Chanel:Karl Lagerfeld hat das Protzen schick gemacht

FILE PHOTO: British model Stella Tennant walks with designer Karl Lagerfeld during the Metiers D'Art Show for Chanel fashion house in Paris

Karl Lagerfeld und das Model Stella Tennant bei einer Chanel-Show in Paris im Jahr 2011.

(Foto: Reuters)

Früher wurde das Chanel-Logo diskret in die Kleider eingenäht. Unter Lagerfeld wurde es zu einem Fetisch. Doch steckt dahinter vielleicht sogar eine emanzipative Leistung?

Gastbeitrag von Barbara Vinken

Die längste Zeit und am erfolgreichsten hat Karl Lagerfeld unter fremdem Namen gearbeitet. Von 1983 bis zu seinem Tode leitete er das Haus Chanel. In diesem knappen halben Jahrhundert hat Lagerfeld das sagenhafte Haus Chanel aus dem Dornröschenschlaf erweckt und zu einem noch sagenhafteren Haus gemacht. Wie Coco Chanel, deren Eleganz Roland Barthes mit der klassischen Eleganz Racines verglich, war Lagerfeld ein Mann nicht nur des Textils, sondern auch der Texte. Mit einem Buch zu Hause, fand er, sei er in besserer Gesellschaft als unter Menschen. Immer wieder hat er seine riesigen Bibliotheken hergezeigt: 30 000 Bücher; oder waren es gar unglaubliche 300 000?

Vielleicht sind die Buchstaben für Lagerfeld sogar wichtiger gewesen als Kleider. Denn es sind Buchstaben, die beiden ineinander verschlungenen CC, die Initialen Coco Chanels, die Lagerfeld unübersehbar zu den begehrtesten Buchstaben im Modehimmel, zur griffe unter den griffes, zum Logo aller Logos gemacht hat. Das It-Item, für das die Modefreaks in aller Welt ihr letztes Hemd geben würden.

Die Zeitung Libération hat eine Kollektion von Lagerfeld mit dem Brandmarken einer Büffelherde verglichen: Wie die Büffel mit dem Brandzeichen ihrer Besitzer, so seien die Mannequins mit der griffe Chanel gezeichnet. Das wurde besonders deutlich, als Lagerfeld 2014 seine Models als Feministinnen, ausstaffiert mit Megafon und Schildern, auf den Laufsteg schickte. Vielleicht kämpften sie für Gleichberechtigung; sicher aber liefen sie alle für Chanel Reklame. Und das trotz Simone de Beauvoirs Forderung, den Frauen müsse es vor allem darum gehen, sich von ihrer Verdinglichung zur Modepuppe zu emanzipieren, sich davon befreien, das Luxusaushängeschild des Mannes an ihrer Seite zu sein.

Die Logomanie, die viele Leute dazu bringt, sich wie Litfaßsäulen mit den exquisitesten Designernamen zu behängen, hat Lagerfeld unglaublich befördert. Zu Zeiten Chanels waren diese Namen diskret in die Kleider eingenäht. Alles andere hätte jede Frau vulgär gefunden. Denn das Kleid soll schließlich "dich" unterstreichen, nicht du sollst für den Namen der Designer schaulaufen. Und allen geschmacklos protzend zeigen, was du dir leisten kannst. Ein geübtes Auge konnte auf ein unübersehbares Logo gut verzichten.

Lagerfeld hat die Chiffre CC globalisiert und popularisiert, mit ihr hat er den japanischen, chinesischen und arabischen Markt erobert. In vielen Teilen der Welt stehen die verschlungenen Lettern CC, die so dekorativ wie unübersehbar auf Puderdosen, Nagellack, Taschen, Gürteln, Schuhen prangen, als Kürzel für Mode insgesamt. Für das, was Garant meines Angesagtseins ist. Für meine Teilhabe an den Trends der Welt.

Die ordinäre Fetischisierung des Designernamens hat sich für Chanel ausgezahlt. Als Strategie, die unseren Aberglauben an die Allmacht der griffe in Cash verwandelt, hat sie dem Haus Millionenumsätze beschert. Aber hat Lagerfeld uns damit nicht nur für den Aberglauben bezahlen lassen, sondern uns diesen Aberglauben auch zynisch vor Augen geführt? Hat er nicht eine Gesellschaft inszeniert, die betört ums Goldene Kalb tanzt? Eine Gesellschaft, der das riesigen Spaß macht und die das sexy findet? Wäre das nicht, bei allen Nebenkosten, eine fast emanzipative Leistung?

Barbara Vinken ist Professorin für Romanistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und schreibt Bücher über die Theorie der Mode.

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