Kino:Tierisch talentiert

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Meist brauchen Katzen für Filmdrehs ein Double. Aber nicht Kater Towne, hier im Oscar-nominierten Kinofilm "Can You Ever Forgive Me?". (Foto: Mary Cybulski / Fox)

Drei tolle Hunde und ein Kater, der in Hollywood als "Marlon Brando unter den Katzen" gilt: Braucht es - ernsthaft - eine eigene Oscar-Kategorie für die besten Filmtiere?

Von David Steinitz

Die Frage, ob es einen Oscar für Tiere geben sollte, wird in Hollywood schon seit der Ära von Lassie und Flipper diskutiert - zumindest ironisch. So laut und ernst wie in dieser Filmsaison war der Ruf nach einem Tier-Oscar aber noch nie, woran zunächst einmal die Terrier-Dame Olivia schuld ist.

Sie ist ein niedlicher weißer Wollknäuel und spielt im Thriller "Widows" eine Hündin, die ihrem verzweifelten Frauchen viel Trost spendet. Dieser Auftritt hat einige Zuschauer dermaßen berührt, dass zum Beispiel die Kritikern Alyssa Bereznak von der Entertainment-Website The Ringer forderte: "Gebt ihr einen Oscar!"

Das hätte man noch als skurrile Schnurre aus Hollywood abtun können, zumal Olivias Trainer in einem Interview versicherte, sie sei deutlich mehr an Hot Dogs als an einem Oscar interessiert. Dann aber tauchte der Hund Charlie auf, ein Goldendoodle, der im Musikerdrama "A Star is Born" zu sehen ist. Charlie ist das Haustier des Regisseurs und Hauptdarstellers Bradley Cooper, und er steht seiner Kollegin Olivia in Sachen Wuscheligkeit und Schauspielkunst in nichts nach. Die Zeitschrift Cosmopolitan widmete ihm ein Porträt und rief zur Abstimmung auf: "Mal ehrlich: Brauchen Preisverleihungen eine Auszeichnung für Tiere?" Die Leserinnen und Leser der Zeitschrift sagen zu 83 Prozent: Ja!

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Melissa McCarthy glänzt in "Can You Ever Forgive Me?" als bärbeißige Fälscherin. Und "Mein Bester & Ich" ist ein missglücktes Remake.

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Gäbe es eine solche Kategorie wirklich, dann bekämen Olivia und Charlie Konkurrent von Borras, dem mexikanischen Hund aus "Roma". Er ist ein Slapstick-Spezialist und hat die Herzen der Kinozuschauer mit seinen wohlplatzierten Hundehaufen erobert. Aber selbst dieses Hundetrio hätte die Diskussion um Preise für Filmtiere nicht auf das Niveau heben können, wie es schließlich der Kater Towne getan hat. Ihn kann man seit dieser Woche in der dreifach Oscar-nominierten Tragikomödie "Can You Ever Forgive Me?" bewundern - und die Regisseurin Marielle Heller beschreibt ihn als den "Marlon Brando unter den Katzen". Auch die menschliche Hauptdarstellerin des Films, Melissa McCarthy, schließt sich dieser Meinung an, wie sie dem Magazin Deadline berichtete. In einer Szene zum Beispiel habe sie Towne zum Tierarzt bringen müssen, weil er laut Drehbuch krank sein sollte. Kaum lief die Kamera, habe er sich dermaßen in seine Rolle eingefühlt, dass er sich zu einem kräftigen Niesen hinreißen ließ. Durch diesen Bericht wurde sogar die New York Times neugierig und widmete dem Thema einen Artikel überschrieben mit der Frage: "Werden Tiere bessere Schauspieler?"

Das "Schweinchen namens Babe" wurde von 48 Ferkel-Darstellern gespielt, eine saumäßige Arbeit

Um das zu klären, ruft man am besten die Trainerin des Superkaters an, die sein Talent erkannt und gefördert hat. Kim Krafsky lebt in New Jersey und ist beim Telefonat gerade auf dem Weg ans nächste Filmset. Sie sagt: "Selbstverständlich können Tiere schauspielern!"

Wenn das jemand beurteilen kann, dann natürlich jemand mit ihrer Tierfilmerfahrung. Krafsky besaß Ende der Achtzigerjahre einen Waschbären. Zufälligerweise suchte die Firma "Animal Actors International" just zu jener Zeit ein solches Tier, und so kam sie ins Filmgeschäft. Seitdem hat die 55-Jährige an über vierzig Produktionen mitgewirkt und größere und kleinere Tiere trainiert, damit sie an der Seite von Leonardo DiCaprio, Natalie Portman und Keanu Reeves bestehen konnten. Wobei laut Krafsky kein Hollywoodstar so toll mit Tieren umging wie der verstorbene James Gandolfini, mit dem sie bei der Serie "The Sopranos" das erste Mal zusammenarbeitete.

Aber in ihrer langen Karriere sei sie keinem Tier begegnet, das sie für begabter hielt als Kater Towne, weshalb sie den Vergleich mit Marlon Brando durchaus für angebracht hält. "Katzen sind grundsätzlich schwerer zu trainieren als Hunde, weil sie selbständiger sind und lieber allein sein wollen. Das konnte man zum Beispiel bei Townes Bruder Earl gut beobachten, der lange nicht so folgsam war. Normalerweise brauchen wir pro Film mehrere gleich aussehende Tiere, damit sie sich abwechseln können. Aber nicht bei Towne!" Das ist natürlich beeindruckend, vor allem wenn man bedenkt, dass allein 48 Yorkshire-Ferkel notwendig waren, um "Ein Schweinchen namens Babe" zu drehen. Aber selbst wenn die Oscar-Akademie ihre Regularien für Towne noch mal überdenken würde, könnte der Kater traurigerweise nicht zur Verleihung kommen. "Leider ist er letztes Jahr gestorben", erzählt Krafsky. Aber nicht im Zusammenhang mit den Dreharbeiten, keine Sorge, sondern an Altersschwäche. Dabei hätte man doch gerne seine Dankes-Miauen auf der Bühne des Dolby Theatre gehört.

Die größte Konkurrenz für schauspielbegabte Tiere sind die Computertüftler in Hollywood

Zum Glück konnte er seinen letzten großen Auftritt in "Can You Ever Forgive Me?" noch gesund und munter abdrehen. Aber dass genau solche Todesfälle während der Dreharbeiten passieren, davor haben viele Produzenten Angst. "Deshalb lassen manche Studios die Tiere vorher scannen, um sie im Notfall digital reanimieren zu können", sagt Krafsky. Was natürlich zu der Frage führt, ob eine Oscar-Kategorie für Tiere nicht ohnehin durch die Arbeit der Computertüftler in Hollywood obsolet werden könnte? Diese Konkurrenz sieht auch Krafsky kommen: "Bislang merke ich immer noch, ob es sich um ein echtes Tier handelt oder um eines aus dem Computer. Aber ich muss zugeben, die Effekte werden von Jahr zu Jahr besser, es wird immer schwerer, den Unterschied zu erkennen."

© SZ vom 23.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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