Nachruf:Die leichte Hand

Lesezeit: 2 min

André Previn erlernte das Klavierspiel von seinem Vater, einem Rechtsanwalt und begeisterten Amateurmusiker. (Foto: www.imago-images.de)

André Previn ist gestorben. Er spielte mit Jazzmusikern wie Dizzy Gillespie und arrangierte Filmmusiken wie "My Fair Lady". Und fast wie nebenher war er auch noch ein begnadeter Dirigent.

Von Harald Eggebrecht

Es gibt aus den Achtzigerjahren eine der schönsten, lässigsten und amüsantesten Aufnahmen mit Ragtimes des großen Scott Joplin. Der spielte seine Musik einst auf dem Klavier, aber hier fanden sich zwei Musiker zusammen, die wussten, was es heißt, mit leichter Hand, untrüglichem Gefühl für das Ausreizen des Rhythmus, Humor und Ironie ganz en passant doch tiefere Bedeutung zu erreichen. Es waren der Geiger Itzhak Perlman und der Pianist André Previn, der Scott Joplins Rags so hinreißend arrangierte.

André Previn, der in den Sechzigerjahren, als Chefdirigent des London Symphony Orchestra, in seiner Erscheinung an John Lennon erinnern mochte, war ein musikalisches Urtalent, darin sehr ähnlich jemandem wie Leonard Bernstein. Geboren 1929 in Berlin, brachte ihm der Vater, Rechtsanwalt und begeisterter Amateurmusiker, das Klavierspiel bei und nahm ihn auch mit in die Philharmonie zum Konzert unter Wilhelm Furtwängler. Previn hat später erzählt, der Eindruck sei gewaltig gewesen und habe ihn so aufgeregt, dass er daheim ins Fieber fiel. Mozart, Beethoven, Schumann, Schubert, Brahms waren bei den Priwins, wie sie damals hießen, sozusagen zu Hause.

1938 floh die Familie in letzter Minute vor der Naziverfolgung nach Paris und dann nach Los Angeles. Von nun an ging es rasch voran. Ausgelöst durch den genialen Pianisten Art Tatum, wandte sich Previn intensiv dem Jazz zu und gab schon mit 15 Jahren ein Jazzkonzert im Saal des Los Angeles Philharmonic Orchestra. Später hat er mit solchen Größen wie etwa Dizzy Gillespie, Ray Brown oder Billie Holiday gespielt. Zu gleicher Zeit fing er auch an, für die Filmstudios in Hollywood Musik zu arrangieren und Eigenes zu komponieren. Previn hat darauf hingewiesen, wie sehr ihn der dauernde Umgang mit Komponisten und Musikern wie Miklos Rosza, Mario Castelnuovo-Tedesco oder Pierre Monteux vertraut gemacht habe mit der musikalischen Praxis, aus der heraus er unaufhaltsam die eigenen Fähigkeiten entfalten konnte.

Die Fülle an Arrangements reicht von "My Fair Lady" bis "Eins, Zwei, Drei"

Die Fülle an Arrangements, Filmmusiken und Originalsongs ist imponierend. Dazu gehören nicht nur die mit vier Oscars ausgezeichneten Arrangements von "My Fair Lady", "Irma la Douce", "Gigi" und "Porgy and Bess", sondern auch solche fesselnden Musiken wie "Stadt in Angst", "Elmer Gantry" oder "Die vier apokalyptischen Reiter". Auch für Billy Wilders "Eins, zwei, drei" hat er die Musik geschrieben, zwei Berliner unter sich.

Doch Previns kraft- und Inspirationsreserven reichten über Hollywood hinaus, so wurde er auch noch ein weltweit gefeierter Dirigent, der unter anderem als deren Chefdirigent besonders erfolgreich mit dem London Symphony Orchestra (1969 - 1979) und dem Pittsburgh Symphony Orchestra (1976 - 1984) zusammengearbeitet hat. Auch hier fiel bei allem Engagement, aller eingesetzten und ausgelösten Energie auf, wie leichthändig Previn dirigierte. Unter ihm klangen Orchester nie dick, klumpig oder gar unrhythmisch, sondern eher "Mendelssohnsch" federnd und klar. Seine Ehen mit Mia Farrow und Anne-Sophie Mutter gehören zum Glamour dieses unglaublich begabten Musikers. Wer ihn in den späten Jahren beobachten konnte, wie er mit Anne-Sophie Mutter und dem Cellisten Daniel Müller-Schott Mozart-Trios spielte, konnte nur staunen über seine unaufwendige Gelassenheit. Hochprofessionelle Lässigkeit zeichnet auch seine Klassikwerke aus, ob es Violin- und Cellokonzerte, Kammer- und Orchestermusik oder seine vielen Liedkompositionen sind. Immer ist spür- und erlebbar, wie direkt André Previn mit und durch Musik wirken konnte und kann, wenn seine Stücke gespielt werden. Am 28. Februar ist André Previn kurz vor seinem 90. Geburtstag in New York gestorben.

© SZ vom 02.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: