Zukunftsideen für den Landkreis:Finanzielles Wünsch-Dir-was

Zukunftsideen für den Landkreis: Eine Kryptowährung für faire Produkte und mehr Geld für bezahlbares Wohnen: Beim fiktiven Bürgerparlament wird lebhaft diskutiert.

Eine Kryptowährung für faire Produkte und mehr Geld für bezahlbares Wohnen: Beim fiktiven Bürgerparlament wird lebhaft diskutiert.

(Foto: Christian Endt)

Ein fiktives Bürgerparlament verteilt in der Alten Brennerei in Ebersberg einen imaginären Millionen-Etat

Von Michaela Pelz, Ebersberg

Man könnte sich fast daran gewöhnen, an dieses Geldausgeben! Zumindest lassen darauf die nach anfänglichem Zögern rasant steigenden Zahl an Wortmeldungen schließen, mit denen das überwiegend weibliche Publikum am Freitagabend in der Ebersberger Alten Brennerei finanzierungswürdige Projekte für den Landkreis vorschlägt.

Wo genau die bei dieser zum Arkadien-Jahresprojekt des Kunstvereins gehörenden Veranstaltung zur Verfügung stehende Million Euro herkommt, erläutert Moderator Klaus Kopp zu Beginn. Davor allerdings macht der Vertreter der Initiative "Bürger vermögen viel" den Zuhörern deutlich, dass sie sich im Jahr 2022 befinden - eine "Tatsache", die er ihnen während der Diskussion immer wieder freundlich, aber bestimmt in Erinnerung ruft.

"Nach der europaweiten Rezession im Jahr 2020 gibt es ja bekanntlich das "3+1"-Programm." Kopp ergänzt, dass es sich dabei um monatliche Zuwendungen des Landkreises in Höhe von drei Millionen Euro für bereits bestehende Bürgerprojekte handelt. Hinzukommt eine weitere Million Euro, die von einem Bürgerparlament alle vier Wochen an wechselnde Vorhaben verteilt wird. Dabei können Menschen, die sich für das Gemeinwohl engagieren (früher unter dem Namen "Ehrenamt" bekannt), eine Summe von monatlich maximal 2000 Euro aus dem jeweiligen Topf erhalten. "Bezogen auf alle 294 deutschen Landkreise ist das gerade mal ein Viertel dessen, was die Bankenrettung 2008 gekostet hat." Sinn und Zweck der Sache ist neben dem Ende der Rezession und dem Abbau des Zwangs zu Wirtschaftswachstum, eine möglichst breite Bevölkerungsschicht in demokratische Entscheidungen einzubeziehen.

Nachdem alle das Konzept verinnerlicht haben, sammeln die Teilnehmer Ideen. Ein Mittdreißiger schlägt vor, Geld in eine lokale Kryptowährung zu stecken, mit der regionale, fair und ökologisch erzeugte Produkte erworben werden können, nicht aber Benzin oder Dinge aus Plastik. Mitglieder des Kunstvereins wünschen sich, das aktuelle Arkadien-Projekt im Zweijahresrhythmus durchführen oder per "Arkadien-Mobil" mit Kindern und Senioren Kunst machen zu können. Diese Zielgruppen stehen immer wieder im Fokus: Sowohl dabei, ein Kinder-Arkadien nach dem Vorbild von "Mini-München" zu schaffen, als auch bei der vehementen Forderung, die Pflegesituation älterer Menschen zu verbessern, den Verein für Ehrenämter "Schwungrad Ebersberg" zu stärken oder das "Frei-Mieten" einer Wohneinheit pro Mehrfamilienhaus mit generationenübergreifenden Gemeinschaftsaktionen zu ermöglichen. Temperamentvoll wird bezahlbarer Wohnraum gefordert durch das "Frei-Kaufen" von Häusern aus dem Immobilienmarkt, um sie dann genossenschaftlich zu verwalten. Und die Verkehrssituation ist ein großes Thema: Mehr Radwege und Loipen im Forst werden gewünscht. Um die Begegnung zwischen Ebersbergern und Grafingern geht es bei der Schaffung einer "Ebär-Straße" am Kapser Berg - inklusive Mitfahrbankerl und Spielplätzen auch für Erwachsene.

Nach einer Pause beginnt Michaela Müller, Vorsitzende des Familienzentrums Grafing, mit der Abstimmung per "systemisches Konsensieren". Dabei wird nicht die Zahl der Ja- oder Nein- sondern die der Widerstandsstimmen ermittelt. Je geringer deren Anzahl, umso größer der allgemeine Konsens. Am Ende gewinnt Kinder-Arkadien vor drei weiteren Projekten, die mit jeweils 200 000 Euro angekurbelt werden sollen. Was nicht ausgeräumt wird, ist allerdings die große Frage: Wollen wir grundsätzlich etwas verändern oder die Dinge nur ein wenig besser machen an Stellen, wo es uns ohnehin schon gut geht?

Die Feedbackrunde zeigt, dass zwar nicht alle mit dem Ergebnis, dafür umso mehr mit dem Verlauf des Abends zufrieden sind. Man hat ernsthaft und leidenschaftlich diskutiert und neben lokalen Bedürfnissen auch die Probleme der Welt im Blick behalten. Nur eines macht dem Initiator des Arkadien-Projekts, Peter Kees, zu schaffen: "Schade, dass Sie kein Geld für die Arkadien-Biennale gegeben haben!" Was einer seiner Mitstreiter trocken so kommentiert: "Es hat einfach dieses Mal zu gut geklappt!"

Weitere Termine des Festivals "Wo bitte geht's nach Arkadien" unter: www.kunstvereinebersberg.de/jahresausstellung-2019/.

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