Oberfranken:Harsche Kritik am Vorgehen der Soko Peggy

Mordfall Peggy

Die neunjährige Peggy war am 7. Mai 2001 auf dem Heimweg von der Schule verschwunden.

(Foto: dpa)

Die Ermittler spielen mehreren Lichtenberger Bürgern ein offenbar heimlich mitgeschnittenes Gespräch zwischen dem geistig beeinträchtigen Ulvi K. und dessen Vater vor. Was versprechen sie sich davon?

Von Olaf Przybilla, Lichtenberg

Holger Knüppel war baff, sagt er, als die Soko Peggy vor der Tür stand. Natürlich begrüßt er als Bürgermeister von Lichtenberg Ermittlungen im Fall Peggy - die Kleinstadt in Oberfranken hat schließlich ein Interesse daran, dass der Mord an dem damals neunjährigen Mädchen knapp 18 Jahre nach ihrem Verschwinden aufgeklärt wird. Aber ein unangemeldeter Besuch, der dann etwa drei Stunden lang bleibt? Schwierig. Die Soko Peggy hat ihm ein 15 Jahre altes Tonband vorgespielt bei ihrem Besuch: ein Gespräch zwischen dem geistig beeinträchtigen Ulvi K. und dessen Vater, offenbar heimlich aufgenommen von der Polizei. Ulvi K. belastete in diesem Gespräch sich selbst und den heute 41 Jahre alten Manuel S., gemeinsam am Tod von Peggy beteiligt gewesen zu sein.

Knüppel hatte sich zunächst keine grundsätzlichen Gedanken gemacht. Er habe das als Informationsaustausch gedeutet, als Angebot der Soko, einen ähnlichen Wissensstand zu bekommen. Dazu muss man wissen, dass der Bürgermeister 2017 zu den Unterzeichnern eines Hilferufs aus Lichtenberg gehörte, in dem sich auch Stadträte über die Arbeit der Ermittler beschwerten. Insofern könnte man eine Einbindung nun ja positiv bewerten. Als er dann aber drüber geschlafen habe, sagt Knüppel, da sei er ihm das Ganze doch sehr fragwürdig vorgekommen. Dieses abgelauschte Gespräch zwischen einem Vater und seinem Sohn, "das geht niemanden etwas an", sagt der Bürgermeister, "nur die Staatsanwaltschaft und die Polizei".

Das sieht auch Hanna Henning so, die Anwältin von K., die Anzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg gegen den Leiter der Soko Peggy, Ermittlungsbeamte und einen leitenden Staatsanwalt gestellt hat. Das Band, das im Verfahren gegen Ulvi K. nicht vorgespielt worden sei und damit nicht öffentlich ist, unbeteiligten Dritten vorzuspielen, hält sie für "eklatant verfassungswidrig". Es verletzte mehrere Artikel des Grundgesetzes und verstoße gegen Persönlichkeitsrechte eines geistig behinderten Menschen und dessen Vaters. Bei der Generalstaatsanwaltschaft ist mindestens eine Anzeige in der Sache eingegangen, diese hat sie weitergereicht an die Staatsanwaltschaft Würzburg, die nun entscheiden muss, ob sie Ermittlungen einleitet.

Bleibt die Frage, was sich die Ermittler davon versprechen, dieses Band dem Bürgermeister und mindestens fünf weiteren Lichtenberger Bürgern vorzuspielen. Bayreuths Leitender Oberstaatsanwalt Herbert Potzel bleibt da vage. Er bestätigt nur, dass ein solches Band vorgespielt worden sei und für den Mitschnitt vor 15 Jahren richterliche Genehmigungen vorgelegen hätten. Der Zweck, dieses Band nun auch Dritten zur Kenntnis zu geben, sei es, "weitere Informationen zu erlangen".

Fall Peggy - Lichtenberg

Lichtenbergs Bürgermeister Holger Knüppel wundert sich über den Besuch der Polizei bei ihm.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Aber beim Bürgermeister? Knüppel ist hauptberuflich Förster, weil er in den Wäldern um Lichtenberg zu tun hat, stand er gelegentlich in Kontakt mit den Peggy-Ermittlern. Nie aber im Zentrum der Ermittlungen. Er könne da auch nur spekulieren, sagt Knüppel. Er habe den Eindruck, die Ermittler hätten auf ihn "einwirken wollen". Ihn also davon überzeugen wollen, dass die Version einer - wie auch immer - gemeinsam begangenen Tat von Ulvi K. und Manuel S. plausibel sei. Damit womöglich er wiederum auf die Lichtenberger Initiative pro Ulvi besänftigend einwirke.

Diese war im Januar mit schweren Vorwürfen gegen Ermittler vor die Presse getreten. Und tut dies nun umso mehr. Es sei "unerträglich", wie gezielt versucht werde, einen behinderten Menschen erneut als Täter oder Mittäter zu präsentieren - und dies, obwohl dieser 2014 in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen wurde, kritisiert die Betreuerin von K., Gudrun Rödel. Auch der Anwalt von Manuel S., Jörg Meringer, ist entsetzt. Dass mit diesem Band "hausieren gegangen" werde, sei "sehr befremdlich". Er verliere allmählich den Glauben daran, dass im Fall Peggy "rechtsstaatliche Prinzipien" gewahrt würden.

Es sei offenkundig, sagt Bürgermeister Knüppel, dass die Soko auch aufgrund des Bandes in eine Richtung ermittele: eine Tat zweier Beteiligter. Ihn aber überzeuge das "nicht wirklich": K. habe ja viele verschiedene Tatversionen präsentiert. Auch Gudrun Rödel verweist auf eine "gutachterlich bestätigte hohe Fantasiebegabung und hohe Suggestibilität" von K. - und "vielerlei Varianten", die er als Tathergang geschildert habe. Der Lichtenberger Stadtrat Norbert Rank wird noch deutlicher. Das Band, über das nun alle in Lichtenberg sprechen? Für ihn sei das "ein Akt der Verzweiflung" der Ermittler.

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