Streit um Straßenbaukosten:In den Rathäusern liegen die Nerven blank

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Wer soll den Straßenbau bezahlen? (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Diskussion über Erschließungsbeiträge für Altstraßen wird immer heftiger. Brunnthals Gemeinderat beschließt, vorerst kein Geld von Anliegern zu erheben.

Von Bernhard Lohr, Brunnthal

Müssen Haus- und Grundstücksbesitzer nachträglich für den erstmaligen Ausbau ihrer Anliegerstraßen bezahlen? Oder werden sie unnötig von den Gemeinden zur Kasse gebeten? Der Streit über die Erhebung von sogenannten Ersterschließungsbeiträgen bei Altfällen droht aus dem Ruder zu laufen, seit sich Minister der Staatsregierung im Widerspruch zur geltenden Rechtslage äußern. Wie blank die Nerven mittlerweile liegen, zeigte sich am Mittwochabend in einer Sitzung des Gemeinderats in Brunnthal.

Dort sah sich Bürgermeister Stefan Kern (CSU) massiven verbalen Angriffen aus den Reihen des Gemeinderats ausgesetzt. Ihm wurde vorgehalten, er würde mit "Drohungen und Einschüchterungen" arbeiten und Gemeinderäte unter Druck setzen. Der Wortführer der Rebellen im Gemeinderat, Siegfried Hauser (PWB), berief sich auf jüngste Äußerungen von Innenminister Joachim Herrmann (CSU), wonach es Gemeinderäten anheim gestellt sei, auf Beiträge zu verzichten. "Schau her, wie wir zittern", wies er in Richtung des Bürgermeisters dessen Warnungen als grundlos zurück. Das Thema hat nicht nur in Brunnthal Brisanz. Je nach Straße und Grundstücksgröße geht es für Anlieger um Beträge bis zu 10 000 Euro, die fällig werden, wenn die Gemeinden alte Erschließungsfälle aufrollen.

Knapp 25 Anlieger verfolgten in Tuchfühlung zu den Gemeinderäten die Debatte in Brunnthal, die turbulent verlief und auch ins Persönliche abglitt. Anlieger hatten zuvor Unterschriften gegen einen Straßenausbau und gegen Beiträge gesammelt. Eine Klärung brachte der Abend nicht, obwohl in Christoph Steiner von der Rechtsaufsicht im Landratsamt jemand mit am Gemeinderatstisch saß, der wissen müsste, was Sache ist. Doch der Jurist musste sich phasenweise von Hauser vorführen lassen.

Der Landrat wartet auf eine Klarstellung

Hauser wedelte etwa mit dem Ausdruck einer Nachrichtenseite des Bayerischen Rundfunks und verwies auf dort zitierte Aussagen von Herrmann. Die Staatsregierung wolle die Kommunen "auf gar keinen Fall unter Druck setzen", das Geld einzutreiben, wird der Minister darin zitiert. "Ganz im Gegenteil. Das liegt im freien Ermessen der Kommune." Steiner zeigte sich überrascht und sagte: Ihm sei kein neuer Stand bekannt. Der Landrat habe den Innenminister schriftlich um Klarstellung gebeten. Eine Antwort stehe aus.

Tatsächlich hat Herrmann den Satz, auf den sich Hauser beruft, bereits vor einiger Zeit im Landtag gesagt. Wenn man die Aussage ganz liest, zeigt sich, dass er etwas vage in der Frage bleibt, ob er sich damit nur auf nicht abgerechnete oder auch nicht fertiggestellte und deshalb nicht abgerechnete Straßen bezieht. Auch sagte Herrmann, dass es ja nicht viele Betroffene gebe. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) wiederum hat wiederholt gesagt, dass Beiträge für Ersterschließung nicht zwingend einzutreiben seien.

Kommentar
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Die irritierenden Äußerungen aus der Staatsregierung zu Straßenerschließungsbeiträgen haben nicht nur finanzielle Auswirkungen in den Kommunen

Von Bernhard Lohr

Hauser berief sich bei seinem Angriff auf Brunnthals Bürgermeister auch auf Aussagen der FW-Landtagsabgeordneten Florian Streibl und Bernhard Pohl. Doch so eindeutig sich die Lage für manchen Brunnthaler Gemeinderat darstellt, sehen das andere nicht. Der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU), forderte am Donnerstag den Freistaat auf, dem Verwirrspiel ein Ende zu setzen. Äußerungen von Landespolitikern "widersprechen den Vorgaben des Erschließungsbeitragsrechts und des Haushaltsrechts", sagte er.

Die Frage, wie der Bau von Straßen finanziert werde und auch die im Raum stehende Haftungsfrage dürften "nicht auf dem Rücken der Bürgermeister ausgetragen werden". Sollten die Staatsregierung und der Landtag den Wunsch haben, dass Kommunen darauf verzichteten, Beiträge für Altanlagen einzuziehen, "muss das Kommunalabgabengesetz entsprechend geändert werden". Auch müsse ein vollständiger finanzieller Ausgleich her.

Ausgangspunkt für den Ärger in vielen Kommunen ist ein Gesetz von 2016, das Fertigstellung und Abrechnung gewisser Altstraßen bis zum Jahr 2021 vorschreibt. Ansonsten würden die Beiträge verfallen. Dann drohe eine Haftung der verantwortlichen Kommunalpolitiker, sagte Christoph Steiner von der Rechtsaufsicht in Brunnthal. Entscheidend sei die Gesetzeslage. Auch Bürgermeister Kern betonte, er könne sein Handeln nur an Gesetzen ausrichten.

Die Gemeinderäte stimmten am Ende mehrheitlich für einen von Anouchka Andres (SPD) initiierten Antrag, alle Bestrebungen zur Erhebung von Beiträgen einzustellen, solange die Rechtslage nicht geklärt ist.

© SZ vom 15.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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