Archäologie:Ein Blick in das dunkle Jahrhundert

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So wurden der Schädel und das ihn umgebende Stirnband mit den Lämmern im Kammergrab aufgefunden. (Foto: ProArch)

Das Grab einer Frau in Pförring gehört zu den seltenen Zeugnissen aus der Zeit zwischen dem Untergang des Römerreichs und der Entstehung Bayerns

Von Hans Kratzer, München

Archäologen sind in der Regel zurückhaltende Menschen, die in ihrem Urteil weniger zur Euphorie als zur Mäßigung neigen. Dass sogar sie nach der Entdeckung eines spätantiken Grabes im Markt Pförring (Landkreis Eichstätt) im Jahr 2016 von einem "Jahrhundertfund" sprachen, erregte natürlich großes Interesse. In einem Neubaugebiet war ein üppig ausgestattetes und vollständig erhaltenes Kammergrab aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts zum Vorschein gekommen. Einzigartig war der Fund auch deshalb, weil er aus einer Umbruchzeit stammt, in der das römische Imperium zu Ende ging. Generell ist nur wenig bekannt über die damaligen Zustände, denn archäologische und historische Quellen aus jener Zeit sind äußerst rar.

Unter den vielen Beigaben des Pförringer Grabs stechen 16 Beschläge aus vergoldetem Silberblech hervor, die erkennbar Lämmer darstellen. Dies scheint auf den ersten Blick nichts Außergewöhnliches zu sein, Lämmer waren in der antiken Kunst keine Seltenheit. Für die Archäologie aber bedeuten diese Artefakte eine Sensation. Das Pförringer Grab ist mittlerweile restauriert, in den kommenden Jahren soll sein Inhalt im Rahmen einer Dissertation archäologisch ausgewertet werden. Danach könnte die Frage geklärt sein, ob es sich bei den Lämmern um ein Zeugnis des christlichen Glaubens handelt. In diesem Fall wäre das Kammergrab von Pförring das älteste Grab mit christlicher Symbolik, das bislang in Bayern entdeckt wurde. "Beweisen lässt sich das noch nicht", sagt der Archäologe Hubert Fehr, aber die christliche Ausrichtung ist für ihn eine plausible Erklärung für die Lämmer im Grab. Warum, das erläuterte er am Montag bei einem Vortrag im Landesamt für Denkmalpflege.

Die Grabkammer war zweistöckig angelegt, aus Holz gezimmert und etwa drei mal drei Meter groß. Sie wurde komplett unter der Erde vergraben, kein Hügel deutete auf das Grab hin. Vermutlich lebte die in dem Grab bestattete Frau in einer germanischen Siedlung, die zwischen 400 und 450 nach Christus nur ein paar hundert Meter von der Grenze zum Römerreich entfernt lag, wie Fehr erläuterte.

Die Frau wurde nur gut 20 Jahre alt, war aber mit 1,70 Meter für damalige Verhältnisse erstaunlich groß. Fehr ordnet sie einer gehobenen Gesellschaftsschicht zu, worauf auch die Grabbeigaben hindeuten, etwa ein goldener Fingerring, Perlenketten aus Bernstein, Glas und Koralle sowie Keramikgefäße, Schalen und Glasbecher.

Fehrs Hauptinteresse aber gilt der Stirn der Toten, die mit einer Art Stirnband bedeckt war. Es besteht aus 16 Beschlägen aus vergoldetem Silberblech, die wiederum Lämmer darstellen, aufgestellt in zwei Reihen. Hier setzt Fehr mit seiner Theorie an. Lämmer seien in jener Zeit ein spezifisch christliches Motiv, sagt er. Die Frage, ob es sich um ein Zeugnis des christlichen Glaubens der bestatteten Frau handelt, drängt sich für ihn förmlich auf. Im Römischen Reich habe es nur Artefakte mit hirschartigen Tieren gegeben, sagt Fehr. Lämmer und Schafe gehörten wiederum in der frühen christlichen Kunst zu den häufigsten Tierdarstellungen. Den Prototyp einer doppelten Lämmerreihe entdeckte Fehr in einer Darstellung der Apsis der alten Peterskirche von Rom, die um 320 nach Christus von Kaiser Konstantin errichtet worden war. Im 16. Jahrhundert musste dieser Bau dem jetzigen Petersdom weichen. Was dort zu sehen war, ist trotzdem bekannt, da Gelehrte vor dem Abriss der Kirche die Mosaike abzeichneten.

"Eine solche Grabbeigabe sagt etwas über das Bekenntnis der bestatteten Person aus - erst recht, wenn sie prominent auf der Stirn getragen wird", ist sich Fehr sicher. Die christliche Kunst ist um diese Zeit langsam im Entstehen begriffen. Schafe spielen darin große Rolle, die Darstellung von Christus als guter Hirte und als Lamm Gottes ist bis heute geläufig.

Nicht ins Schema passt, dass die Tote außerhalb des römischen Reichs bestattet wurde. Allerdings breitete sich das Christentum bereits über die Grenzen des Imperiums hinweg aus. Unabhängig davon, ob das Kammergrab von Pförring das älteste Grab christlichen Bekenntnisses in Bayern ist, belegen die Beigaben weitreichende Beziehungen der Bevölkerung, die damals jenseits der Grenzen des spätrömischen Reichs lebte.

© SZ vom 19.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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