Arbeit:Verantwortung weltweit

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Sollen Unternehmen verpflichtet werden, für die Einhaltung von Menschenrechten auch bei Lieferanten in Entwicklungsländern zu sorgen? Die Bundesregierung prüft das.

Von Caspar Dohmen, Berlin

Es sind die Toten in Textilfabriken, die modernen Sklaven auf Fischtrawlern oder an Pestiziden erkrankte Landarbeiter, die ein Schlaglicht auf die negativen Folgen der globalen Arbeitsteilung werfen und die Frage nach der Verantwortung von Konzernen in den reichen Industriestaaten aufwerfen. Deutschland setzt bei der Beseitigung solcher Missstände bislang auf freiwillige Regeln. Von kommendem Herbst an soll geprüft werden, ob dies funktioniert. Sollte sich herausstellen, dass die freiwillige Selbstverpflichtung nicht ausreicht, "sind gesetzliche Regeln vorgesehen", sagt ein Sprecher des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Das Ministerium hat bereits "Eckpunkte" eines solchen Gesetzes entwickelt, es geht um soziale und ökologische Standards. Andere europäische Länder sind in puncto Verbindlichkeit schon weiter. Großbritannien etwa hat 2015 den "Modern Slavery Act" eingeführt. Alle Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 36 Millionen Pfund müssen seitdem jährlich offenlegen, was sie unternommen haben, um gegen Menschenhandel und Sklaverei in ihrer gesamten Lieferkette vorzugehen. Allerdings sind die Unternehmen nicht verpflichtet, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Es geht bei dem Gesetz nur um Transparenz. Dahinter steht die Idee, dass im Falle von Missständen der öffentliche Druck auf ein Unternehmen dermaßen zunehmen wird, dass es sein Verhalten ändert und die Missstände beseitigt. An die gesetzliche Berichtspflicht halten sich mittlerweile fast alle der 12 000 betroffenen Unternehmen, was vor allem daran liegen dürfte, dass ein Mitglied der Geschäftsführung unterschreiben muss und deshalb in den Firmen die Compliance-Abteilung zuständig ist. Kritiker bemängeln die Beschränkung auf den Missstand der modernen Sklaverei und die Berichtspflicht. Um zu konkreten Maßnahmen zu kommen, brauche es eine "Sorgfaltspflicht, also einen Verhaltensmaßstab für Unternehmen", sagt Cornelia Heydenreich von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch.

Diesen Schritt hat Frankreich mit der "Loi de Vigilance" 2017 gemacht. Das Gesetz schreibt eine umfassende menschenrechtliche Sorgfaltspflicht für Unternehmen fest. Entsprechend können die 100 bis 150 größten Unternehmen des Landes, darunter Total, L'Oréal, Danone oder Areva, unter bestimmten Umständen für schwere Menschenrechtsbeeinträchtigungen und Umweltschäden haftbar gemacht werden. Dabei müssen Unternehmen nicht nur auf ihre eigenen Tätigkeiten achten, sondern auch Tochter- und Subunternehmen sowie Zulieferer berücksichtigen. Letzteres ist eine gravierende Änderung. Kein Unternehmen kann mehr darauf verweisen, dass es als Auftraggeber mit den Zuständen bei einem selbstständigen Zulieferer nichts zu tun hat. Frankreich nimmt seine Unternehmen aber nur dann in die Verantwortung für die Zustände bei einem Zulieferer, wenn eine etablierte Geschäftsbeziehung besteht und die menschenrechtlichen Probleme mit der Geschäftsbeziehung zusammenhängen.

Wichtig auch: Es gibt ein Verbandsklagerecht, entsprechend können also Verbände für Betroffene klagen. Das erleichtert Klagen ungemein. Gerade für Betroffene aus Entwicklungsländern ist es schwierig, individuell zu klagen. Das scheitert oft schon am fehlenden Geld. Unklar geregelt im Gesetz ist allerdings die Beweislast. Ein Betroffener dürfte also Schwierigkeiten haben, einem Unternehmen vor Gericht nachzuweisen, dass es eine Verletzung von Menschenrechten verursacht hat.

In Großbritannien und Frankreich gibt es Gesetze - daraus kann man lernen

Menschenrechtsorganisationen bemängeln zudem die Beschränkung auf Unternehmen mit mindestens 5000 Beschäftigten auf französischem Territorium oder 10 000 Beschäftigten weltweit. "Das sollte in Deutschland anders gemacht werden", sagt Heydenreich. Neben den beiden verwirklichten Ansätzen in Großbritannien und Frankreich gibt es weitere Initiativen: Die Niederlande debattieren über ein Gesetz zu Sorgfaltspflichten bei Kinderarbeit, und in der Schweiz gibt es einen Gesetzesvorschlag für eine umfassende Konzernverantwortung.

Schon heute sind deutsche Unternehmen oder ihre Töchter über ihre Lieferketten von diesen Regelungen betroffen - direkt oder indirekt. Was darauf folgt, gefällt dem Bundesverband Deutscher Industrie nicht. "Es ist kontraproduktiv, unternehmerische Aktivitäten in Drittstaaten faktisch zu untersagen, wenn dort stabile staatliche Strukturen fehlen", sagt Holger Lötsch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer. "Dann gehen Investitionen in Arbeitsplätze, Umwelt- und Sozialstandards verloren." Und das stehe im Widerspruch zum Wunsch der Bundesregierung, die Entwicklungszusammenarbeit durch ein größeres Engagement von Unternehmen zu stärken. Aber es gibt auch deutsche Unternehmen, die ein verbindliches Gesetz für Unternehmensverantwortung offen befürworten, etwa der Textildiscounter Kik oder Tchibo. Andere Unternehmen zeigen sich da etwas zurückhaltender und würden ein europäisches Gesetz bevorzugen.

© SZ vom 21.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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