Slalom bei der Ski-WM:Neureuther scheidet aus und schimpft

Slalom bei der Ski-WM: Felix Neureuther nach dem zweiten Slalom-Durchgang.

Felix Neureuther nach dem zweiten Slalom-Durchgang.

(Foto: Jonathan Nackstrand/AFP)
  • Felix Neureuther fädelt bei der WM in Are im zweiten Slalom-Durchgang ein und wird disqualifiziert.
  • Der Österreicher Marcel Hirscher holt Gold vor seinen Team-Kollegen Michael Matt und Marco Schwarz.
  • Neureuther verbindet seine sportliche Zukunft mit Veränderungen im Deutschen Ski-Verband (DSV).

Von Johannes Knuth, Are

Die Medaille, die wird wohl für immer im Schnee von Are vergraben bleiben. Irgendwo am Fuß des Areskutan-Hangs, wo der Skirennfahrer Felix Neureuther vor zwölf Jahren einen seiner ersten denkwürdigen Auftritte hatte. Die alpine Ski-WM fand damals auch in Are statt, Neureuther war im zweiten Lauf des Slaloms furios unterwegs, Silber hätte es werden können. Und dann: Schied er aus. Mal wieder, wie es damals oft noch hieß.

Doch während die Betreuer im Zielraum Staatstrauer trugen, war Neureuther erst mal damit beschäftigt, einem Adjutanten des schwedischen Königshauses seine Startnummer zu übergeben. Die Prinzessin hatte sich das Leibchen gewünscht, und plötzlich, der Adjutant war schon weg, hüpfte Neureuther über eine Absperrung und suchte nach dem königlichen Diener. "Hatte ganz vergessen, meine Handynummer auf das Trikot zu schreiben", sagte er den verdatterten Betreuern später.

Are und Neureuther, das wird am Ende als eine Beziehung in die alpine Historie eingehen, die reich an Anekdoten ist, allerdings frei vom ganz großen Erfolg. Denn Neureuther blieb auch am Sonntag, zwölf Jahre nach seiner royalen Erlebnisfahrt, die erhoffte Medaille verwehrt. Er schlug sich noch mal wacker auf dem langen, tückischen Hang, es hätte am Ende wohl für Platz sechs gereicht - aber der Videobeweis zeigte später, dass er kurz vor dem Ziel an einem Tor eingefädelt hatte.

"Bitter", befand Neureuther, wobei: An die Besten wäre er ohnehin nicht ganz herangekommen. An Marcel Hirscher schon gar nicht, der war wieder mal über den Hang gerauscht, als habe jemand die Vorspultaste gedrückt. Nebenbei sicherte er den Österreichern im letzten Wettrennen dieser WM die erste Goldmedaille. Und auch Michael Matt und Marco Schwarz, Hirschers Teamkollegen, die Silber und Bronze gewannen, waren etwas zu stark.

Das war auch eine Erkenntnis dieser WM: dass sich die Comebacks, die Neureuther in den vergangenen Wintern aufgeführt hatte, halt nicht mehr so einfach duplizieren lassen; dass die Zeit sich auch für einen 34-Jährigen nicht einfrieren lässt. Was am Sonntag natürlich noch mal die Frage aufwarf: Geht es überhaupt noch weiter für ihn, und wenn ja, wie lange?

Are war Neureuthers neunte und letzte WM, das hatte sich in den letzten Tagen zunächst abgezeichnet. Sie war auch deshalb wieder eine bemerkenswerte, weil sie in weiten Teilen das nacherzählte, was Neureuther in den 16 Jahren zuvor widerfahren war: Hoffnungen, Rückschläge, an die er dann doch wieder starke Auftritte knüpfte. Allein in diesem Winter: das Comeback nach dem Kreuzbandriss. Daumenbruch. Trainingssturz. Schleudertrauma. Ein paar achte Plätze, düstere Gedanken: "Will mein Körper mir etwas sagen?"

Vor Are dann noch eine Erkältung, ein heftiger Sturz im Training, auf dem Parkplatz fiel ihm die Tür vom Kofferraum auf den Kopf. "Da liegst du den ganzen Tag beim Physio, mit einem Loch im Kopf", sagte Neureuther. Und trotzdem habe er seine "beste Saisonleistung" gezeigt, zumindest bis zur letzten Kuppe, wie er mit Recht reklamierte. Und nun?

Er wolle das Weltcupfinale im März noch bestreiten, dann eine Entscheidung verkünden, betonte Neureuther noch einmal. In Are hatten sich zuletzt auch die Anzeichen verdichtet, dass danach Schluss ist. Allerdings stieß Neureuther am Sonntag eine bemerkenswerte Hintertür auf: Die deutschen Technik-Fahrer seien in diesem Winter schlecht aufgetreten, ob er weitermache, hänge auch davon ab, "in welche Richtung der Verband da ziehen will. Wenn ich das Gefühl habe, dass es die richtige Richtung ist", dann hätte er schon noch Lust, sagte Neureuther. Aber: "So wie es momentan ist, lass ich es lieber bleiben." Was er damit meine? Das sei intern. Liege es an den Trainern? Nein, nein. Man habe sich als Mannschaft einfach schlecht präsentiert, mit Ausnahme von Dominik Stehle und Stefan Luitz. Wolfgang Maier, der Alpindirektor im deutschen Skiverband, entgegnete: "Ich weiß, was er meint, aber ich sehe das nicht so dramatisch." Außerdem gehöre das nicht in die Öffentlichkeit.

Er würde massiv fehlen

Worauf sich alle in Are einigen konnten: dass Neureuther dem Team massiv fehlen würde, sollte er bald tatsächlich aufhören. "Ein Sportler wie Felix ist schon für alle etwas Besonderes", hatte Maier unter der Woche gesagt. Da sind zum einen die Erfolge, drei WM-Medaillen im Slalom, 13 Weltcup-Siege, mehr als 50 Podiumsbesuche.

Zum anderen sprach Neureuther stets auch viele Zuschauer an, die sich nicht fürs Skifahren interessieren, zum Beispiel, wenn er der schwedischen Prinzessin hinterhertelefonieren wollte oder Sportfunktionäre kritisierte. Neureuther, sagte Maier, war auch "ein Schutzschild über Jahre hinweg für viele andere, die ohne ihn wahrscheinlich nie so eine unberührte Entwicklung hätten nehmen können". Allerdings hatten sie im DSV in den vergangenen Jahren auch immer mal anklingen lassen, dass ihr bestes Rennpferd mit etwas mehr Trainingseifer durchaus noch ein paar sportliche Erfolge mehr hätte erreichen können. Ähnliches gelte auch für diesen Winter, das ließ sich in Are immer mal wieder vernehmen.

Sollte Neureuther demnächst tatsächlich abtreten, steht es um seine Nachfolge nicht gerade rosig, zumindest im Lager der Techniker. WM-Debütant Anton Tremmel war am Sonntag als 25. bester DSV-Athlet, Dominik Stehle schied nach couragierter Fahrt aus - aber insgesamt, sagte Maier, gehe er "mit einem wesentlich besseren Gefühl" aus der WM als noch vor zwei Jahren.

Das deutsche Team war ersatzgeschwächt nach Are gereist, ohne Kitzbühel-Sieger Thomas Dreßen und Andreas Sander. Und Stefan Luitz erlitt nach seinem turbulentem Winter im Riesenslalom am Freitag auch noch einen Innenbandriss - Saison vorbei. Dafür beschaffte ihnen Viktoria Rebensburg zumindest eine Silbermedaille, das war das Minimalziel gewesen, und viele Nachwuchskräfte präsentierten sich ansprechend - von Alexander Schmid, der Achter im Riesenslalom wurde, bis hin zu Kira Weidle, 13. in der Abfahrt.

Bleibt nur die Frage, wie lange diese Entwicklung noch mit dem großen Schutzschild vonstatten geht.

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