Volksbegehren liest die Gemeinderätin auch die Sorge viele Bürger heraus, "dass da etwas in die falsche Richtung läuft".

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