Cybersicherheit:Beim Wettrüsten im Netz sind alle Verlierer

FILE PHOTO: A map of China is seen through a magnifying glass on a computer screen showing binary digits in Singapore

China-Karte über Einsen und Nullen

(Foto: REUTERS)

Spionage, Sabotage, Cyberattacken. Alle fürchten sich davor, doch niemand tut etwas dagegen. Dabei gibt es gute Ideen, wie die Eskalation im Internet gestoppt werden kann.

Kommentar von Georg Mascolo

Noch ist sie nicht gefallen, die Entscheidung, ob Huawei in Deutschland vom Bau des Internets der Zukunft ausgeschlossen wird. Aber hört man sich um in Berlin, dann sieht es nicht gut aus für den Stolz der Volksrepublik. Zu groß ist die Sorge, dass der neue Mobilfunkstandard 5G mit Huawei-Bauteilen für Spionage oder gar Sabotage anfällig werden könnte. Es gäbe trotz aller Überprüfungen keine Garantie, dass keine Hintertüren eingebaut, keine Software manipuliert sei, argumentieren Experten. China Free müsse deshalb - mindestens im sogenannten Kernnetz - die Lösung heißen. Der größte Handelspartner der Deutschen wäre damit brüskiert.

Und doch wäre eine solche Entscheidung vertretbar. Schließlich kommen aus China immer wieder Cyber-Attacken gegen Deutschland, ein undurchsichtiges Geheimdienstgesetz könnte den Konzern nach Überzeugung der Bundesregierung womöglich dazu zwingen, seine Technik für Angriffe zur Verfügung zu stellen. Zugleich gilt es, sich angesichts der Huawei-Diskussion endlich mit der größeren Frage zu beschäftigen: Wie soll es weitergehen mit dem Internet, wenn in jedem Bauteil, jedem Chip, vielleicht jedem Telefon ein Risiko stecken kann? Das Misstrauen wächst so schnell wie die Märkte. Die Folgen für Handel und Wirtschaftsbeziehungen könnten gewaltig werden.

Wie ist Welthandel denkbar, wenn alles gefährdet ist?

Was hätte es eigentlich einst für die wirtschaftliche Entwicklung und den Handel in der Welt bedeutet, wenn die Gefahr bestanden hätte, dass man Autos ins Lenkrad greifen kann? Oder Flugzeuge per Knopfdruck vom Himmel holen? Wer hätte da noch in welchem Land eingekauft?

Wie keine andere Technologie revolutioniert die Digitalisierung das Leben. Dass sie zugleich unsicher, störanfällig und verwundbar ist, zeigt die zunehmende Zahl der Cyberattacken. Viele Staaten balancieren auf einem gefährlichen Grat: Einerseits wollen sie Sicherheit für ihre eigenen Bürger, andererseits entwickeln sie immer raffiniertere Cyberwaffen. Ein riesiger Markt für Sicherheitslücken in Computerprogrammen ist entstanden, Staaten kaufen sie für Millionenbeträge an, um sie im eigenen Cyberarsenal einzubauen. Was da entwickelt wird, ist auf keiner Militärparade zu sehen. Es muss nichts mehr in die Luft gejagt werden. Ein Klick kann reichen, um die Funktionsfähigkeit der Wasser- oder Elektrizitätsversorgung zu unterbrechen. Für den Krieg der Zukunft darf das Netz nicht so sicher sein, wie es sein könnte. Und müsste.

Die USA beklagen zu Recht, was ihnen Hacker aus China und Russland antun. Was sie selbst tun, gilt als Staatsgeheimnis. Lange spionierte der Abhördienst NSA die Huawei-Zentrale aus und suchte nach vermuteten (und offenbar nicht gefundenen) Hintertüren. Aber nicht, um die eigene Bevölkerung davor zu warnen. Sondern um die versteckten Zugänge dann selbst zu nutzen. Wer die Netze beherrscht, hat einen Vorteil. Niemand weiß dies besser als die USA, hier wurde das Netz erfunden. China einen Vorsprung zu verweigern ist nun Ziel der US-Regierung. Auch deshalb macht sie in Sachen Huawei solchen Druck auf Deutschland und andere Verbündete.

Spionage und militärischen Wettlauf hat es immer gegeben. Nun zieht er eine Technologie in Mitleidenschaft, an der alles hängt. Darf man jetzt gar keine Technologie mehr in China kaufen? Soll man - die Erinnerung an die NSA-Affäre ist noch frisch - stattdessen auf US-Anbieter setzen? Obwohl sie ihre Apple-iPhones in China zusammenbauen lassen? Trauen Europäer künftig nur noch Europäern?

Sabotage im Netz kann unberechenbare Folgen haben

Die gravierenden Konsequenzen dieser Entwicklung sind lange bekannt, der damalige US-Präsident Barack Obama warnte bei seinem Abschiedsbesuch in Berlin vor einem "Rüstungswettlauf im Netz". Aber nichts geschieht. Die Technologie boomt. Die Suche nach Regeln aber kommt nicht voran. Ein großer Wurf ist angesichts der neuen Weltunordnung kaum zu erwarten. Aber für erste vertrauensbildende Schritte ist es höchste Zeit. Vorschläge gibt es genug. Die Internet-Industrie verlangt eine digitale "Genfer Konvention", die Zivilisten vor Cyber-Angriffen schützt. Die UN dringen darauf, die Regeln für bewaffnete Konflikte auf die digitale Welt zu übertragen: Maschinen und Daten zu beschädigen wäre dann ebenso verboten, wie etwas physisch in die Luft zu jagen. Von NGOs kommt die Forderung eines Nichtangriffspakts für die internationalen Finanzmärkte. Oder in einem ersten Schritt Wasserwerke, Krankenhäuser und Atomkraftwerke auf eine Liste geschützter Ziele zu setzen.

Aber nirgends gibt es Fortschritt. Jeder klagt, was ihm angetan werde oder werden könnte. Doch zu viele Akteure wollen nicht auf die Möglichkeit verzichten, es ebenfalls zu tun. Da ist jener Mechanismus am Werk, der schon früher Wettrüsten ausgelöst und begünstigt hat. Erst die Erkenntnis, dass es keinen Sieger, aber viele Verlierer geben wird, konnte diese Zyklen durchbrechen. Nirgends ist diese Einsicht so wichtig wie im Internet.

Zur SZ-Startseite
Dmitri Alperovitch

Cybersicherheit
:"30 Prozent aller Angestellten klicken auf alles, was du ihnen schickst"

Dmitri Alperovitch, Mitgründer der IT-Sicherheitsfirma Crowdstrike, über die Frage, warum russische Hacker die schnellsten sind, was an Nordkorea innovativ ist und warum KI seine Firma nie ersetzen wird.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: