Sportpolitik:Europa gegen den Rest von Infantinos Welt

Fifa-Präsident Gianni Infantino

Fifa-Chef Infantino mit dem Ball für die Frauen-WM in Frankreich.

(Foto: Alberto Pizzoli/AFP)
  • Fifa-Präsident Gianni Infantino wirbt weiter für einen angeblich 25 Milliarden US-Dollar schweren Rechtedeal - ohne aber zu sagen, von wem das Geld kommen soll.
  • Beim "Fifa Executive Football Summit" in Rom versucht Infantino, seine Mehrheiten zu organisieren.
  • Die europäischen Fußballverbände hat Infantino geschlossen gegen sich.

Von Birgit Schönau, Rom

Es ist ein Heimspiel für Gianni Infantino, hier in Rom, wo der Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa nach dreitägiger Ratsklausur ostentativ gut gelaunt vor die Presse tritt. Schließlich ist der Schweizer Sohn italienischer Eltern und besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft. Hinter den Kulissen des etwas angestaubten Luxushotels am Park des Renaissancekardinals Scipione Borghese soll es unter den 65 Delegierten des Fifa-Gipfels hoch hergegangen sein. Dem Vernehmen nach habe Infantino vor den gelbgeblümten Seidentapeten gar getobt. Jetzt streichelt er das bunte Spielgerät vor ihm auf dem Rednertisch: "Der Ball für die Frauenfußball-WM. Dafür hat Italien sich übrigens qualifiziert."

Später wird er den Schenkelklopfer bringen, dass bei der Männer-WM 2022 in Katar schon deshalb 48 Mannschaften teilnehmen müssten, "damit Italien auch wieder dabei ist". Im Saal lacht niemand, schon gar nicht Italiens Verbandspräsident Gabriele Gravina in der ersten Reihe - er ist erst seit vier Monaten im Amt und leistet gerade vorsichtige Aufbauarbeit. Denn das Turnier 2018 in Russland, "die schönste WM aller Zeiten", wie der gerade von Wladimir Putin mit dem Freundschaftsorden ausgezeichnete Infantino schwärmt, musste ohne Italien stattfinden, eine Schmach, an der immer noch viele nagen. Vielleicht bleiben die "italienischen Fragen", die Infantinos Sprecher zu Anfang gestattet, deshalb so auffallend harmlos.

Infantino sagt weiter nicht, wer ihm die 25 Milliarden bietet

Infantino hat Gelegenheit, sich allen Ernstes als "Fußballromantiker" zu verkaufen - "aber gegen ein bisschen Geschäft habe ich natürlich nichts, das gibt vielen Menschen Arbeit und Hoffnung". Eine gute halbe Stunde lang dauert die Show, mit der Infantino die Pressekonferenz zur Farce gestaltet, unter tätiger Mithilfe des römischen Publikums. Mal geht es um Schiedsrichter ("leider kann ich nicht Jesus Christus als Fifa-Referee gewinnen"), mal darum, was er von seinem Herzensklub Inter Mailand erwartet. Die Korrespondentin der russischen Agentur Tass ("von Fußball verstehe ich nichts, aber meine Kollegen haben mich hierhin geschickt") will wissen, wie toll der Präsident den neuen russischen Verbandschef findet. Ganz, ganz toll, versichert Infantino. Zwischendurch tätschelt er strahlend den bunten Ball und säuselt: "Leute, es geht hier um Fußball. Nichts Ernstes also."

In Wirklichkeit ist es ihm verdammt ernst mit einem Big Business, das die Geschäfte seines Vorgängers Sepp Blatter in den Schatten stellt. 25 Milliarden US-Dollar hat er angeblich an Land gezogen, von wem, sagt er weiterhin nicht, für Rechte an einer aufgeblähten Klub-WM und einer Nations League, die zusammen die Weltmeisterschaft zu einem Turnier unter vielen degradieren würden. Seither wirbt er um sein anonymisiertes Projekt, trifft sich immer wieder mit Vertretern der 211 Fifa-Mitgliedsverbände. Der "Fifa Executive Football Summit" in Rom ist eine dieser Veranstaltungen, auf der Infantino versucht, seine Mehrheiten zu organisieren. Doch die Fronten gerade zwischen Europa und fast allen Übrigen bleiben verhärtet.

Die Uefa opponiert, weil Infantino den Weltfußball in die Hände von Finanzinvestoren legen will. Dazu gehört auch die forcierte Aufstockung der WM in Katar von derzeit 32 auf 48 Teams, inklusive der Ausweitung von Spielen in die Nachbarländer, weil das kleine Land die erhöhte Teilnehmerzahl samt Entourage nicht aufnehmen kann. Die Zeit drängt, schon im September muss die Qualifikation starten, die WM selbst soll vom 21. November bis 18. Dezember 2022 stattfinden. Die politische Lage sei kompliziert, räumt der Fifa-Boss ein, was stark untertrieben ist, befinden sich Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate doch seit Jahren in einem kalten Krieg mit Katar. "Ich kümmere mich um Fußball, nicht um Politik. Aber wenn Trump und der Nordkoreaner sich die Hand reichen können, ist auch am Persischen Golf alles möglich."

Erst einmal muss der Präsident indes die eigenen Truppen hinter sich bringen. Nur 14 Nationalverbände, alles Nicht-Europäer, sollen in Rom für die Aufstockung gestimmt haben, darunter Argentinien. Die Europäer hingegen hat Infantino geschlossen gegen sich. Sämtliche Uefa-Verbände boykottierten die Abstimmung, auch die Italiener. Vielleicht spottet Infantino deshalb drei Mal, dass er eigens für Italien die Teilnehmerzahl vergrößern wolle. Seine Retourkutsche.

In zwei Wochen dürfte es rundgehen beim Fifa-Council in Miami

Als in der letzten Viertelstunde drei "internationale" Fragen zugelassen werden, geht es ans Eingemachte. Jeder Firmenchef würde von seinen Vorstandskollegen bejubelt, wenn er 25 Milliarden Dollar heranschaffe, klagt Infantino. Nur bei der Firma Fifa liefe es anders, da werde er nicht nur nicht gelobt, sondern auch noch finsterer Machenschaften verdächtigt. "Dabei ist nichts faul an der Sache. Die Fifa nimmt das Geld ein und verteilt es wieder. Wir helfen, den Fußball weltweit zu entwickeln."

Eigentlich wäre Gianni Infantino somit ein Robin Hood des Weltfußballs, der von den Reichen nimmt und es den Armen gibt. "Es kann ja nicht sein, dass immer dieselben sieben, acht Europäer um den Titel der Klub-WM streiten." Die armen Kleinen wollen auch mal ran, vor allem, wenn sie aus schwer reichen Ländern stammen, aus China zum Beispiel oder aus den Golfstaaten. Den Namen der Investoren, die viele in der selben Ecke vermuten, mag der Fifa-Boss erneut nicht verraten, allen Transparenz-Beschwörungen zum Trotz. Nur die Eckdaten sind klar. 2021, spätestens 2024, soll die Klub-WM laufen, koste es, was es wolle. Die Europäer sollten gefälligst Mehrheitsbeschlüsse akzeptieren, "das nennt man Respekt vor der Demokratie".

Jahrzehntelang habe Europas Verband Uefa sein Geschäft ausbauen dürfen, erklärt Infantino, selbst ein ehemaliger Uefa-Funktionär - vom Landesmeister-Cup zur Champions League, vom Uefa-Cup zur Europa League, schließlich von der EM-Quali zur Nations League. "Und jetzt sind wir mal dran. Der Weltverband ist nicht nur Europa, und bei uns sind alle gleich."

Die Fronten von Rom deuten darauf hin, dass es in zwei Wochen, bei der Fifa-Council-Tagung in Miami, rund gehen könnte zwischen Europa und dem Rest von Infantinos Welt. Im Juni will der Chef dann beim Fifa-Kongress in Paris wieder gewählt werden. Gegenkandidaten gibt es praktischerweise nicht.

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FILE PHOTO: FIFA President Gianni Infantino in Davos, Switzerland, January 24, 2019

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